Trickbetrüger erleichtern Senioren regelmäßig um größere Geldbeträge und Lebensersparnisse

Enkeltrick1 - Repro Christian Jung 25042010.jpg
Ahnungslose Senioren werden immer wieder Opfer von Trickbetrügern. (Fotos: PD Heidelberg, Repros: CJ)

Das Telefon klingelt. Die 80-jährige Gertrud Holsten (Name geändert) ist seit Stunden alleine zu Hause und stürmt zum Telefon. „Hallo!”, sagt sie vorsichtig. „Hallo Oma!”, antwortet es am anderen Ende der Leitung.

„Bist du es, Robert?”, fragt sie. „Du Oma, ich habe ein großes Problem. Ich brauche Deine Hilfe!”, sagt der vermeintliche Enkel und fährt fort: „Ich hatte gerade einen Autounfall, bin aber zum Glück nicht verletzt. Ich war leider schuld. Damit ich keinen Ärger mit der Polizei bekomme, soll ich dem Mann 3000 Euro für den schweren Schaden geben. Zum Glück ist er nicht tot. Ich brauche doch meinen Führerschein, sonst verliere ich meinen Job. Kannst Du mir helfen? Hast Du noch Bargeld daheim?” – Die besorgte Großmutter sagt ihrem Enkel unverzüglich Hilfe zu. „Ich habe noch eine Notration in meinem Sparstrumpf. Ich kann Dir aber nur 2500 Euro geben.” – „Du Oma, das ist auch in Ordnung. Den Rest kann ich beim EC-Automaten selbst abheben. Ich schicke gleich den Stefan, meinen Freund, zu Dir. Bitte gib ihm das Geld. Als Kennwort schlage ich ‚Robert’ vor. Ich bin nun richtig erleichtert, dass ich jetzt keinen Ärger bekomme.” – „Robert, mach Dir keine Sorgen, ich warte auf Deinen Freund.”

Raub an der Haustüre

Solche sinngemäßen Anrufe werden Harald Kurzer regelmäßig gemeldet. Der Pressesprecher der Polizeidirektion Heidelberg ist immer wieder erstaunt, wie durch den sogenannten „Enkeltrick” (auch „Neffentrick” genannt) vor allem ahnungslose Senioren, „die noch bei vollem geistigen Verstand” sind, innerhalb von wenigen Minuten ohne es zu ahnen, an ihrer eigenen Haustüre „ausgeraubt” werden. Manche in der Regel alleinstehende Großmütter oder -väter haben so in den vergangenen Monaten in der gesamten Rhein-Neckar-Region hohe Geldbeträge verloren, weil sie ihren geliebten Enkeln oder Verwandten aus erfundenen Notsituationen helfen wollten. „Die Beträge variieren dabei zwischen 150 und 20.000 Euro oder sogar mehr. Die betrügerischen Straftäter, die teilweise mehrmals hintereinander von öffentlichen Telefonzellen anrufen und bandenmäßig organisiert sind, werden dabei immer erfinderischer und nutzen die temporäre emotionale Verwirrtheit und Hilfsbereitschaft ihrer Opfer schamlos aus”, sagt Kurzer. Viele von ihnen stammen aus Osteuropa, sprechen deutsch ohne größeren Akzent und verschwinden nach einer Tat sofort aus der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. „Wenn eine Bande in Weinheim unterwegs war, taucht sie am nächsten Tag aus Sicherheitsgründen eher in Pforzheim, Bruchsal oder einem anderen Bundesland auf als in Schriesheim.”

Enkeltrick2 - Repro Christian Jung 25042010.jpg
Bei alleinstehenden älteren Frauen versuchen Straftäter über den sogenannten „Enkeltrick”

rasch an Bargeld zu kommen.

Mit google auf Opfersuche

Zur Opfersuche wird heute nicht mehr nur das Telefonbuch auf Senioren mit altertümlichen Namen wie „Hildegard” oder „Adolph” abgesucht, zumal manche Vornamen seit dem Ende des Nationalsozialismus eher selten sind und auf eine Geburt vor 1945 hindeuten. Hilfreich sind vor allem Internetdienste wie „google”, mit denen virtuell die Adressen ausgespäht und ebenso Fluchtwege ausgekundschaftet werden können, ohne jemals vor Ort gewesen sein zu müssen. Aus der Anschrift erfahren die Täter, ob die Personen in sozial schwachen oder in besser situierten Gegenden wohnen. Mit dem Enkeltrick gelingt es außerdem immer wieder, ältere Menschen zum Abheben von größeren Barsummen oder Überweisungen auf ein ausländisches Konto zu bewegen. Viele Fälle bleiben unbekannt, da sich die Opfer schämen und in ihren eigenen Familien nicht als „altersschwach” oder „nicht mehr zurechenbar und geschäftstüchtig” klassifiziert werden wollen.

Seniorin hatte keinen Enkel

Auch bundesweit vergeht kein Tag, an dem die Medien nicht über den „Enkeltrick” berichten. So versuchten Ende April 2010 in Kelkheim und Hofheim (Hessen) Betrüger drei Rentnerinnen um insgesamt 105.000 Euro zu erleichtern, was teilweise gelang. Bei den Opfern handelte es sich um Frauen im Alter von 77, 80 und 88 Jahren. Es gibt aber ebenso Senioren, die sich nicht mehr reinlegen lassen. Im März 2010 bekam in Köln eine 69 Jahre alte Frau einen Anruf von einem Enkel, obwohl sie gar keinen hat. Zum Schein ging die Frau am Telefon auf die Bitte ein, diesem 20.000 Euro zu leihen und verständigte sofort die Polizei. Auf dem Weg zur Bank und anschließenden Geldübergabe wurde der „ahnungslose” 21-jährige und mehrmals vorbestrafte Betrüger von der Polizei festgenommen. Ein ebenfalls 69 Jahre alter Rentner mit „Schauspieltalent” aus Dreieich überführte vor einigen Wochen zudem zwei „Enkel”, indem er ihnen mit dem Taxi nach Koblenz in Zusammenarbeit mit der Polizei 18.000 Euro schickte. Den Betrügern wurde vom eingeweihten Taxifahrer ein Päckchen Altpapier übergeben, bevor die Handschellen zuschnappten.

Sofort die Polizei verständigen

„Der sogenannte Enkeltrick ist eine besonders hinterhältige Form des Betrugs, der für die Opfer oft existenzielle Folgen haben kann, die oftmals ihre Lebensersparnisse komplett verlieren”, sagt Kurzer, der sich freut, wenn informierte Senioren nach einem solchen Anruf sofort die Polizei verständigen. Er rät deshalb, immer misstrauisch zu sein, wenn sich Personen am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben. „Auf keinen Fall sollten Details zu familiären oder finanziellen Verhältnissen preisgegeben und Geld an unbekannte Personen übergeben werden. Das wichtigste aber ist, sofort die Polizei über die Notrufnummer 110 zu informieren, wenn eine Kontaktaufnahme verdächtig ist.”

Weitere Informationen:

Zum Thema „Enkeltrick” hat die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes die 12-seitige Informationsbroschüre „Der goldene Herbst” für Senioren erstellt. Diese kann im Internet unter https://www.polizei-beratung.de/rat_hilfe/opferinfo/enkeltrick/ als PDF-Dokument heruntergeladen werden. Dies können vor einem Trickdiebstahl ebenso die richtigen, mit dem Internet vertrauten Enkel tun.