Haare sind Kult. Egal ob von Natur aus gelockt oder glatt, ob aufwendig toupiert oder zum kunstvollen Zopf geflochten. Um Haare und ihre Bedeutung ranken sich uralte Legenden und Mythen. Und die Wahl der richtigen Frisur – der aktuellen Mode und dem einzelnen Typ entsprechend – beschäftigte schon die Bürger der Antike. So war das Färben der Haare schon im alten Rom ungemein populär. Übrigens bei Frauen und Männern! Wenn das mal Alt-Kanzler Gerhard Schröder geahnt hätte – dann hätte er im Wahlkampf 2002 die Debatte um die Echtheit seiner Haarfarbe auch entspannter sehen können. Denn schließlich stand er ja in allerbester und ehrenwerter Tradition.

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Das was man auf dem Kopf trägt, ist alles andere als eine Nebensache. Das zeigen schon die unendlich vielen Erzählungen, in denen Haare und Frisuren eine mehr oder minder große Bedeutung haben. Man denke nur an die Loreley, die mit ihrem goldenen Haar den Rheinschiffern die Hälse verdreht hat. Oder eben an den biblischen Samson, dessen Haarschopf der Quell seiner unbändigen Kraft war.

Früher Kult um die Haare: Erotik und Lebenskraft

Da wundert es nicht, dass in der Antike die Haarpflege und Frisurenkunst enorm wichtig waren. Wobei auch hier klar betont werden muss: es war in der Antike jeweils nur der privilegierten Oberschicht vorbehalten, sich exzessiv mit der Pflege der Haare, Frisurformen und Färbungen zu beschäftigen. Haare waren damals (vielleicht noch stärker als heute) ein Statussymbol.

Und mit den richtig gepflegten und drapierten Haaren ließen sich bestimmte körperliche Vorzüge natürlich hervorragend unterstreichen. In seiner Ars amatoria lobte Ovid das Haar der Frau als ihren schönsten Schmuck. In einem eigenen Kapitel weist er sogar darauf hin, dass die richtige Frisur auf den individuellen Typ abgestimmt werden müsse. Und er schreibt:

“Von raffinierten Frisuren werden wir (die Männer) betört; kein Haar sei kunstlos gelegt”.

Und auch für den römischen Schriftsteller Lucius Apuleius war klar, wie wichtig die Frisur ist, wie man in folgender Passage in dessen Metamorphosen nachlesen kann: “Überhaupt ist die Frisur von größter Wichtigkeit. So mag eine Frau noch so sehr mit Gold, Kleidern und allem erdenklichen herausgeputzt daherkommen – wenn sie ihre Haare vernachlässigt, bekommt sie doch ein “schmucke Person!” nicht zu hören” (Apuleius, Metamorphosen).

Für die vornehmen Frauen Roms war es undenkbar das Haus unfrisiert zu verlassen.

Dieser erstaunlich große Stellenwert galt (wie oben schon kurz erwähnt) für privilegierte Bürger Roms. Das einfache Volk hielt sich an pflegeleichte Kurzhaarfrisuren oder flocht einen unkomplizierten Zopf. Für römische Frauen der vornehmeren Schichten allerdings, war es undenkbar, das Haus unfrisiert zu verlassen. Es ist überliefert, dass viele Hausherrinnen eine (manchmal mehrere) spezielle Sklavinnen (sog. ornatices) beschäftigten, die nur für die Erstellung der richtigen Frisur zuständig waren.

Wie die Frisuren damals aussahen, weiß man einerseits durch Statuen und andererseits durch antike Münzen, auf denen Männer- und Frauenköpfe abgebildet sind. Einer der Klassiker der römischen Antike war die sog. “Octavia Frisur” (benannt nach Augustus’ Schwester). Hier wurden die Haare in der Mitte gescheitelt, seitlich nach hinten geführt und im Nacken zu einem Knoten geformt. Wobei eine mittlere Haarpartie wieder ganz nach vorne geführt wurde und über der Stirn eine Tolle bildete. (vgl. Darstellung auf der Münze)

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Die Kaiserin als Trendsetter: Die Römerin geht mit der Mode
Am Beispiel dieser doch etwas speziellen Octavia-Frisur sieht man, dass es immer auch Moden waren, die den Frisurenstil prägten. In Rom war der kaiserliche Hof frisurentechnisch stilbildend. Die Römerinnen eiferten den aktuellen Trends nach, den eben häufig die jeweilige Kaiserin prägte.

Zu Zeiten der römischen Republik In der frühen Kaiserzeit (ab ca. 500 v. Chr.) entwickelte sich in Rom eine eigenständige Frisurentradition in der Oberschicht, deren aufwendige Gestaltung mit sorgfältig gelegten Strähnen und Locken, Haarnestern und Zöpfen neue Impulse setzte. In ziemlich kurzen Intervallen wechselten die Stile und Moden. Und so kommt es, dass bestimmte archäologische Fundstücke (Abbildungen, Münzen etc.) heute anhand der jeweiligen Frauenfrisur datiert werden bzw. zumindest ein wichtiger Anhaltspunkt für die Altersbestimmung sind.

i-5b475ce61dc5bc30ee2fb9a86c2bbd96-Tituskopf.jpgSehr typisch ist bspw. der sog. Tituskopf (siehe die Zeichnung rechts). Iulia Flavia, einzige Tochter von Kaiser Titus, war hier Vorbild. Die hochtoupierte Damenfrisur aus unendlich vielen Löckchen war in flavischer Zeit (69 – 96n. Chr.) ein angesagter Frisurentrend.

