Es ist ein “ungeheuerlicher” Vorgang für die Demokratie, was sich gerade in Brandenburg abspielt. Beamte und Richter, die eine Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR, die skrupelose Gedankenpolizei der SED-Diktatur, bisher aus guten Gründen verschwiegen, sollen bei der Berechnung ihrer Jubiläumszahlung zum 25. Dienstjubiläum im öffentlichen Dienst auch ihre früheren “Tätigkeiten” angeben können. Dann haben sie auch nachträglich eine Zahlung zwischen 300 und 400 Euro zu erwarten.

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Nun weiß jeder normal rechnende Mensch, dass die Maueröffnung 1989 und die Wiedervereinigung 1990 erst vor 20 Jahren waren und solche Dienstjubiläen zum Beispiel von früheren systemkonformen DDR-Richtern gar nicht möglich sein dürften. In Brandenburg scheint die Welt bis zum heutigen Tag anders zu ticken. Wer in der dortigen Regierungsfraktion der Linkspartei kein offizieller oder inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war oder in der DDR einen “tugendhaften” Friedens-Staat sieht, gehört anscheinend zur absoluten Minderheit. Die SPD unter Ministerpräsident Mathias Platzeck toleriert, dass die Linkspartei nun alte SED-Gesinnungsgenossen zu “rehabilitieren” versucht. Demnächst wird möglicherweise noch die Beschäftiigung mit der DDR-Geschichte im Unterricht gestrichen, weil die “Zeitgeschichte zu nahe mit der Gegenwart” zusammenhängt. Solche Sichtweisen belohnen immer die Täter einer Diktatur. Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte muss daher schonungslos weitergehen, um alten Diktatureliten endlich das Handwerk zu legen. 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs fing ab 1965 übrigens erst langsam in der Bundesrepublik die Beschäftigung und kritische Reflexion mit dem Nationalsozialismus an, über den viele Mitläufer und Täter ebenfalls lieber für immer geschwiegen hätten.

Weiterlesen:

Focus Online “Brandenburg – Bei Jubiläum wird Stasi-Zeit angerechnet” vom 21. Januar 2010

Zeittaucher “20 Jahre zu spät: Brandenburg hat jetzt eine Stasi-Beauftragte” vom 19. Dezember 2010

Zusatz vom 23. Januar 2010: Nach weiteren Presseberichten will die brandenburgische Landesregierung nach zahlreichen Protesten die umstrittene Stasi-Beamten-Belohnung zurückziehen. Es bleibt abzuwarten, wie und wann dies geschieht, zumal die allgemeine und persönliche DDR-Vergangenheit von zahlreichen politischen Akteuren Brandenburgs fortwährend geklittert wird.

Potsdamer Neueste Nachrichten vom 21. Januar 2010

Kommentare (12)

  1. #1 Alex K.
    Januar 23, 2010

    Genau schonungslose Verfolgung für alle, die die SED unterstützt haben oder gar freiwillig gewählt haben (kann man sich ja überhaupt nicht vorstellen, wer sowas gemacht hat). Damit wir in unseren TOLLEN Demokratie glücklicher Leben können.

    Vorne weg die DDR wurde nicht erobert!
    Wenn ich dass hier immer so alles höre, kommt es mir immer so vor, als ob es damals nur Leidene und Unterdrücker gab.
    Klar es gab viele, ich nenne sie mal schlechte Menschen, aber ist es so schwer zu verstehen, dass es auch Menschen gab, die in und mit der DDR GELEBT haben?
    Ist es auch so schwer zu verstehen, dass dort ein anderes System herrschte als in der BRD?

    Man kann doch keine Menschen bestrafen, die damals legal ihren Tätigkeiten nachgingen, weil sie in dem System lebten.
    Man kann doch heute genauso wenig für etwas bestraft werden, für das es irgendwann mal ein Gesetz gab und warum ist das so?

    Ich will hier nichts schön reden, ich finde, was in der DDR gemacht wurde, auch nicht richtig. Aber ich will, dass sich mal die Leute hier gedanken machen und sich nicht wie mittelalterliche Hexenjäger verhalten.

  2. #2 Kristin
    Januar 23, 2010

    Sach mal, geht’s Dir noch gut? Hast Du überhaupt ‘nen Plan vonna DDR, Mr. BJ 1977? Meinste, ne “Belohnung von 300 – 400 EUR” macht den Kohl fett? Wohl kaum.

    Ich will nun nicht daran erinnern, wer wie welche Renten nach der Zeit des NS-Regimes bekommen hat. Ach quatsch, klar will ick. Olle Nazis, jawoll.

