Es gibt Ideen, die sich vollkommen unhinterfragt verselbstständigen. Dazu gehört die Vorstellung, dass Helium-3 eine ganz besondere Substanz sei, die extrem selten ist und trotzdem die Zukunft der Energieversorgung sichern soll. Die Vorstellung von einer extrem seltenen Substanz mit unglaublichen Eigenschaften ist nun nicht neu. Aber kaum ein modernes Mem hat es derart geschafft, sich in den Köpfen einiger Leute festzusetzen, wie die Vorstellung von Helium-3 als ultimativer Energiequelle.
Dabei muss man sich nur die Daten der diversen Kernfusionsreaktionen anschauen um sich ein Bild davon machen zu können, was Helium-3 leisten kann und was nicht:
(1) | 2 1D |
+ | 3 1T |
→ | 4 2He |
( | 3.5 MeV | ) | + | n0 | ( | 14.1 MeV | ) | ||||||
(2i) | 2 1D |
+ | 2 1D |
→ | 3 1T |
( | 1.01 MeV | ) | + | p+ | ( | 3.02 MeV | ) | 50% | |||||
(2ii) | → | 3 2He |
( | 0.82 MeV | ) | + | n0 | ( | 2.45 MeV | ) | 50% | ||||||||
(3) | 2 1D |
+ | 3 2He |
→ | 4 2He |
( | 3.6 MeV | ) | + | p+ | ( | 14.7 MeV | ) | ||||||
(4) | 3 1T |
+ | 3 1T |
→ | 4 2He |
+ | 2 n0 | + | 11.3 MeV | ||||||||||
(5) | 3 2He |
+ | 3 2He |
→ | 4 2He |
+ | 2 p+ | + | 12.9 MeV |
Mal ganz von den Schwierigkeiten abgesehen, einen dafür passenden Reaktor zu bauen, fällt auf, dass Helium-3 nichts besonderes ist. Die Reaktion zwischen Helium-3 und Deuterium (Wasserstoff-2) bringt kaum mehr Energie als die Reaktion zwischen Tritium (Wasserstoff-3) und Deuterium. Das gleiche gilt für die reine Reaktion von zwei He-3 Kernen miteinander.
Die Energie die dabei pro Kilogramm frei wird, ist nur etwa 2,5 mal so groß, wie bei der Kernspaltung. Statt mit einer Tonne Uran ein Jahr lang ein Gigawatt Strom erzeugen zu können, bräuchte man 400kg Helium-3 pro Jahr. Wenn man nun die Vorstellungen anschaut, dass man Helium-3 aus der oberen Kruste des Mondes gewinnen will und damit die Errichtung von Mondkolonien rechtfertigen und finanzieren will, wird es entgültig haarsträubend absurd.
Die Konzentrationen die man dort vermutet liegen nicht höher als 50ppb. Das sind 50 Milligramm Helium-3 pro Tonne Gestein. Der Abbau von Uran auf der Erde wird derzeit wirtschaftlich bei Konzentrationen von wenigstens 100 ppm – das sind 100 Gramm pro Tonne Gestein.
Dabei ist Helium-3 gar kein so exotischer Stoff. Schon in der Tabelle oben sieht man sofort einen Weg, an Helium-3 heran zu kommen. Es entsteht in 50% der Fälle von allein, wenn man Deuterium mit Deuterium fusioniert. Ein anderer Weg ist es, Tritium in einen Behälter zu legen und abzuwarten. Tritium ist radioaktiv und zerfällt durch Beta-Zerfall ganz von allein zu Helium-3. Damit ist Helium-3 vom Mond absolut hirnverbrannter Unsinn, der nur verbreitet wird, weil man mal etwas davon gehört hat und nie nachgeschaut hat, was das eigentlich ist.
Der Grund weshalb Helium-3 die Phantasie so beflügelt hat, sind die Produkte der Fusion von Helium-3 mit anderen Stoffen. Es kommen dabei keine freien Neutronen vor. Ohne freie Neutronen wird im Lauf der Reaktion auch nichts radioaktiv. Dieser Fakt wurde dann im Lauf der Zeit so übersteigert und mit neuen, kleinen Geschichten versehen, bis dabei Mondkolonien und nicht geringeres als die Sicherung der Zukunft der Menschheit dabei heraus kam. Das passiert in der heutigen Gesellschaft häufig.
Dabei sind die Neutronen bei der Kernfusion kein übertrieben großes Problem. Ganz anders als bei der Kernspaltung hat man hier fast die freie Auswahl, auf welche Stoffe die Neutronen im Reaktor treffen sollen. Und natürlich wird man dabei nicht mit Absicht zu den Stoffen mit den unangenehmsten Eigenschaften greifen. Beim ITER Reaktor benutzt man hauptsächlich Wolfram, dessen Aktivierungsprodukte eine Halbwertszeit unter 10 Jahren haben, so dass sich kein ernsthaftes Lagerproblem ergibt.
Ohnehin ist die Diskussion viel zu verfrüht. Zur Zeit arbeitet man noch an Reaktoren, die ein mehrfaches der Energie durch Fusion erzeugen, die zum Heizen zuvor hinein gesteckt wurde. ITER wird das aller Voraussicht nach tun. Der Joint European Torus (JET) hat 1997 eine Leistung von 40MW erreicht. Davon stammten 24MW aus der Heizung der Plasmas und 16MW aus der Kernfusion von Deuterium und Tritium selbst. JET wurde in den letzten Jahren umgebaut, um als Modell für ITER zu dienen und soll demnächst auch wieder mit Deuterium und Tritium betrieben werden.
Der Reaktor hat jetzt mit 38MW eine größere Heizleistung als 1997 und bessere Reaktorwände schon jetzt ein saubereres Plasma ermöglicht haben. Aber er ist immernoch nur halb so groß wie ITER. Und die Magnetfelder, die das Plasma einschließen, haben nur ein Viertel der Stärke (3,5T) der Magnetfelder die beim ITER erreicht werden (14T).
Nun ist die Fusion von Deuterium und Tritium besonders einfach. Für die Fusion von Deuterium mit Deuterium wird man noch deutlich bessere Reaktoren brauchen. ITER wird bei der Fusion von Deuterium mit Deuterium ungefähr genauso gut (oder schlecht) sein, wie JET es bei der Fusion von Deuterium mit Tritium ist.
Man wird aber kaum nochmal die Größe der Tokamak Reaktoren verdoppeln und die Stärke der Magnetfelder vervierfachen können. Allerdings wird man auch viel mehr Erfahrung sammeln, die dann zu besseren Reaktorenkonzepten führen können, als den Tokamak aus den 1950er Jahren.
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