Zu meinem Text über die „Rückfallwahrscheinlichkeit von Gewalt- und Sexualstraftätern” und der dazugehörigen Studie der Hochschule Heidelberg passt auch ein bisher nicht veröffentlichtes Porträt über den norwegischen Psychologie-Professor Dan Olweus, den ich vor vier Wochen auf einer Tagung der Polizeidirektion Heidelberg kennenlernte.
Ruhig steht Dan Olweus auf dem blauen Polizeiboot und betrachtet vom Neckar aus das Heidelberger Schloss und die untergehende Sonne. Der 79-jährige norwegische Professor für Psychologie sieht aus wie ein freundlicher Großvater und Tourist, auch wenn ihm bei seinem Heidelberg-Besuch Ende April 2010 permanent Polizisten in Zivil als Gästeführer begleiten. Er ist weltweit einer der führenden Experten zur Bekämpfung von gewalttätigem Mobbing an Schulen und mit seinem Team auch in den USA im Einsatz. Demnächst könnte er öfters nach Baden-Württemberg kommen.
Vermeidung von Gewalt und Amokläufen an Schulen
Denn nach dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen am 11. März 2009 mit 15 ermordeten Schülern, Lehrern und Unbeteiligten hatte der baden-württembergische Landtag einen Sonderausschuss eingesetzt. Dieser schlug im März 2010 unter anderem vor, ein landesweites Gewaltpräventionsprogramm nach dem Modell des norwegischen Psychologen einzurichten. Auf Nachfrage erklärte Dan Olweus bei einer Fachtagung zur Kriminalitätsprävention der Polizeidirektion Heidelberg am 29. April 2010, er sei „ab sofort bereit”, zur Vermeidung von Gewalt und Amokläufen an Schulen auch im Südwesten tätig zu werden. Nach dem Selbstmord von drei Jungen entwickelte er ab 1982 an der Universität Bergen das global am besten untersuchte Anti-Gewalt-Programm. „Wenn mich das Kultusministerium engagiert, würde mein Team zuerst eine Gruppe von Lehrern ausbilden, die dann weitere Pädagogen schulen, bis das Programm flächendeckend durchgeführt werden kann”, sagt Olweus.
Mobbing-Opfer verursacht Kosten von 1,5 Millionen Euro
Nach den 1994/1995 schon in Schleswig-Holstein mit 15000 Schülern erfolgreich erprobten Präventivmaßnahmen muss in allen Schulen auch in unteren Klassen eine Kultur des Vertrauens und Zuhörens geschaffen werden. „Jede Form von Mobbing, ob körperlich oder psychisch wir sofort unterbunden”, betont Wissenschaftler. Durch verschiedene gruppendynamische Maßnahmen und Einzelgespräche auf Schul- und Klassenebene sowie bei jedem Schüler selbst könnte die Gewalt an Schulen innerhalb von wenigen Monaten um knapp 50 Prozent gesenkt werden. Dies habe zur Folge, dass es weniger Opfer und Täter gebe. Ein einziges Mobbing-Opfer verursacht nach den Berechnungen Olweus’ in seinem Leben durchschnittliche Krankheits- und Behandlungskosten von 1,5 Millionen Euro. Mobbing- Opfer litten noch nach Jahrzehnten an Depressionen, niedrigem Selbstwertgefühl, Suchtproblematik und Suizidgedanken.
Jedes Kind muss sich wohl fühlen
Durch die Psychologie-Anwendungen könnte ebenso die Zahl von potenziellen jugendlichen Tätern reduziert werden, die später oftmals überdurchschnittlich zu schweren Straftaten und Drogenkonsum neigten. Nach Olweus nimmt zurzeit außerdem weltweit die Zahl von schwerem Gewalt- und Psycho-Mobbing, das „Bullying” genannt wird, zu. In den Industrieländern westlicher Prägung würden rund 15 Prozent der Bevölkerung während ihres Lebens Opfer von Mobbing an der Schule. „Dagegen müssen wir aktiv werden”, sagt der Psychologe weiter, „weil jedes Kind ein fundamentales Menschenrecht hat, sich in der Schule sicher zu fühlen”.
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