Gefühlt gibt es immer mehr Krisenherde in der Welt und gefühlt verdient Deutschland kräftig mit.  Am 05. April 2016 hat das SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) aktuelle Zahlen zu Rüstungsexporten herausgebracht. Das ist eine gute Gelegenheit, um einen Blick auf die internationalen Rüstungsexporte zu werfen.
Deutschland hat seine Exporte in den letzten Jahren reduziert, aber wie ist der Trend anderer Länder? Wer sind aktuell die Großen? Und ist Rüstungsexport gleich Rüstungsexport?

 

Was dieser Artikel nicht diskutiert

In diesem Artikel stelle ich Statistiken und Zahlen vor, aber ich kann ein so komplexes Thema innerhalb eines Blogs natürlich nicht abdecken. Selbst Teilbereiche sind unglaublich umfangreich und verstrickt, sodass ich lediglich einen Einstieg in das Thema vermitteln und gute erste Quellen nennen kann.
Wenn man sich nun also das Thema “Handel mit Rüstungsgütern” her nimmt, ergeben sich schnell drei große Bereiche:

  • Binnenmarkt – Rüstungsgüter, die im Inland und für das Inland produziert werden (das wären neben Kampfmitteln für Polizei oder Armee genauso auch Motoren oder Ersatzteile für Militärfahrzeuge). Wird nicht betrachtet.
  • Import von Rüstungsgütern – welches Land kauft wie viele Rüstungsgüter von wem ein, wer ist von wem abhängig? Wird nicht betrachtet.
  • Export von Rüstungsgütern- Welches Land verdient am meisten von seinen Rüstungsgüstern, wie viel machen diese vom BIP aus. <- Das ist das Thema heute!

Es geht heute um die Frage: wer sind die großen Exporteure.
Im Falle von Deutschland werfen wir dann auch nochmal einen Blick darauf, was überhaupt exportiert wird.
Los geht’s.

 

SIPRI

Das “Stockholm International Peace Research Institute” oder kurz SIPRI ist das einflussreichste Friedensforschungsinstitut und kümmert sich so gut es geht um die Erfassung der ‘Globalen Sicherheit’. Dabei schätzen sie auch ab, welche Länder wie viele Rüstungsgüter verkaufen und kaufen (solche Auswertungen werden nie 100% genau sein können, da die meisten Länder kaum eine exakte Auskunft über ihr Militär machen werden). Die ermittelten Ergebnisse und Datenbanken sind dennoch sehr umfangreich, sodass man sich hier auch z.B. über die aktuellen Verhältnisse in Afghanistan informieren oder sich Einschätzungen über politische Situation in bestimmten Krisenregionen einholen kann.
Der Blick in die Rüstungsexport-Umsätze gewertet nach dem BIP war für mich recht überraschend, da sie der lang läufigen Meinung nicht unbedingt entspricht. Um an die Daten heranzukommen, gibt es neben den Listen auch eine nette Eingabemaske, aber ich fange am besten mit den eher bekannten Übersichten  an.

weiterführende Quellen:
– Stockholm International Peace Research Institute: SIPRI
– Übersichtsliste zum internationalen Handel: Trade Register
– Eingabemaske: Cross Database Search

 

Top 5 Rüstungsexporteure

Der Wert des Rüstungsmarkts wird auf eine Größe von 76 Milliarden USD jährlich kalkuliert (Stand 2013).
Gemessen am Marktanteil sind die Top 5 Länder, die in absoluten Zahlen die meisten Rüstungsgüter exportieren:

  1. USA
  2. Russia
  3. China
  4. France
  5. Germany

Top 10 arms exporters_2011-15

Sehr spannend ist dabei der Rückblick auf 2014. Da sah die Welt noch etwas anders aus.
Hier die alten Top 5:

  1. USA
  2. Russia
  3. Germany
  4. France
  5. China

Diese Reihenfolge wird auch gerne in den Medien zitiert und ist somit wenig überraschend. Diese Liste war über die Jahre auch stabil, nur dass China nun mittlerweile ganz vorne mitspielt. Und da es sich bei dem Diagramm um einen Durchschnittswert über vier Jahre handelt, ist der aktuelle Abstand zu Frankreich wesentlich signifikanter.
Auf dem Bild ist der Gesamtumsatz der Länder – oder auch ihr “Marktanteil” – dargestellt. Auffällig ist, dass Deutschland in den letzten 10 Jahren seinen Marktanteil halbiert hat.
Das bedeutet, dass Firmen in Deutschland, halb so viele Rüstungsgüter aus Deutschland heraus exportiert haben. Das bedeutet aber nicht, dass diese Firmen unbedingt halb so viel verdienen oder herstellen, sondern erst einmal nur, dass ihre deutschen Produktionsstätten die Hälfte ausführen. Es ist durchaus bekannt, dass Firmen Teile ihrer Produktionsstätten ins Ausland verlagern bzw. die Endmontage an ausländische Distributoren lizenzieren. Insgesamt möchte ich damit sagen, dass solche Statistiken nie die ganze Wahrheit abbilden können, sondern erst einmal nur Trends und Gesamtheiten aufzeigen.

Interessant wird es aber erst, wenn man sich anschaut, was eigentlich exportiert wird und wie hoch der Anteil am BIP dabei ist – sprich, wie wichtig ist der Anteil der exportierenden Rüstungsbranche an der Gesamtwirtschaft des jeweiligen Landes.

weiterführende Quellen:
– Top 5 exportierende Länder
– Veränderungen im In- und Export: Trends in International Arms Transfer, 2015 [PDF]
– SIPRI 2013: China replaces UK as world’s fifth largest arms exporter, says SIPRI
– Wert der exportierten Güter pro Land und Jahr inkl. Lizenzen. Excel-Tabelle weiter auf der verlinkten Seite.

 

 

Was liefert Deutschland eigentlich?

SIPRI stellt viel Material bereit, sodass jeder mit ein paar kurzen Klicks viele Infos finden kann. In dieser Liste hier, in der mittlerweile auch Lizenzträger erfasst werden, findet man Infos zu allen Ländern, zu denen das Institut Information hat. Hier kann man Deutschland auswählen und sieht, dass aus Deutschland wesentlich mehr Dieselmotoren geliefert werden als z.B. Torpedos oder Raketen.
Ohne hier auf eine ethische Bewertung einzugehen, in dieser Liste werden halt alle Güter gelistet, die militärisch genutzt werden.
Bis vor einigen Jahren gehörten Magnet- und Winkelsensoren auch auf diese Liste. Heute sind sie praktisch in jedem Smartphone verbaut, aber im Prinzip könnte man sie verwenden, um automatisierte Waffensysteme (z.B. Minen) zu bauen, die auf Erschütterungen oder vorbeifahrende Metallkonstruktionen reagieren, weswegen sie lange Zeit “auf der Liste” standen.
Rüstungsgut ist also nicht gleich Rüstungsgut.

weiterführende Quellen:
– Wer keine Lust hat, jedes Land anzuklicken, findet hier auch eine PDF-Datei, mit einer Übersicht der großen Länder zwischen 2008 und 2012.
– Es gibt auch einige (wenige) Länder, die ihre Rüstungsgeschäfte offen legen; diese Übersicht findet ihr hier.
– Die deutschen Berichte (auf deutsch) werden jährlich hier abgelegt. Der 2014er Bericht umfasst 128 Seiten und enthält viele erklärende Texte, z.B. auch, warum etwas in der Liste auftaucht oder warum es von ihr gestrichen wird. <- überaus lesenswert!

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Kommentare (15)

  1. #1 Joseph Kuhn
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/
    9. Mai 2016

    “dass Deutschland in den letzten 10 Jahren seinen Marktanteil halbiert hat … bedeutet, dass Firmen in Deutschland, halb so viele Rüstungsgüter aus Deutschland heraus exportiert haben.”

    Nur, wenn das Exportvolumen gleich groß geblieben ist. Wie sehen denn die absoluten Zahlen aus?

    • #2 Tomi
      9. Mai 2016

      Hi,

      in dem Abschnitt verweise ich auf eine Exceltabelle mit absoluten Zahlen.
      In Zeile 62 und 63 sind die Werte drin. Die entsprechende Zuordnung, um welche Güter es sich handelt, finden sich im verlinkten PDF.
      Exporte von Deutschland aus in 2005 waren knapp 1,6 MRD., in 2013 dann knapp 0,9 MRD.
      Aktuellere Zahlen stehen im Bericht der Bundesregierung, den ich auch verlinkt habe. Da sieht man, dass die Tendenz fallend bleibt und wir bezogen auf 2005 auf eine Halbierung kommen – bezogen auf den Wert und nicht die Menge versteht sich.
      Der Wert der lizenzierten Güter ist dagegen gestiegen.

