Planungs- und Bauphasen für Großprojekte sind lang. Sehr lang. Und so ist es wenig verwunderlich, dass während der LHC grad erst richtig losgelegt hat schon der nächste Beschleuniger geplant wird. Wie der Independent meldet, wird es im Rahmen der ICHEP in Paris ernst für den International Linear Collider (ILC). Jetzt geht es an die Finanzierung.
8,5 Milliarden Dollar soll er kosten, der 31 km lange Elektronenbeschleuniger. Man sieht aber auch Zahlen bis zu 20-25 Milliarden kursieren.
Der ILC soll aber kein Konkurrent zum LHC sein, sondern dessen Messungen verbessern und präzisieren. Denn er wird keine Protonen kollidieren, sondern Elektronen und deren Antiteilchen, die Positronen. So wie der Vorgänger des LHC im gleichen Tunnel, der Large Electron-Positron Collider (LEP). Nur, der LEP war eben ein Ringbeschleuniger, der um die 45 GeV erreicht hat. Das Elektron hat eine sehr viel kleinere invariante Masse, deswegen schafft der Ringbeschleuniger LHC bei gleicher Größe für Protonen die sehr viel höhere Energie von 7 TeV. Aber das Design des ILC ist von einem ganz anderen Problem bestimmt: Beschleunigte Ladungen strahlen Energie ab, und der Effekt ist für Elektron sehr (!) viel stärker als für Protonen. Daher lohnt sich ein noch größerer Ring für Elektronen einfach nicht – daher kehrt man zum frühen Beschleunigerdesign zurück, dem Linearbeschleuniger.
31 km lang wird die Kiste sein. Je eine Hälfte davon für Elektron und Positron. Diese werden dann in der Mitte in einem der zwei Detektoren zur Kollision gebracht. In der Mitte wird außerdem ein 6,7 km großer Ring stehen, der die Elektronenbündel zusammendrängt und bessere Kollisionen zu ermöglichen wenn die Teilchen erstmal durch die Beschleunigerstrecken sind. Denn das ist der große Nachteil des Lineardesigns – im Ring können Bündel gespeichert werden und vorbereitet werden. Sie kreisen einfach so lange bis man sie braucht. Nach einer Kollision – bei der ja nur einige der Teilchen im Bündel kollidieren, kann man im Ringbeschleuniger den Rest des Bündels weiter kreisen lassen.
Der ILC wird einen gewaltigen Sprung gegenüber dem LEP machen und Kollisionen bei 500 GeV ermöglichen – und bis zu 1 TeV nach einer möglichen Erweiterung.
Warum möchte man trotzdem nicht auf Elektronen verzichten? Bei der Kollision von Protonen kollidieren keine Punktteilchen. Es kollidieren vielmehr die Bestandteile der Protonen – Quarks oder Gluonen. Daher wird niemals die ganze Energie in die Kollision gesteckt (aber immer noch mehr als es beim ILC je der Fall sein wird). Es ist weniger Billard und mehr Suppenschüsseln gegeneinander schütten. Dadurch wird die Rekonstruktion der Kollision enorm schwierig und daher unpräziser. Elektron-Positron-Kollisionen sind dagegen geradzu chirurgisch, einfacher zu rekonstruieren. Sie würden ermöglichen, das Higgs genau zu vermessen und was sonst noch an neuer Physik auf der Teraskala wartet. Die Landkarte des Quantenuniversums hält noch einige Überraschungen bereitet.
Hier kann man sich noch ein Video zum (geplanten) Aufbau des ILC ansehen.
Wenn alles gut geht, könnte der ILC Anfang bis Mitte des nächsten Jahrzehnts an den Start gehen.
Der Independent-Artikel zeigt übrigens noch eins: wie ernst Berichterstattung über Physik genommen wird, nämlich grad gar nicht. Die Überschrift spricht von einem “new atom collider”. Und von vorletzter Woche gleich nochmal: “atom smasher”. Wie gesagt, das Teil kollidiert Elektronen und Positronen. Da von Atomen zu sprechen ist eine Berichterstattung die etwa so genau ist, wie wenn man berichten würde dass Fußball mit Melonen gespielt wird.
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