  3. #3 Christian Jung
    Januar 23, 2010

    Die beiden Kommentare zeigen ungeschminkt, wie schwer es für manche Menschen ist, selbstreflexiv die DDR-Geschichte und ihre menschenverachtenden Charaktereigenschaften aufzubereiten. Das hat nichts mit Hexenjagd zu tun. Täter- und Funktionseliten einer Diktatur sollten nur nicht für ihr Handeln in der Vergangenheit belohnt werden, egal aus welcher ideologischen Richtung der jeweilige totalitäre Staat kam. Dies gilt für den Nationalsozialismus genauso wie für die SED-Diktatur.

  4. #4 Kristin
    Januar 24, 2010

    Witzigerweise geht es doch stets nur in die eine richtung … gegen rot-rot … wieso nimmt sich eigentlich nie jemand angela vor, die dank ihres parteiauftrages von der führungsspitze der sed die cdu erfolgreich unterwandert, wunderbare neue überwachungsgesetze ala stasi 2.0 in gang getreten hat und nun uns allen ein verbesserter sozialismus 2.0 blüht. Selbst Missy Langesfeld ist ja von der Opposition in die erzkonservative CDU gehuscht. Naja, über umwege halt, jugendsünden quasi.

    Oha, SED-Diktatur und Naziregime, oh verzeihung, der objektive historiker schrub ja verharmlosend “Nationalsozialismus” … schön, wie immer wieder der vergleich heraufbeschworen wird, die ddr samt ihrer dikatur sei ja nicht besser gewesen als die nationalen sozialisten. Ich finde, dein beitrag auf sb zeigt, wie wenig reflexiv du in der lage bist, sich deines promotionsthemas zu nähern.

    Nur raffen das scheinbar einige auch unter den promovierten historikern nicht.

    Mich kotzt diese Befangenheit einfach nur an.

    “systemkonforme Richter”
    “skrupellose Gedankenpolizei der SED-Diktatur”
    “alte SED-Gesinnungsgenossen rehabilitieren”

    Also, wer seit Anbeginn der Zeit als Richter arbeitete, soll trotz 30 jähriger Diensttätigkeit kein 30jähriges Jubiläum feiern dürfen? Ein Lehrer der seit 30 Jahren unterrichtet ebenfalls nicht? Und wer gar beim Ministerium angestellt war, der geht gar nicht. Die Leute beim Bildungsministerium sowieso nicht? Na und die beim BND ja nun auch überhaupt nicht!!! Ach nee, nur beim MfS, die andern sind ja die Guten. Nur weil da die Historie einen Strich durch die Rechnung machte? Darf alles nur ab 1991 gelten? Alles was vorher war, ist nichts mehr wert?

    Schulabschlüsse, Dienstzeiten, Berufsabschlüsse?

    Das ehemalige Bonzen in der Lage waren sich am Tegernsee einzunisten erscheint auch niemandem untersuchungswürdig. Ich finde, es gibt durchaus extrem viel aufzuarbeiten, aber nicht nur ddrseitig.

  5. #5 Christian Jung
    Januar 24, 2010

    @Kristin: Herzlichen Dank für Deine Erwiderung. Dein Beitrag kann sehr gut als Geschichtsquelle verwendet werden, um aufzuzeigen, dass der wissenschaftliche Konsens, dass die DDR eine menschenverachtende Diktatur war, nicht von jedem so gesehen wird. Interessant ist, dass in diesem Zusammenhang immer wieder von DDR-Anhängern behauptet wird, dass Historiker den Nationalsozialismus verharmlosen wollten. In meinem Fall ist das kompletter Unsinn, zeigt aber, wie Geschichtsklitterungen konstruiert und narrativ weitergegeben werden sollen. Deshalb: Wir müssen uns mehr den je den Opfern von Diktaturen, nicht den Tätern, zuwenden. Und ehemalige MfS-Mitarbeiter sind keine Opfer! Das ist übrigens ebenfalls ein wissenschaftlicher Konsens.

