Marvin Brendel aktualisiert seinen Weblog „Geschichtspuls” ständig – und arbeitet auch sonst eher journalistisch als wissenschaftlich
Von Isabelle Daniel (Universität Heidelberg)
Den Charakter seines Weblogs „GeschichtsPuls” beschreibt der Storkower Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler Marvin Brendel im Untertitel: Demnach handelt es sich um ein „Blog-Magazin zur deutschen Geschichte”. So ist die Homepage auch gestaltet: übersichtlich, reich an Quellen- und Bildmaterial – und ein bisschen boulevardesk.
Deutsche Wirtschaftsgeschichte von 1800 bis heute
Dass Marvin Brendel eine Ausbildung als Wirtschaftsjournalist genossen hat, hätte man auch ohne die ausführlichen biographischen Angaben zum Betreiber der Homepage an deren Aufmachung erkannt. Die Auswahl seiner Themen knüpft Brendel streng an journalistische Prinzipien. Jahrestage oder Jubiläen, neue Erkenntnisse der Geschichtsforschung und historisch Relevantes in der Öffentlichkeit – etwa Ausstellungseröffnungen oder Fernsehsendungen – bilden die Aufhänger für Brendels Beiträge. Schwerpunktmäßig vertreten sind Beiträge zur DDR-Geschichte – aktuell zum Beispiel der 21. Jahrestag des Rücktritts von Erich Honecker als Staatsratsvorsitzender der DDR am 18. Oktober 1989 – mit einem wirtschaftshistorischen Fokus; das gesamte inhaltliche Spektrum reicht jedoch weiter, angefangen mit der Industrialisierung in Zusammenhang stehenden Ereignissen um 1800 bis zu zeithistorischen Fragen der Geschichts- und Wirtschaftsforschung.
Marketingagentur „Geschichtskombinat” als Träger
Entstanden ist Brendels Blog als Projekt des „Geschichtskombinats”, das sich als Agentur für Geschichtsmarketing und Historische Kommunikation versteht. Gründlich dargelegte Informationen im Impressum und umfassende Angaben zur eigenen Person sowie zum Träger des Weblogs bestätigen die Seriosität von Marvin Brendels Online-Magazin. Unkompliziert und schnell kann sich der Nutzer ein Bild vom „Geschichtskombinat” und von Brendel machen. Ein Abriss seines Dissertationsprojektes mit dem Arbeitstitel „Wirtschaftsgeschichte der DDR am Beispiel der Unternehmensgeschichte des VEB Industrie-/ Automobilwerke Ludwigsfelde, 1952-1989/94″, aus dem heraus laut Brendel die Idee eines Wissenschaftsblogs gewachsen ist, dient dem Leser als Erklärung für die thematische Schwerpunktsetzung des Blogs.
„Den Geschichtspuls fühlen”
Zum Motto seines wissenschaftlichen Anspruchs macht sich Brendel ein Zitat des ehemaligen ARD-Weltspiegel-Redakteurs Rudolf Rohlinger, der nach dem Attentat auf den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 sagte: „Wir müssen jetzt einen Moment den Geschichtspuls fühlen”. Mit jedem Beitrag beweist Brendel, dass er den Geschichtspuls tatsächlich regelmäßig misst. Im Zusammenhang mit seinem Dissertationsthema formuliert er auch innovative Thesen und befasst sich mit in der Geschichtswissenschaft bisher unbearbeiteten Themen. „Klassische” und bekannte Quellen lässt er deshalb keineswegs aus. Wer sie noch nicht kennt, kann sich zum entsprechenden Blog-Beitrag beispielsweise Erich Honeckers Rücktrittsrede anhören.
Professionell, originell, sensationell
Keine Frage: Brendels Blog macht Lust auf Geschichte. Der Nutzer findet sich auf der Internetseite sofort zurecht. Ein Artikel, der „Im Fokus” steht, verrät auf Augenhöhe des Nutzers, was Brendel selbst gerade für interessant und spannend hält, eine linke Spalte beschäftigt sich mit allgemeineren historischen Themen, die der Autor schon auf der Startseite mit passenden Bildern veranschaulicht, rechts daneben erscheinen, ähnlich einem Ticker, neue Beiträge. Journalistisch ausgeklügelt sind die Rubriken, in die Brendel seine Themen einordnet. Wahlweise kann der Nutzer chronologisch oder thematisch nach Beiträgen suchen, die ihn interessieren – insgesamt 18 Kategorien stellen sich ihm dabei zur Verfügung.
Die Rubriken lassen zwei Zielgruppen vermuten, an die sich Brendel richtet. Literaturtipps, Informationen zu aktuellen Veranstaltungen und Ausstellungen, „Archivwelten” und historisch eng gefasste Themen dürften vor allem Leser ansprechen, die selbst historisch bewandert sind. Lockerer in Aufbereitung und Anspruch gestalten sich Kategorien wie „Small-Talk-Wissen” oder „Video-Schnipsel”, die auch dem Gelegenheitshistoriker Material an die Hand geben.
Eigenrecherche gefragt
Brendels Hauptverdienst besteht darin, dass er historisch Interessierten zahlreiche Impulse für die tiefere Beschäftigung mit Geschichte gibt. Die Auswahl seiner Themen ist keinesfalls oberflächlich, im Gegenteil: er hält seine Leser im besten Sinne auf dem Laufenden. Oft bleibt es jedoch vor allem bei dem Hinweis, was für Geschichtsforscher gerade interessant ist, nicht warum. Die Beiträge sind oft so knapp gehalten, dass der Leser zwar in Kürze das Wichtigste erfährt, sich aber nicht schon auf Brendels Homepage umfassend informieren kann. Dazu liefert jener immerhin Quellenmaterialien und Literaturangaben, die er selbst zur Recherche herangezogen hat. Wem Brendels Bearbeitung historischer Themen nicht genügt, dem bleibt es also selbst überlassen, ob er eigenständig weiterforscht. Als erste Orientierung für alle, die sich über den aktuellen Stand in der Wirtschaftsgeschichtsforschung kundtun wollen, ist der „Geschichtspuls” durchaus nützlich.
Langeweile beim Lesen zu verhindern versucht Brendel darüber hinaus mit feuilletonistischen Stilmitteln. Seinen Texten mangelt es weder an Adjektiven noch an rhetorischen Wendungen und Bildern, die man eher aus populärwissenschaftlichen Publikationen gewohnt ist denn aus akademischen Aufsätzen. Wenn Brendel von Honeckers „Ziehvater Walter Ulbricht” oder dem „Kronprinz Egon Krenz” spricht, stellt er eine Sensibilität für eine tiefergehende Analyse solcher oft gehörten Begriffe vor deren unterhaltenden Wirkung zurück. Einem journalistischen Anspruch wird Brendel damit zweifelsohne gerecht, die wissenschaftliche Bearbeitung überlässt er aber dem Leser.
(Redaktion: Christian Jung)
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