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von Tabea Stegmiller (Universität Heidelberg)
1989: Wendepunkte
Das Ende der Sowjetunion ab 1989 und der Zerfall der kommunistischen Herrschaft im “Warschauer Pakt” markierte einen Wendepunkt sowohl in der Welt – als auch in der Lebensgeschichte von Millionen einzelner Menschen. Die ehemaligen Ostblockstaaten mussten ihren eigenen Weg finden. So blieb nicht viel Zeit für Reflexion über die radikalen Veränderungen dieses einen Jahres noch für einen Blick über die Grenzen hinaus zu den Nachbarn. Im arte-Blog „Mein 1989″ findet dieser Gedankenaustausch nun statt. Intellektuelle aus verschiedenen Ländern Osteuropas und aus Deutschland fragen sich: Wie war das eigentlich bei dir? Was ist in deinem Land passiert?
Intellektuelle erinnern sich
Die Autoren des Blogs sind Adam Krzemiński (Polen), Alexandru Solomon (Rumänien), György Dalos (Ungarn), Jan Sicha (Tschechien), Leonid Luks (geboren in Russland), Ojars Kalnins (Lettland), Tzveta Sofronieva (Bulgarien) und Ingo Schulze (Deutschland). Sie sind Schriftsteller, Regisseure, Journalisten, Hochschullehrer und Politiker. Jeder einzelne erinnert sich an einschneidende politische und gesellschaftliche Ereignisse 1989 in Verbindung mit ganz individuellen Erlebnissen und gibt dann den Stab in Form einer Frage an einen anderen Autor weiter.
20 Jahre nachher
Das Blog wird nicht, wie sonst üblich, in regelmäßigen Abständen mit neuen Einträgen versehen. Die Beiträge sind alle im Zeitraum zwischen September und Dezember 2009 entstanden. Es ist schade, dass keine Kontinuität besteht, macht aber Sinn, da das Blog Ereignissen und Erinnerungen gewidmet sind, die sich im Herbst 2009 zum zwanzigsten Mal jähren.
Spielerei statt Funktionalität
Eine stilisierte Landkarte Europas, auf der man sich per Cursor navigieren kann, begrüßt den Besucher von „Mein 1989″. Klickt man auf eines der grau markierten Länder, sieht man von dort einen animierten Briefumschlag vom Ausgangspunkt in ein anderes Land wandern. Ästhetisch ist das schön anzuschauen. Die Erwartung, damit zu Beiträgen aus dem ausgewählten Land weitergeleitet zu werden, wird aber enttäuscht. In der Seitenleiste werden farbenfrohe, wenn auch nicht sonderlich hilfreiche Tags wie „Geplündert!” oder „Hass eines ganzen Volkes” aufgeführt, die allerdings nicht funktionieren.
Zu den Beiträgen gelangt man simpel und direkt über einen Sammeleintrag auf der Startseite oder einer Übersicht in der Seitenleiste. Das reicht aus, um sich zurechtzufinden, wirft aber doch die Frage auf, warum sich zusätzlich noch um animierte Landkarten und Tags bemüht wird, die bei der Navigation nicht weiterhelfen, sondern nur eine scheinbare Komplexität der Möglichkeiten vortäuschen.
Zeitzeugen erinnern sich
Diese Mischung aus Weltgeschichte und persönlichem Erleben charakterisiert das Blog. György Dalos berichtet etwa in „Katz und Mausspiel in Ungarn”, wie er sich in einem Brief an den ungarischen Innenminister über einen Grenzbeamten beschwerte, der ihm regelmäßig die Ausreise aus Ungarn erschwerte. Bald darauf endeten die strengen Kontrollen. In derselben Zeit öffnete Ungarn seine Grenzen für DDR-Bürger und bald darauf die Grenze zu Österreich. „Mein 1989″ ist nicht so sehr der streng wissenschaftlichen Aufarbeitung von Geschichte gewidmet, sondern mehr der Frage, wie diese Geschichte erlebt und 20 Jahre später erinnert wird. Das Blog ist ein abgeschlossenes und kein fortlaufendes Projekt. Dies zeigt auch die Art und Weise, wie die Beiträge aufeinander folgen. Jeder Autor stellt eine Frage, die dann wie die Briefe in der Landkarte weiterwandern und im darauffolgenden Eintrag beantwortet werden.
Fazit: Lesen!
„Mein 1989″ ist ein durch und durch empfehlenswertes Blog. Die technischen Mängel sind angesichts von Idee und Inhalt verzeihlich. Auch wenn Geschichte nicht streng wissenschaftlich behandelt wird, sind die Beiträge informativ und lesenswert. Gerade ihr persönlicher Charakter illustriert anschaulich, welche Veränderungen 1989 in das Leben unzähliger Menschen brachte. Fraglich ist nur, ob ein solches Projekt abgeschlossen sein kann oder sollte, oder nicht vielmehr auch 21, 22 und 23 Jahre Gedanken ausgetauscht und Fragen gestellt werden sollten.
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