Wie angekündigt fand gestern rund um den Heidelberger Universitätsplatz die Notfall-Performance „Sammelplatz” der israelischen Schauspieler- und Tanzgruppe „Public Movement” mit zeitgeschichtlichen und surrealistischen Elementen sowie 16 Polizisten und weiteren 40 Feuerwehrmännern und Rettungskräften statt. Trotz Dauerregens kamen dazu knapp 300 Zuschauer und Schaulustige. In der Neuen Universität mit ihrem riesigen Hörsaalgebäude wurden unter Leitung von Dana Yahalomi und Omer Krieger verschiedene Notfallszenarien durchgespielt.
Neben stark an Israel erinnernden massiven Sicherheitsmaßnahmen gab es ebenso eine Hörsaalbesetzung mit zehnminütiger Lesung aus Hochschulgesetzen, gewaltsame Auseinandersetzungen nach einer Ausweiskontrolle und eine Geiselnahme.
Außerdem gab es im Foyer des Hörsaalbaus Meinungsspiele unter den im Gebäude zeitweise gefangenen Zuschauern zu aktuellen politischen Fragen und persönlichen Einstellungen.
Die Anwesenden mussten sich wie bei einem Kindergeburtstag nach rechts oder links in Gruppen stellen, um zu offenbaren, ob sie homo- oder heterosexuell seien, sich für Kapitalismus oder Sozialismus aussprächen sowie an Gott glaubten oder nicht.
Dadurch entwickelte sich eine spielerische vermeintlich belanglose Dynamik, die plötzlich überraschend in völliger Stille endete, weil sich zwei neugierig anschauende selbst zu Akteuren gewordene Zuschauergruppen gegenüberstanden, von denen eine offen bekannte, früher in der eigenen Familie „gläubige Nazis” gehabt zu haben, bevor man sich dafür entscheiden konnte, „Monogamie” oder „freie Liebe” zu präferieren. Im Spagat zwischen „Vergeben” und „Vergessen” hatten viele die Vergangenheit ganz dicht an sich herangelassen.
Es folgte der simulierte Ausbruch eines Feuers mit starker Rauchentwicklung. Nur eine Schießerei und ein Bombenanschlag fehlten. Dafür entschlossen sich einige Zuschauer zu einer spontanen Sitzblockade gegen herbeigeeilte Sicherheitskräfte, die sie nach dem Plan der Künstler „als gute Geister” hätten „retten” sollen.
Die abwechslungsreiche und zeitweise aufregende Auftragsarbeit in Zusammenarbeit mit dem Theater Heidelberg endete auf dem Heidelberger Universitätsplatz, als die israelischen Künstler neben einem von der Feuerwehr bedienten Flammenwerfer auch zu arabischer Popmusik tanzten. Die Zuschauer wurden dabei zum Mitmachen aufgefordert.
Damit sollte gezeigt werden, welche Choreografien sich ergeben, wenn Menschen im öffentlichen Raum gemeinsam handeln und wie Krisen das Gefühl von Solidarität in einer ansonsten stummen Gesellschaft auslösen können. Das Performancekollektiv „Public Movement” sorgt in Israel und Europa seit 2007 für Furore und verbindet auf außergewöhnliche Weise Zeitgeschichte mit Theater, indem kritisch auch immer wieder indirekt die Militarisierung der israelischen Gesellschaft aufbereitet wird.
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