Das Thema könnte nicht aktueller sein. In den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen wird ab Sonntag eine Fotoausstellung des russischen Fotografen Andrej Krementschouk gezeigt. In dieser dokumentiert der Fotograf in über 110 Bildern das Leben in der seit 1986 atomar verstrahlten Umgebung des ukrainischen Unglücksreaktors von Tschernobyl, die in den vergangenen drei Jahren entstanden. Gestern hatte ich Gelegenheit, mir die Ausstellung des 37-jährigen in Leipzig lebenden Künstlers vorab anzusehen.
Ausgestellt sind bis zum 31. Juli 2011 vor allem Porträts, Landschafts- und Architekturaufnahmen rund um die 30-Kilometer Sperrzone mit einem Schwerpunkt auf der heute geplünderten und verlassenen Stadt Prypjat, die einst 50000 Einwohner hatte. Trotz des Verbots haben sich in der 30-Kilometer-Sperrzone wieder mehrere hunderte vor allem alte Menschen niedergelassen. Die Zone liegt neben der Ukraine auch in Weißrussland, ist dort aber nicht eingezäunt. Die Menschen nehmen die erhöhte Strahlung ihrer Umgebung in Kauf, da sie ihre Heimat nicht verlassen wollen. Außerhalb der Zone leben die teilweise sehr armen Menschen, darunter auch viele Kinder, in ärmlichen Verhältnissen. Auch hier ist ihre Umwelt massiv vergiftet.
Die geisterhaft anmutenden Bilder lassen den Betrachter auch wegen der vielen Details wie den zurückgelassenen, auf dem Boden liegenden Bänden einer Bücherei oder einem Turnpferd in einer Fitnesshalle erschauern. Nach dem Reaktorunfall 1986 waren 116000 Menschen evakuiert und 240000 umgesiedelt worden. Neben dem Atomreaktor, den mittlerweile auch Katastrophentouristen besuchen (Tagestouren ab Kiew für etwa 100 Euro / Buchung über das Internet) ist der Fotograf vor einigen Wochen dem Ehepaar Sauko und Olena begegnet. Nach dem AKW-Unfall haben die Mitte-Siebzigjährigen ihre bescheidene Hütte nur für zwei Tage verlassen. Den Besuch der Ausstellung kann ich nur empfehlen, zumal man hier auf fast schon gespenstische Weise erfahren kann, was den Japanern vielleicht noch bevorsteht. (Fotos: © Andrej Krementschouk; Porträt Andrej Krementschouk © CJ)
ZEPHYR – Raum für Fotografie
der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
C4, 8 – 68159 Mannheim
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