Der Aufwand für die richtige Frisur war – wie man unschwer erahnen kann – teilweise erheblich. Da gab es kunstvolle Haarnadeln, die aus Gold, Silber, Bronze oder Elfenbein gestaltet waren. Und wer nicht von Geburt an mit tollen Locken gesegnet war, dem konnte (wenn es die aktuelle Mode verlangte) ein antiker Lockenstab helfen. Beim sog. Calamistrum handelte es sich um ein hohles Metallrohr, das in Asche erhitzt wurde und so seine lockenbildende Wirkung erzielte.

Wer auf diese Weise seine Haare ruiniert hatte oder aus sonstigen Gründen der aktuellen Mode mit eigenem Haar nicht entsprechen konnte, der nutzte andere Tricks. Perücken beispielsweise waren zeitweise gang und gäbe.

Am liebsten blond

Und Perücken waren natürlich auch eine probate Variante, um bestimmten Farbentrends gerecht zu werden. In der späteren Republik und frühen Kaiserzeit wurde immer mehr blondes Haar zum Schönheitsideal (blond galt ja schon lange als “göttliche” Haarfarbe), nun aber sorgte zusätzlich der Kontakt zu germanischen Völkern dafür, dass eine blonde Mähne populär wurde. Echthaarperücken (die Haare stammten dabei von den naturblonden Germaninnen) waren hier überaus gefragt.

Antike Haarmode: Wenn bleichen und färben nicht mehr reichte, dann musste die Perücke her.

Für Haarfarben aber, die nicht durch natürliche Perücken zu erreichen waren, oder in Fällen, in denen eine Perücke nicht in Frage kam, wurde das Haar gefärbt. Für Rot stand auch damals schon der Färbeklassiker Henna zur Verfügung, etwas gewöhnungsbedürftiger war da schon die Rezeptur für das Färbemittel für schwarzes Haar. Das bestand wie man lesen kann vornehmlich aus verwesten Blutegeln, die sechzig Tage in einem verschlossenen Gefäß mit Wein und Essig eingelegt waren.

Naja, das ist sicherlich Geschmackssache. Dann doch lieber blond? Wer dem begehrten blonden Haar der Göttinnen nahekommen, der konnte sein Haar auch damals schon bleichen. Die Bleichmittel für die Haare wurde aus Ziegenfett und (alkalischer) Birkenasche hergestellt.

Wer freilich glaubt, all die beschriebenen Utensilien, um die Haare in die richtige Form zu bringen oder ihnen farblich den angesagten Look zu verpassen, seien nur ein Thema für die antike Frauenwelt gewesen, der irrt gewaltig. Denn auch bei Männern war es durchaus nicht unüblich, sich die Haare zu färben. Hierzu findet sich eine schöne Stelle bei Martial (der verfasste ca. 40 n. Chr. ausschließlich Epigramme). Martial spottet über einen (offenbar ergrauten) Herrn, der sich vom Schwan wieder in einen Raben verwandelte:

Mentiris iuvenem tinctis, Laetine, capillis,
tam subito corvus, qui modo cycnus eras.
Non omnes fallis; scit te Proserpina canum:
Personam capiti detrahet illa tuo.
(Martial,III,43)

Für alle diejenigen, deren Latinum schon einige Zeit zurückliegt, hier eine Übersetzung:

Mit deinen gefärbten Haaren, Laetinus, täuscht du einen Jüngling vor,
bist so plötzlich zum Raben geworden, wo du eben noch ein Schwan warst.
Nicht alle führst du hinters Licht: Proserpina weiß, dass du grau bist:
Sie wird dir die Maske vom Kopf ziehen.

Das erinnert einen doch sehr, sehr stark an einen wichtigen Politiker, der rund 2000 Jahre später sein Amt ausübte. 😉

Eigentlich verwunderlich, dass Gerhard Schröder die Zweifel an der Echtheit seiner Haarfarbe so energisch dementierte. Wäre es nicht unendlich viel souveräner gewesen, wenn der Brioni- und Basta-Kanzler lächelnd das Martial-Epigramm zitiert und darauf verwiesen hätte, dass er selbstverständlich seine angegrauten Schläfen färbe?

Eitelkeit hin oder her. Es kann doch so falsch nicht sein, wenn man eine kulturelle Praxis fortführt, die bereits in der Antike gepflegt wurde, oder?

Links/Quellen:

  • M. Mannsperger, Frisurenkunst und Kunstfrisur. Die Haarmode der römischen Kaiserinnen von Livia bis Sabina (Bonn 1998)
  • Die beiden abgebildeten Frisurenzeichnungen stammen aus: Hans W. Kern: Die Technik der Haararbeiten und ihre Verwendung.

Kommentare (4)

  1. #1 Patti
    August 24, 2010

    Die Frisuren sind für unsere Augen im Zeitalter des immer wieder auf Laufstegen gepriesenen “sleek styles” zwar etwas gewöhnungsbedürftig aber sie sind sehr hilfreich für die Datierung des römischen Porträts!

  2. #2 David
    August 25, 2010

    Interessanter Artikel,

    nur ein kleiner Tippfehler:

    Die frühe römische Kaiserzeit fing 27 v. Chr mit der Einrichtung des Prinzipats an, nicht 500 v. Chr. Um 500 v.Chr soll der letzte etruskische König vertrieben worden und die römische Republik gegründet worden sein.

  3. #3 Marc Scheloske
    September 6, 2010

    @David:

    Vielen Dank für den Hinweis. Du hast natürlich Recht. Der Beginn der Kaiserzeit lässt sich ja ziemlich genau datieren. Auf den 13. Januar 27 v. Chr. Ich habe beim Schreiben die Republik gemeint und Kaiserzeit geschrieben. Ich habe es oben korrigiert.

  4. #4 Marie
    Oktober 31, 2011

    Sehr sehr gut geschrieben, vielen Dank!! 🙂