von Alexander Tutt (Universität Heidelberg)

Neuer Lebensatem für Frankfurt?

Mannigfach sind die Funktionen eines Weblogs. Auf ihm wird in der Regel informiert, kommentiert und aktualisiert. Eines ist hierbei allen Blogs gemeinsam: sie sind unvollendet.

Dieser Grundcharakterzug macht es besonders historisch-orientierten Weblogs
schwer, eine notwendige Gültigkeit zu erlangen. „Frankfurt Story” ist so ein Weblog. Er steckt sich laut der verantwortlichen Autorin Monika Gemmer das Ziel, „die alte Reichsstadt am Main zum Leben zu erwecken”, was einem das Bild einer toten Stadt vor Augen treibt. Es wird versucht, dies mit Zitaten berühmter Söhne und Töchter der ehemaligen Reichsstadt umzusetzen. Diese scheinen hierbei aus der Vergangenheit zu „bloggen”. Abgerundet wird das Projekt durch audiovisuelle Beiträge aus Themenbereichen, wie Geschichte, Kultur, Politik und Personen.

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Klare Strukturen – keine Entwicklung

Die Titelseite („Home”) fasst die gesamte Webseite in drei Spalten recht gut zusammen. Exemplarisch werden hier die oberen Menüpunkte („Frankfurt-Lexikon”, „Frankfurter”, „Zeitleiste”, „Karte”, „Audio-Slideshows”, „Schlagwort-Verzeichnis” und „Archiv”) mit zufällig ausgewählten Artikeln versinnbildlicht. Besonders hervorgehoben wird außerdem das Fenster „Im Fokus”, welches zeitgeschichtliche Themen mit längeren Artikeln würdigt. Der Aufbau der Seite gestaltet sich auf den ersten Blick als übersichtlich und benutzerfreundlich.

Beim zweiten Blick denkt man enttäuscht jedoch wieder beim ersten zu sein. Die Frankfurt Story dreht sich im Kreise. Artikel aus dem „Frankfurt-Lexikon” finden sich unter der Rubrik „Frankfurter” wieder. „Karte” und „Zeitleiste” verweisen ebenfalls auf jene Artikel und wirken zudem, als wären sie „in letzter Sekunde” mit Inhalt gefüllt worden. Die tagcloud unter dem Menüpunkt „Schlagwort-Verzeichnis” dürfte besonders unerfahrene Internet-User verwirren. Am Ende dieses Labyrinths, an welchem man etwas Neues erwartet, stößt man auf die „Audio-Slideshows”. Jene sind ansprechend gestaltet und erzählen kurzweilig in zwei Teilen die Stadtgeschichte Frankfurts von der ersten Erwähnung im 8. Jahrhundert bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Hier ist man durchaus versucht, Frau Gemmer für ihre Recherchen zu loben.

Artikelrecycling

Monika Gemmer, Online-Redakteurin der Frankfurter Rundschau (FR), firmiert als verantwortlich für dieses Blog. Unverkennbar ist jedoch, dass die FR mit ihrer Online-Redaktion das Blog maßgeblich beeinflusst. Dies tritt besonders dadurch zutage, dass zahlreiche Verlinkungen direkt zum Online-Angebot der Tageszeitung führen. Darüber hinaus stammen bis dato 85 Blog-Einträge aus der FR; 36 weiter stammen aus der Feder von Angestellten der FR. Monika Gemmer trägt insgesamt 23 Artikel bei. Bemerkenswert ist dabei, dass sie bereits verstorbenen „Bloggern” ebenfalls eine Stimme gibt. Nach längerer Recherche im Internet fällt auf: ein Großteil der Artikel ist bereits vorher veröffentlicht worden. Dieser Umstand verleitet zu der Annahme, dass hier ein regelrechtes Artikelrecycling stattgefunden hat. Die Autoren fröhnen einer „Copy-paste-Mentalität”, was dem Blog viel an innovativem Charakter einbüßen lässt.

Problematik bei der Zielsetzung

Bei kritischer Auseinandersetzung mit dem Blog stellt sich schnell die Frage nach dessen Mehrwert. Dient es der Information historisch Interessierter oder fungiert es lediglich als Supplement für das Onlineangebot der FR? In jedem Fall ist die Darstellung, die ebenso gut und übersichtlich in einer Broschüre hätte erfolgen können, sehr fragwürdig und wird dem Medium Internet nicht gerecht. Hier wurden, gerade was die interaktiven Möglichkeiten des Internets angeht, Chancen vertan.

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Für die Erschließung der Frankfurter Stadtgeschichte hätte es dieses Blogs nicht bedurft. Schade eigentlich, dass die verantwortliche Autorin des Blogs, die sogar mit einer Auszeichnung des renommierten Grimme-Instituts dekoriert wurde, nicht mehr auf die Beine stellen konnte (oder durfte?). Hinzu kommt, dass sie auf das üppig ausgestattete Knowhow der Frankfurter Rundschau offenbar Zugriff hat. Es reicht eben nicht, nur auf ein Trittbrett aufzuspringen. Zumal, wenn die Autorin oder der dahinter stehende Verlag die Möglichkeiten dieser neuen Informationsschiene nicht im Ansatz erkannt hat: Hierzu gehören Aktualität, Dialogfähigkeit mit Usern und die Auseinandersetzung mit aktuellen stadtpolitischen Themen. Monika Gemmer kann man hier kaum einen Vorwurf machen. Wohl aber den Machern im Hintergrund, die sich nur halbherzig in die neue Blogger-Welt zu wagen scheinen.

Link “Frankfurt-Story”


(Redaktion: Christian Jung)

Kommentare (2)

  1. #1 Thilo
    November 4, 2010

    Link zum Blog?

  2. #2 Christian Jung
    November 4, 2010

    @Thilo: Habe jetzt zwei Extra-Links gesetzt. URL-Adresse war bisher nur in Überschrift. Danke für den Hinweis.