  6. #6 erich egermann
    Januar 24, 2010

    ?? Befangenheit ?? : “systemkonforme Richter” , “skrupellose Gedankenpolizei der SED-Diktatur” , “alte SED-GesinnungsGenossen rehabilitieren” ??
    Nix Befangenheit , Genz richtige Formulierungen ! ( bin Jahrgang 1955, lebe 1,5 km vom ehemaligen Eisernen Vorhang. )
    P.S. Danke für ihre Beiträge, Herr Jung

  7. #7 dema
    Januar 25, 2010

    Die DDR war eine Diktatur der alten Männer, die ihre Ideale an das Bestreben die Macht zu erhalten verraten haben.
    Ob sie mehr oder weniger menschenverachtend war, als das jetzige System, darüber kann man wahrhaftig gut diskutieren. Ich frage nur danach was eine Gesellschaft wert ist, wenn sie nur die Bedürfnisse des Geldes befriedigt.
    Das man Vergangenheit aufarbeiten sollte ist mir völlig klar.
    Allerdings ist die Aufarbeitung der NS Vergangenheit nicht im selben Topf möglich wie der der DDR.
    Das ist in meinen Augen eine unzulässige Verallgemeinerung. Es hat wohl auch wenig damit zu tun, das hier jemand Geschichtsfälschungen konstruiert und diese erzählerisch weiter gibt.
    Mit Verlaub Herr Dr. Jung, der Grund liegt wohl eher darin, das der ehemalige gemeine Ossi sich um’s Verrecken nicht in die gleiche Aufarbeitungsschublade mit den Nationalsozialisten stecken lassen will.
    Zu Recht wie ich meine, denn ich bin ein Überlebender, der bis 1990 Dreißig Jahre DDR als “normaler Bürger” hinter sich hatte.
    In diesem Sinne …

  8. #8 Kristin
    Januar 25, 2010

    Ich bin sehr dafür, sich auch den Opfern einer jeden Gesellschaft zu widmen. Aber alle Ossis in eine Opferschublade zu stecken ist einfach unsinnig, denn der gemeine Ossi ist kein Opfer. Genauso wenig wie Mitarbeiter eines Ministeriums allesamt Täter sind.

    Zum Herren, der 1.5 km von der Grenze weg wohnte. Ja, naja, soll es geben, geht fast jedem in Berlin so. Im übrigen erwarte ich von Mitarbeitern der Justizbehörden, daß sie sich konform an die Regeln der geltenden Gesetze halten. Hüben wie drüben. Sind die Gesetze unterschiedlich, wäre es vermessen zu fordern, man müsse sich über die Gesetze hinwegsetzen.

    Das Historiker nicht objektiv, sondern interpretativ arbeiten, ist ja bekannt und auch einer der Gründe für die Erkenntnis, daß Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird.

  9. #9 Christian Reinboth
    Januar 25, 2010

    Brandenburg wird ja nicht umsonst als “kleine DDR” bezeichnet. Offenbar legt sich der dunkelrote Teil der rot-roten Koalition mächtig für ihre Wählerklientel ins Zeug…

  10. #10 kristin
    Januar 25, 2010

    Naja, das sollte natürlich jede Partei für ihr Klientel, oder?

  11. #11 Christian Reinboth
    Januar 26, 2010

    @Kristin:

    Naja, das sollte natürlich jede Partei für ihr Klientel, oder?

    Wohl wahr. Es stellt sich aber schon die Frage, was von einer Partei zu halten ist, die explizit Klientelpolitik für die Interessengruppe ehemaliger Stasi-Mitarbeiter betreibt…

  12. #12 Hastenichtgesehen
    April 22, 2010

    Um mal auf dien Überwachungsstaat DDR zurück zu kommen, da ist ja die heutige BRD ein Zahn schärfer. Ich seh ein das die Möglichkeiten die es heute gibt der DDR nicht zur Verfügung standen und es heute voll nutzen würde. Leider ist es aber so das heutige Geheimdienste, sei es MAD, BND, u.s.w. das Angebot voll ausnutzen und davon gebraucht machen.
    Man sollte sich schon im Klaren sein, das jedes Gespräch was man irgendwo führt mitgehört wird. Da rede ich nicht nur von Handy( was auch im ausgeschaltetem Zustand als Wanze dienen kann), sondern auch in einer X-beliebiegen Kneipe.
    Das hat sich z.B. gezeigt 2007 beim Gipfeltreffen den G8 in Heiligendamm gzeigt hat.
    Leute die ganz normal im Leben stehen sich aber gegen die Globaliesierung in einer Kneipe geäußert haben einer Hausdurchsuchung unterziehen mußten. Wie immer im Namen der Terrorabwehr. Tja man erfindet mal Gesteze um Praktiken durchzusetzen um immer über jedem Bescheid zu wissen.
    Ich möchte auf keinen Fall den Machenschaften des DDR-Staatsicherheitsdienstes meine Zustimmung geben, aber jeder Einzeilne sollte sich mal fragen in welcher Überwachung er heute steht.
    Frank Rettig