Von Sophie Lorenz (Universität Heidelberg)


Mein Promotionsprojekt „’Freiheit für Angela Davis’: Die DDR und Angela Davis, 1965-1989″ widmet sich der Solidaritätsbewegung für Angela Davis in der DDR als Teil der „anderen” transatlantischen Beziehungen.

Angela Davis1.jpg

(via: https://www.youtube.com/watch?v=gZ52_6My27s)

Auslöser der Solidaritätskampagne war die Festnahme von Angela Davis wegen des Verdachts auf Mord, Menschenraub und Verschwörung am 13. Oktober 1970 in New York City. Umgehend wurde in den USA die „Free Angela”- Kampagne ins Leben gerufen, die sich zu einer weltweiten Massenbewegung entwickelte – so auch in der DDR. Im Verlauf der Angela Davis-Solidaritätskampagne sammelten die Bürger der DDR „Solidaritätsspenden”, unterschrieben Petitionen und nahmen an Briefaktionen teil. Arbeiter- und Studentengruppen sammelten Unterschriften auf Listen und Bannern, die sie als Zeichen der Unterstützung zu Davis ins Gefängnis schickten. Kinder malten Sonnenblumen für Davis und Schulen schickten Protestbriefe an den amerikanischen Präsident Richard Nixon und den Gouverneur von Kalifornien, Ronald Reagan.

Bundesarchiv_Bild_183-L0911-029,_Berlin,_Erich_Honecker_empfängt_Angela_Davis.jpg
Erich Honecker und Angela Davis 1972.
(via: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_183-L0911-029,_Berlin,_Erich_Honecker_empf%C3%A4ngt_Angela_Davis.jpg)

Im Jahr 1971 kam aus der Freien Deutschen Jugend (FDJ) schließlich der Vorschlag zu einer der weltweit umfassendsten Solidaritätsaktionen. Dem Solidaritätsaufruf mit dem Titel „Eine Million Rosen für Angela Davis” folgend, schickten tausende von DDR-Bürgern der inhaftierten Davis Postkarten mit roten Rosen. In der Zeit zwischen November 1970 bis Juni 1972 wurde die Solidaritätskampagne für Davis aufgrund ihrer umfangreichen Maßnahmen zu einem zentralen Bestandteil des Alltagslebens vieler Bürger und wirkte so scheinbar weit in die Gesellschaft der DDR hinein. Während der 1970er und 1980er Jahre besuchte sie als Ehrengast immer wieder die DDR, wodurch besondere Bindung zwischen Davis und der DDR entstand, die weit über den Rahmen der Solidaritätskampagne von 1971/72 hinausreichte.

Aufgrund der umfangreichen Solidaritätskampagne sowie der besonderen Beziehungen zwischen Angela Davis und der DDR ist anzunehmen, dass Davis ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu einem festen Bestandteil der kollektiven Erinnerung von ehemaligen DDR-Bürgern, speziell der Geburtsjahrgänge zwischen ca. 1940 bis 1960, geworden ist. Für eine genauere Untersuchung der Bedeutung von Angela Davis für die DDR und ihre Bürger stellen Erfahrungsberichte und Erinnerungen von Zeitzeugen eine unverzichtbare Quelle für dieses Projekt dar. Daher richtet sich dieser Aufruf an all jene, die an Solidaritätsaktionen und Kundgebungen für Angela Davis teilgenommen haben, sie bei einem ihrer Besuche in der DDR gesehen, an diesbezüglichen Organisationsarbeiten mitgewirkt haben oder möglicherweise sogar in persönlichem Kontakt zu ihr standen. Hinweise oder Erinnerungen an die Solidarität mit Angela Davis und ihrer besonderen Beziehung zur DDR sind ebenfalls von Interesse.

Erzählen Sie Ihre Geschichte und Erinnerungen: sophie.lorenz@zegk.uni-heidelberg.de


DDR Propaganda-Film (1972)

Kommentare (6)

  1. #1 Wb
    August 22, 2010

    Großartige Frau! – Wie hat man sich auch seinerzeit im Westen erregt als bspw. das hier geschah in Mexico City geschah?