  2. #3 Dr. Webbaer
    9. Mai 2016

    Wow, eine grandiose journalistische Leistung, lieber Tomi, sehr informativ, sehr nett auch die weitgehende Trennung von Bericht und Meinungsbeitrag, dies hier – ‘dass es aktuell auf der Welt gar nicht so schlimm aussieht’ – ist formal korrekt angemerkt, aber vielleicht doch ein wenig optimistisch, wenn sogenannte Asymmetrische Kriegführung, Stichwort: Terrorismus, einen wichtigen Impact auf Gesellschaften hat, der nicht direkt in Todeszahlen ablesbar ist; Terrorismus funktioniert.

    Hut ab!, Hut Ab!, MFG
    Dr. Webbaer

    • #4 Tomi
      9. Mai 2016

      Danke!

      Ja, ein wenig Optimismus musste da noch rein nachdem ich mich so lange durch die Zahlen gewühlt hatte. 🙂

  3. #5 wereatheist
    9. Mai 2016

    Dafür, dass Terrorismus ‘funktioniert’, bedarf es der Mithilfe durch die Paranoiker von nebenan.
    Die auf die gefühlte Gefahr mit sehr realen Angriffen auf Grundrechte reagieren.

  4. #6 ElSaxo
    9. Mai 2016

    Ah, Dieselmotoren sind tatsächlich die deutsche Top-Waffe!

    • #7 rolak
      9. Mai 2016

      Dieselmotoren

      ..klingt imho zu sehr nach Trecker/Bulldog und Wasserversorgung, ElSaxo, denn tatsächlich sind es ziemlich spezielle Motoren: für Panzer, UBoote, SchnellBoote etc pp.

  5. #8 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/05/07/cyberwar/
    9. Mai 2016

    Andererseits bestehen die meisten Waffen aus für sich genommen harmlosen Einzelteilen.

  6. #9 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/05/07/cyberwar/
    9. Mai 2016

    Nachtrag (Video jetzt erst angesehen):

    Im Video werden 2 Graphen nacheinander gezeigt, die Toten pro 1 Mio. Einwohner und Jahr und dann das Bevölkerungswachstum.

    In der Schnelligkeit der Präsentation kann leicht übersehen werden, dass das Bevölkerungswachstum aus dem ersten Graphen schon rausgerechnet ist – der darüber gesprochene Text suggeriert das Gegenteil.

    Außerdem muss man sehr aufmerksam sein, um zu sehen, dass die beiden Graphen eine unterschiedliche x-Achse haben, der eine beginnt 1850, der andere 1800. Wieso?

    Auch überrascht hat mich die Aussage, dass Russland eine Invasion der Ukraine durchführt. Ist dem so?

  7. #10 Dr. Webbaer
    9. Mai 2016

    Andererseits bestehen die meisten Waffen aus für sich genommen harmlosen Einzelteilen.

    Böse sind eigentlich nur die Sprengladungen.
    >:->

  8. #11 Hobbes
    9. Mai 2016

    Danke mal wieder. Jedes Jahr sehr Informativ.
    Aktuell dürfte sich die Liste sehr stark weiter verschoben haben. Gerade die beiden Länder Ukraine und Russland haben einen sehr starken Wirtschaftseinbruch zu verzeichnen. Wobei bei der Ukraine wahrscheinlich auch der Rüstungsexport eingebrochen ist. Wenn in den USA schon immer vom Militärisch Industriellen Komplex gesprochen wird wie muss es dann erst in der Ukraine seien wenn da die Rüstung 8 mal so wichtig ist.
    Ich finde diesen ganzen Hype den die Medien jedes mal um die deutsche Rolle bei den Waffenexporten machen eh lächerlich. Wie exportieren jede Menge Spionagesoftware und Ähnliches Equipment an diese Länder. Das ist um ein vielfaches schlimmer, stört aber niemanden.

    @User Unknown:
    Ob Russland aktuell eine Invasion in der Ukraine durchführt kann man diskutieren. Denn der Begriff ist sehr schwammig. Der Krimannexion ging eine Invasion vorraus, da die Truppen nachträglich durch Russland legitimiert wurden. Offiziell ist in der Ostukraine ja kein russisches Militär sondern Freiwilligenverbände. Das Russland diese militärisch steuert und Ausrüstet so wie das Personal stellt macht diese ja noch nicht offiziell zu einer Armee. Für den Alltagssprachgebrauch sehe ich “Invasion” aber nicht als falsch an, da es ja kein Fachbegriff ist.

