Seit einem Jahr wird medial diskutiert wer die Zivilgesellschaft ist: Wer sind die Menschen, die sich engagieren? Wie setzt sich die Zivilgesellschaft zusammen und was umfasst der Begriff überhaupt? Dieses Thema habe ich zum Inhalt einer Lehrveranstaltung mit dem Titel Forman, Forschungsmanagement, gemacht. Entstanden ist daraus ein Forschungsinstitut und ein Fragebogenprojekt zur Zivilgesellschaft. Wir freuen uns über Teilnahme und vor allem über Verbreitung. Umso besser der Rücklauf ist, umso valider können wir die gestellte Frage beantworten!
Dieser Blogbeitrag hier ist mal etwas anderes: Keine Methodenreflexion oder Studienkritik, sondern eine kleine Schilderung über eine Lehrveranstaltung an der Publizistik der Universität Wien aus der zuerst ein Projekt und dann sogar ein – derzeit im Aufbau befindliches – Forschungsinstitut entstanden ist. Auch darin enthalten die Erzählung wie ein Fragebogenprojekt entsteht.
Am Anfang des Wintersemesters 2015/16 standen die Flüchtlingsbewegungen. Ein Ereignis an dem niemand vorbei konnte, so präsent war es sowohl im Alltag, als auch medial. Einer meiner Lehraufträge in dem Semester lautete Forschungmanagement und ich gestalte Lehre ja sehr gerne möglichst praxisnah. Sonst umfasst das Format ein Forschungsplanspiel mit Review- und Begutachtungsprozess – didaktische Gestaltungen und Lehrdesign sind Steckenpferde mit denen ich (wirklich gern) viel Zeit verbringe. In dem Wintersemester allerdings waren die Eindrücke bzgl. der Flüchtlingsbewegungen, der Grenzen, der vielen Menschen und der Hilfe, die geleistet wurde, intensiv. Sozialwissenschaftlich spannend waren die vielen Bilder, die von den helfenden Menschen gezeichnet wurden. Noch bevor es Begriffe wie Bahnhofsklatscher gab, wurden medial diverse Stereotypen gemalt. Entweder waren es nur Studierende, die sonst nichts besseres zu tun hatten oder die “Gutmenschen” oder Arbeitslose. Die Liste könnte noch recht lange ergänzt werden. Trotzdem diverse Institutionen, wie z.B. auch “meine” Uni Wien, MitarbeiterInnen Zeit für Hilfsleistungen zur Verfügung stellte, hielten sich die Stereotypen und Vorurteile hartnäckig.
Eine – sozialwissenschaftlich fundierte – Anwort auf die Frage wer die Zivilgesellschaft eigentlich ist und wie sich diese zusammensetzt, gab es nicht und gibt es bis heute nicht. Aus einem Planspiel in der Lehrveranstaltung wurde deshalb ein konkretes Projekt. Die Studierenden leisteten die Vorarbeit, recherchierten und entwarfen Fragen. Das erste Mal startete ich den Versuch ein Gesamtprojekt mit allen Aspekten eines Forschungsprojekts in einer Großgruppe von 20 Leuten umzusetzen. Zugegeben ein bisserl ein Drahtseilakt, weil es nie klar sein kann, wie engagiert oder interessiert die Gruppe und ihre Teile sind. Aber es ging gut. Wir entwarfen in einem intensiven Prozess ein gemeinsames Erkenntnisinteresse, erarbeiteten die Grundlagen, wälzten methodische Überlegungen, frischten langvergessenes Wissen auf – und am Ende des Semesters hatten die Gruppen ein tatsächliches, quantitatives Forschungsprojekt – zum Teil – miterlebt.
Warum zum Teil? Endergebnisse, wie bei einem Forschungsprojekt mit einem eingespielten Team, können aus Lehrveranstaltungen nicht erwartet werden. Aus der Lehrveranstaltung gingen, als Semesterabschluss, mehrere Gruppenarbeiten hervor. Dies war der Startschuss für die Weiterarbeit. Vier der Studierenden blieben, wir arbeiteten im Sommersemester, neben den sonstigen Tätigkeiten, weiter. Viel wurde umgestellt und der Fragebogen wuchs. Um dem ganzen Projekt, und v.a. auch den Daten, einen rechtlichen Rahmen zu geben, gründeten wir einen Verein: FiZ – Forschungsinstitut Zivilgesellschaft.
Methodisch gesehen versucht der Fragebogen vor allem eins: Einen Teilbereich der Gesellschaft zu erfassen und Daten über seine Zusammensetzung zu liefern. Die gewählten Perspektiven sind möglichst vielfältig. Neben soziodemographischen Daten fragen wir nach der Mediennutzung – naheliegend als kommunikationswissenschaftliches Projekt – aber auch Privacy, politische und ehrenamtliche Tätigkeiten und das Engagement werden abgefragt. Ziel ist es grundsätzlich zu erfahren, wie sich die Zivilgesellschaft zusammensetzt, was die helfenden Menschen selbst darunter zu verstehen und damit die Basis für weitere Forschungen zu legen.
Fragebögen unterliegen vielen Einschränkungen. Sie sind schnell zu lang und umfangreich. Das Instrument ist keines, dass Menschen fesselt und fasziniert. Einen Ausgleich zwischen den notwendigen und sinnvollen Fragen und dem Umfang, d.h. diesen in einer halbwegs erträglichen Balance zu halten, ist dabei die Herausforderung. Interessant ist auch, dass vor allem und wie viel Zeit in die Formulierung der Fragestellungen und Antwortmöglichkeiten fließt. Mehrere Teamsitzungen lang haben wir über einzelne Fragen diskutiert bis endlich alles gepasst hat – wobei es ein endgültig so gut wie nie gibt. 😉 Die methodische Herausforderung ist, nichts mehr ändern zu können. Nach dem Pretest bleibt alles fix, etwaige Fehler ebenso. Fragebögen sind sehr abstrakte methodische Instrumente und das Design aufwändig. Für eine Fragestellung, wie die hier geschilderte, kommt allerdings nur dieser Zugang in Frage. Deskription können quantitative Ansätze einfach sehr gut. Sobald der Erhebungsprozess beendet ist – wir stecken derzeit mitten in der Distribution – werden wir über die Ergebnisse berichten.
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