In Marbach am Neckar, dem Geburtsort von Friedrich Schiller, wo auch das Deutsche Literaturarchiv untergebracht ist, gibt es zurzeit einen großen historischen Streit um die 1933 an Adolf Hitler verliehene Ehrenbürgerschaft.

Die örtlichen Grünen setzen sich nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung (29. Mai 2010) seit langem dafür ein, die Ehrenbürgerschaft öffentlich abzuerkennen, da „demokratisch bestimmte Ehrenbürger” nicht in einem Atemzug mit dem „Massenmörder Adolf Hitler” genannt werden dürften.

Die Stadtverwaltung ist dagegen der Auffassung, dass eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlischt und hält es deshalb nicht für notwendig, das Thema in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung zu thematisieren. Die anderen Ratsfraktionen sehen dies ähnlich und sehen keinen Handlungsbedarf, da man einem Toten nichts aberkennen könne.

Für die Marbacher könnten die Stuttgarter unterdessen zu einem Vorbild werden. Denn die dortigen Stadträte sahen den Sachverhalt schon 1946 anders und versteckten sich nicht hinter juristischen Floskeln. In einem einstimmigen Beschluss wurde die Ehrenbürgerwürde Hitlers aberkannt. Während der NS-Herrschaft hatten rund 4000 Kommunen eine solche „Würde” an den Diktator verliehen.

Weiterlesen:
Hitler soll kein Ehrenbürger mehr sein (Stuttgarter Nachrichten vom 29. Mai 2010)
Adolf Hitler als Ehrenbürger (Wikipedia)
Ehrenbürgerschaft „Dunkler Punkt erledigt” (Hessischer Rundfunk vom 23. Januar 2009)

Kommentare (3)

  1. #1 Thierbach
    Mai 30, 2010

    Ich bin nun kein Jurist, aber mein Rechtsgefühl ist: solang es einen Starftatbestand wie Störung der Totenruhe gibt, ist es offensichtlich, dass auch Verstorbene über bestimmte Rechte verfügen. Eine Ehrenbürgerschaft scheint mir ein solches Recht zu sein. Also sollte so ein Recht nicht automatisch mit dem Tod des Betreffenden enden.
    Im übrigen halte ich es schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit für geboten, Adolf Hitler öffentlich und sozusagen protollmäßig die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen.

  2. #2 Anhaltiner
    Mai 31, 2010

    Ist Goethe, Schiller oder Einstein noch Ehrenbürger einer Stadt? und vorallem warum? tauchen sie noch in Ehrenbürgerlisten auf?

    Soweit mir bekannt ist beginnt die Rechtsfähigkeit mit der Geburt und endet mit dem Tod. Aber vielleicht lässt sich das mit einem tiefen Griff ins Stadtsäckel und einem Rechtsgutachten (vielleicht auch mit Anrufung von BGH und BVG) klären.

    Wenn eine Abererkennung nicht möglich ist dann sollte man es öffentlich erklären und sich distanzieren. (wer will kann den Grünen ja schon fast einen Strick draus drehen das sie das Erlöschen der Ehrenbürgerwürde in Zweifel ziehen – die sind doch nicht etwa rechts???)

  3. #3 Anhaltiner
    Mai 31, 2010

    laut Wikipedia :

    Für Kriegsverbrecher wurde der Verlust des Ehrenbürgerrechts gemäß Artikel VIII, Ziffer II, Buchstabe i der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland vom 12. Oktober 1946 festgelegt.