    Ja, als der Webbaer noch DKP, später dann DKP, gewählt hat, das waren einfach andere Zeiten, Horst Mahler, Christian und auch der Croissant, das sollte man heute nicht verurteilen einfach so. Auch wenn viele Genossen schon abgebissen haben, nein, so einfach ist das nicht.

    Zum Glück haben wir in der DDR noch einiges konserviert, schönes Forschungsthema, viel Erfolg!

    MFG
    Wb

  2. #2 S.S.T.
    August 22, 2010

    Angela Davis ist mir durchaus ein Begriff. Zu der aktuellen Zeit war ich selbst im linken Spektrum aktiv. Allerdings wurden mir auch nicht nur durch reale Besuche im real existierenen Sozialismus die Widersprüche zwischen ‘DDR’ und ‘Freiheit’ recht deutlich die Nase in die Sch… gesteckt, auch wenn es eine ganze Weile dauerte, bis ich dort den Gestank wahrnahm.

    Angela Davis hatte für die DDR genau eines: Sie war ein Banner wider dem Westen. Eine reale Angela Davis jenseits der Oder ist völlig undenkbar gewesen, selbst zu Zeiten eines Michail Gorbatschow nicht. (Heutzutage wäre sie ein tragischer Fall für den KGB/FSB.)

  3. #3 rolak
    August 22, 2010

    Für ne mail reichts nicht, bin dafür eh auf der falschen Seite geboren – und die Kommentarvariante kam mir bei der früheren Variante gar nicht in den Sinn…
    An Olympia’68 erinnere ich mich wegen zweier Dinge; dem Kanuzweier (Festumzug 😉 und <unangenehm berührt sein> der Älteren bei just dieser 200m-Siegerehrung.

    Von Angela Davis habe ich aus den 70ern nur ein recht diffuses Bild als linke Frontkämpferin, bewundernswerter Mensch — bis auf diese penetrante UdSSR-Linientreue, aber die war zumindest bei einigen hiesigen K-Gruppen damals durchaus üblich.

  4. #4 EhemaligerOssi
    August 23, 2010

    Als ehemaliger Ossi erinnere ich mich schon an den damaligen Rummel um Frau Davis. Ich war damals Teenager und ging noch zur Schule. In der Schule mussten wir auch einen Brief an Frau Davis schreiben. Das war eine befohlene Schulaufgabe und wurde bewertet. Der ganze Solidaritätsquatsch war überhaupt eine von oben befohlene Sache. Dem einfachen DDR-Bürger war das alles eigentlich schnurz, wir hatten andere Probleme. Im Gegenteil, Frau Davis wurde als Teil des Macht-und Unterdrückungsapparates angesehen, und war eher nicht beliebt. Natürlich haben wir uns auch untereinander über Frau Davis unterhalten. Da gab es dann zwei Theorien. Eine Gruppe meinte, dass man die Frau irgendwo aus dem Busch geholt hat, ihr in der DDR einen Wartburg, eine schöne Wohnung und Westgeld gegeben hat, damit sie diese SED-Propagandakampagne mitmacht. Eine weitere Vermutung war, dass sie tatsächlich was auf dem Kerbholz hat und deswegen zu den Kommunisten gekommen ist. Wir könnten uns jedenfalls nicht vorstellen, dass jemand im freien Westen so bekloppt war und freiwillig Kommunist geworden ist. Was Selbstverwirklichung ist, wussten wir nicht (wir lebten ja in einer Diktatur und Mangelgesellschaft), auch kannten wir die Maslowsche Bedürfnispyramide noch nicht.
    Ansonsten wurde die Sache damals ziemlich groß aufgezogen. Ich erinnere mich, dass es in Leipzig auf dem Augustusplatz eine Großkundgebung gab. Da mussten wir hin (die Anwesenheit wurde von Lehrern und Brufsjugendlichen kontrolliert). Es kann sein, dass da auch Frau Davis aufgetreten ist, das weiß ich aber nicht mehr so genau. Uns hat die ganze Veranstaltung sowieso nicht interessiert. Wir haben eher versucht, mit den anwesenden Mädels anzubandeln (die Gelegenheit war günstig, die Veranstaltung war uninteressant den meisten Anwesenden war es langweilig) – deshalb erinnere mich noch an diese Veranstaltung.
    Der Mythos von der Solidarität in der DDR ist sicher auch entstanden, weil viel gelogen wurde. Ich war damals Mitglied der FDJ-Grundorganisationsleitung in unserer Schule (nicht weil ich überzeugter Systemanhänger war, man musste halt mitmachen, wenn man was werden wollte). Wir mussten immer einmal im Monat bei der Kreisleitung antreten und über die ideologische Situation berichten. An die Veranstaltung zur Zeit von Frau Davis kann ich mich nicht mehr erinnern, ich habe aber immer schön gesagt, was die da hören wollten, da waren dann alle glücklich und es wurde keinem geschadet (wir sollten eigentlich Lehrer und Schulleitung anscheißen, das haben wir aber nicht gemacht). Die Kreisleitung hat dann bestimmt Bericht an den Bezirk gegeben, der Bezirk hat dann den beiden Erichs berichtet – oder so. Ist ein Ding, wenn dieser Blödsinn heute geglaubt wird.