    Kleine Aufmunterung am Rande; würde ein einziges Unternehmen alle Rüstungsexporte der Welt alleine fertigen wäre es damit noch nicht einmal unter den 100 größten Unternehmen der Welt (gilt aber nur für die Exporte)

  9. #12 Dr. Webbaer
    9. Mai 2016

    @ Herr Wagner :

    Auch überrascht hat mich die Aussage, dass Russland eine Invasion der Ukraine durchführt. Ist dem so?

    ‘Invasion’, über die ‘Intervention’ hinausgehend, müsste das Fachwort gewesen sein.
    Ihr Kommentatorenfreund kennt sich zufällig Russland, Klein- (“Ukraine”) und Weißrussland betreffend ein wenig aus.
    Die EU hat hier vorab sozusagen weltpolitisch ein wenig interveniert indem sie im sozusagen natürlichen Einflussbereich Russlands ein wenig investiert hat, das Assoziierungsabkommen [1] mit der Ukraine ist gemeint und der politische Eingriff auf innenpolitische Verhältnisse in der Ukraine.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Derartige Abkommen sind kaum zu unterschätzen, bspw. ist die EU auch mit der Erdoğan-Türkei assoziiert.

  10. #13 Joseph Kuhn
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/
    9. Mai 2016

    @ Tomi:

    Danke für die Info zu den absoluten Zahlen. Noch eine Nachfrage: Wie verhalten sich die von Dir zitierten SIPRI-Zahlen (0,9 Mrd. in 2013) zu den Exportgenehmigungen, von denen man immer wieder liest und die seit Jahren um ein Mehrfaches höher liegen, siehe z.B. https://www.welt.de/politik/deutschland/article142972724/An-diese-Staaten-liefert-Deutschland-Kriegswaffen.html. Werden diese Genehmigungen nicht ausgeschöpft?

    • #14 Tomi
      9. Mai 2016

      Hi,

      die Genehmigungen beinhalten die lizenzierten Güter, sodass wir für 2014 von knapp vier Milliarden sprechen. Das Verfahren wird in Bericht der Bundesregierung erläutert:
      https://www.sipri.org/research/armaments/transfers/transparency/national_reports/germany/germany-2014
      Auf Seite 25 ist eine Tabelle, wie viel wohin genehmigt wurde (Zeitraum 2004-2014).

      Im Prinzip läuft es so, dass es keinen Topf oder Limit gibt, sondern eher einen politisch motivierten Richtwert, den man versuchen möchte zu erreichen, damit man international seine Trends erfüllt. Jetzt kommen die Firmen und stellen Anträge, die entsprechend der Richtlinien entschieden werden (ab Seite 19 im Bericht); was wir dann in den Medien häufig lesen, ist dann der Wert der Anträge und der prozentuale Anteil der Genehmigungen.
      Eine Ausnahme bilden die Sammelgenehmigungen (Seite 22). Hier werden quasi Budgets für bestimmte Firmen freigegeben, die sie nicht unbedingt ausgenutzt werden müssen. Aber auch hier beantragen die Firmen im Vorfeld eine Summe, die genehmigt werden muss. Was warum und wofür wird auch im Bericht erklärt.

  11. #15 Beobachter
    20. Mai 2016

    Aktuelles zum Thema Waffenhandel/Rüstungsexporte:

    https://www.sueddeutsche.de/politik/waffenhandel-sprengstoff-fuer-die-koalition-1.3000577

    Seite 2:
    “Heckler & Koch will die Ausfuhrgenehmigung für das G36 vor Gericht erzwingen … ”

    ” … Nach neuesten Informationen verlangt Heckler & Koch jetzt aber nicht mehr nur, dass die Bundesregierung über ihr Anliegen entscheidet, sondern will die Regierung per Urteil zur Erteilung der Genehmigung zwingen. Im April änderte Heckler & Koch seinen Klageantrag ab. Im Juni soll es nun zur mündlichen Verhandlung kommen. … ”

    Rüstungsindustrie zwingt Regierung ?!

    Info zu “Heckler & Koch”:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Heckler_%26_Koch

    Man beachte den Abschnitt zur “Geschichte” des Unternehmens … !