Die Website „create public history” einiger Berliner Studenten verfolgt den neuartigen Ansatz der „öffentlichen Geschichte”
Von Kai Gräf (Universität Heidelberg)
Create public history! – Schon der Imperativ im Titel ist eine Aufforderung zum Mitmachen. Und zugleich das erste Rätsel: Was ist eigentlich „public history”? Zunächst einmal, verrät der Untertitel der Seite, lautet so die Bezeichnung für einen deutschlandweit einzigartigen Masterstudiengang an der Freien Universität Berlin,
dessen Studenten diese Website gestalten.
Neuartige Geschichtskonzeption
Was genau sich hinter dem Anglizismus verbirgt, erfährt man unter der entsprechenden
Rubrik. Die Antwort: Der Versuch, als Bindeglied die Auseinandersetzung der
Gesellschaft mit ihrer Geschichte zu fördern. Die „Public Historians”, wie sie sich nennen,
bezeichnen sich als „forschende Wissenschaftler, Vermittler und Dienstleister zugleich.” Sie verstehen Geschichtswissenschaft als öffentliches Ereignis, das, jenseits des
Elfenbeinturms, Menschen und Medien mit der Forschung verbindet.
Diese unkonventionelle Vorstellung von Geschichtswissenschaft kennt man in den USA
schon lange, erst in den letzten Jahren verbreitet sie sich zunehmend auch in
Deutschland. Die FU Berlin bietet als erste deutsche Universität einen entsprechenden
Masterstudiengang an. Die Website sehen die Studenten als eine Plattform, die ihre
„Ideen, Ziele, sowie das Fach und seine visionäre Gestaltung” präsentiert und zum
Meinungsaustausch und aktiver Teilnahme anregt. Wer sie sind und was sie wollen,
lassen die Autoren also schnell durchblicken, unter der Rubrik „Über uns” wird überdies
jeder einzelne Student vorgestellt.
Transparente und übersichtliche Gestaltung
Für die Seriösität der Seite steht somit nicht nur der Name der FU Berlin, sondern auch
die beispielhafte Transparenz. Ein einfacher Aufbau und die übersichtliche Gestaltung
machen Lust, im Archiv der Blogeinträge zu stöbern. Über die Werbeanzeigen kann man
getrost hinwegsehen. Leider verdankt create public history! seine Übersichtlichkeit nicht allein dem Design, sondern vor allem der Überschaubarkeit der Beiträge: Nach fast zwei Jahren zählt das Blog nur 23 Veröffentlichungen.
An wen richtet sich die Seite eigentlich?
Unklar bleibt auch, für wen die Seite eigentlich gedacht ist: Die Beiträge werden
bestimmt von Jobangeboten und Veranstaltungshinweisen, die sich lediglich an den
Kreis der Berliner Studenten und ihre unmittelbare Umgebung richten. Der Rest des
World Wide Web hat wenig davon, über die Bildungsstreik-Vollversammlung der FU
oder die diesjährige Weihnachtsfeier des Seminars informiert zu werden. Auch die –
durchaus interessanten – Hinweise auf Veranstaltungen zum Thema public history
finden die Grenzen ihrer Reichweite am Rande Berlins.
Kaum Aktualität, keine Diskussionen
Beiträge, die sich inhaltlich mit dem Ansatz der public history auseinandersetzen, finden sich kaum. Rubriken wie „Downloads” oder „Projekte” entpuppen sich als inhaltsleer, die Kategorie „Aktuelles” verdient den Namen nicht: Der letzte Beitrag liegt mehr als ein halbes Jahr zurück. Überhaupt wurden dieses Jahr erst drei Einträge veröffentlicht. Die Aufforderung zum Mitmachen scheint ins Leere zu laufen: Kein einziger Kommentar, keine kontroverse Diskussion zu den Artikeln ist zu finden. Misst man die „Public Historians”, die sich nach eigener Angabe als „Multiplikatoren zwischen den Welten” verstehen, an ihrem eigenen Anspruch, so fällt das Ergebnis enttäuschend aus: zu multiplizieren gibt es hier nichts.
Der Ansatz der public history mag innovativ sein, doch die Website verspricht zu viel. Gerade von einer Geschichtswissenschaft, die sich als öffentliche Geschichte begreift, hätte man hier mehr erwartet. In jedem Fall ist die Idee eines public-history-Blogs interessant – am begonnenen Projekt besteht jedoch noch einiger Verbesserungsbedarf. Ein Anglizismus allein macht noch keine gute Seite.
(Redaktion: Christian Jung)
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