  5. #5 stefanolix
    August 25, 2010

    Zur Einordnung: ich bin Jahrgang 1967 und in Dresden aufgewachsen. ARD und ZDF konnten bei uns nicht empfangen werden. Den Deutschlandfunk haben wir täglich gehört, aber wir durften in der Schule nichts über die Sendungen sagen.

    Ich erinnere mich, welchen Informationsstand wir als DDR-Jugendliche zu Angela Davis hatten. Von offizieller Seite gab es keine freien Informationen. Im Englischunterricht der späten 70er und bis zur Mitte der 80er Jahre wurden ausgewählte Ausschnitte der kommunistischen Zeitung aus England verwendet. Die Lehrer bekamen selbst nicht die vollständigen Ausgaben und durften uns nur wenige Artikel vorlegen.

    Tenor der Artikel in der DDR-Presse und der wenigen Artikel aus dem »Morning Star«: Kommunisten in der kapitalistischen Welt wurde großes Unrecht angetan. Ich erinnere mich gut an den offiziellen Zwang zur Teilnahme an einigen Aktionen, dazu gehörten Kampagnen für Louis Corvalan (Chile) und Angela Davis (USA).

    Die Prinzipien der Demokratie kannten wir aus Übertragungen von Bundestagssitzungen und Berichten über Wahlen, aber sie wurden auch im DDR-Unterricht kurz abgehandelt. Aber über die Prinzipien und das Funktionieren eines Rechtsstaats wurden wir im Unklaren gelassen. Diese Kenntnisse hätte man aber benötigt, um den Prozess gegen Angela Davis einordnen zu können.

    Die Kommunisten waren die absolut Guten und die westlichen Staaten die absolut Bösen. Es herrschte permanenter Klassenkampf. SED und FDJ haben Fälle wie den von Angela Davis als Kampf der Gerechten gegen das Unrecht propagiert. Trotzdem war Zwang notwendig, damit möglichst alle Jugendlichen ihren Brief unterschrieben haben. Nachfragen waren unzulässig und man durfte niemals mit Informationen aus dem westlichen Rundfunk argumentieren.

    An die erzwungenen Bekenntnisse zu westlichen Kommunisten kann ich mich jedenfalls sehr gut erinnern. Ich weiß nicht, ob es auch freiwillige Solidarität mit Angela Davis gab. Es wäre rein menschlich nachvollziehbar, denn es gab ja auch im Westen sehr viel freiwillige Solidarität mit ihr.

    Aber die USA sind ein Rechtsstaat und im Rechtsstaat wird in einem Mordprozess nicht aufgrund von Protestaktionen entschieden. Angela Davis wurde am Ende mangels Beweisen freigesprochen. In der DDR wurde es so dargestellt, als ob dem Staat USA aufgrund der weltweiten Proteste nichts anderes übriggeblieben sei.

  6. #6 Saalebaer
    Oktober 20, 2010

    Im englischen Wikipedia-Artikel über Angela Davis steht geschrieben, dass sie einen Doktortitel in Philosophie von der Humboldt Universität in Ostberlin erhalten hätte.
    Es wäre sicherlich interessant, dem mal nachzugehen.