Unsere Jubiläumswoche kommt langsam zum Abschluss, aber das heißt natürlich nicht, dass dieses Jubiläumsblog dann eingepackt und weggeräumt wird – zum Weiterlesen und -Kommentieren wird es noch eine Zeitlang aktiv hier stehenbleiben. Und vermutlich werden auch die Jubiläumslogos noch eine Zeitlang herumhängen, etwa so wie der Adventskranz, der immer noch auf meinem Balkon herumgammelt. Schön war’s, vor allem auch von alten WegbegleiterInnen zu lesen – sowohl jenen, die maßgeblich am Aufbau der Seite beteiligt waren, als auch von Leserinnen und Lesern, ohne die es ja gar keinen Sinn gehabt hätte, Blogs zu schreiben.
Aber einen Aspekt, der mich vor allem in meinen Anfangsjahren zumindest verwirrt, später aber auch konkret beschäftigt hat, haben wir bisher noch gar nicht angesprochen: die Feindseligkeit, die den ScienceBlogs immer wieder entgegen schlug und gelegentlich noch entgegen schlägt. Und damit meine ich nicht die gelegentlich heftig, manchmal leider auch zu persönlich und nicht selten unversöhnlich geführten Kommentarschlachten – das gehört zum Metier, und des einen Troll ist des anderen willkommener Mitstreiter. Ich könnte mir eigentlich nur eines vorstellen, das schlimmer ist als eine Seite auf der so heftig und engagiert gestritten wird – eine Seite, auf der engagierte Streitgespräche gar nicht zustande kommen, weil sich immer nur Gleichgesinnte gegenseitig zu nicken und in ihren Positionen bestärken.
Die Feindseligkeit, die ich hier meine, ist eine grundsätzlichere – eine, die allein schon die Existenz eines Wissenschaftsblogs und vermutlich sogar die Existenz der Wissenschaft an sich als einen Affront gegen ihre eigene Weltsicht empfindet. Und die behauptet, dass wissenschaftlich begründete Kritik an ihren eigenen kuriosen Weltsichen unrecht im juristischen Sinn sei. Kurz: Die unterstellen, dass unsere Wissenschaftsblogs entweder selbst kriminell sind oder zumindest kriminelle Handlungen anderer unterstützen (und sich damit zumindest der Beihilfe schuldig machen). Vereinzelte Vertreter dieser Fraktion schlagen ja hier ab und zu ja immer noch auf…
Und nein, ich werde hier nicht “Ross und Reiter” nennen und auf irgendwelche Webseiten hier verlinken, das würde diese Scharlatane (um die handelt es sich meist – dazu gleich noch ein bisschen mehr) ja nur aufwerten. Wer sich nicht selbst daran erinnern kann, wird schon mit einer kurzen Google-Suche schnell fündig werden (nicht jeder Link ist ein Treffer, aber mit ein bisschen blättern wird schnell klar, worauf ich hier abziele).
Hier muss ich erst mal zugeben, dass ich, was die pseudowissenschaftliche und esoterische (um mal einen Sammelbegriff zu wählen) Szene anging, noch sehr naiv war, als ich vor etwa zehn Jahren hier mit dem Bloggen anfing: Dass es Kreise gibt, die sich dem Kampf gegen die Relativitätstheorie oder gegen den sphärischen Aufbau unseres Planeten verschrieben haben, hätte ich damals bestenfalls für einen Scherz und in keinem Fall für etwas gehalten, dem ein denkender Mensch im 21. Jahrhundert Platz in seiner Hirnschale gewähren würde. Astrologie begegnete mir lediglich in der Form von zur – wer könnte da auch nur etwas anderes glauben – reinen Unterhaltung getexteten Zeitungshoroskopen und auf den chinesischen Neujahrspartys eines Freundes, wo astrologische Wahrsager zum Spaß der Gäste sich mit ihren durchsichtigen und oft ganz platt falschen (“Sie haben zwei erwachsene Kinder”, wollte einer mal aus meiner Handfläche in Kombination mit meinem Geburtsjahr gelesen haben) blamieren durften. Homöopathie, das waren jene kleinen Zuckerkugelröllchen oder Tinkturen, die es für ein paar Dollar in der Apotheke zu kaufen gab und auf die meine Freundinnen/Freunde zumeist dann zugriffen, wenn sie nicht schlafen konnten oder der Schnupfen sie plagte. Von “belebtem Wasser” (womit nicht das biologische Leben im Wasser gemeint war) hatte ich bis dahin noch nie gehört…
Aber ich hatte, zugegebener Weise, sowieso nur wenig Ahnung von dem, was in der noch neuen Welt der Blogs (WordPress.com ging 2007 an den Start, den Google-Service Blogger.com gab es zwar schon etwas länger, aber einen breiteren Auftritt hatte er auch erst seit 2006) so abging. Ebenso wenig Ahnung wie von der Eso-Szene hatte ich von der Skeptiker-Szene – was aber wie ich gerne zugebe, eher daran lag, dass ich ein Argumentieren auf drr Basis der aufgeklärten Vernunft nie als “skeptisch” beschreiben würde und daher dem Begriff selbst erst mal gar keine inhaltliche Bedeutung beimessen konnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich – wie in einem der Anti-Skeptiker-Blogs tatsächlich geschehen – dem “harten Kern der Skeptiker-Bewegung” zugerechnet werden müsste. Aber man lernt ja schnell…
Und eines, was ich sehr schnell lernen musste war, dass in Esoterikerkreisen aller Art (von Evolutions- und Einsteingegnern bis hin zu Sterndeutern und Wunderheilern) alles, was “skeptisch” (also auf Vernunft basierend) als “kriminell” verunglimpft wurde. Esowatch (heute Psiram) wurde in den einschlägigen Kreisen immer mit diesem adjektiv kombiniert, und ScienceBlogs.de der Komplizenschaft bezichtigt. Worin genau diese “Internetkriminalität” bestehen sollte, das blieb oft im Dunkeln – juristische Kompetenz war jedenfalls nicht zu erkennen. Die Staatsanwaltschaft in Landau (Rheinland-Pfalz) ermittele gegen Esowatch, hieß es – und das galt den einschlägigen Kreisen als Beweis für kriminelle Handlungen.
Als ich Anfang 2011 die redaktionelle Betreuung der ScienceBlogs.de übernahm, wollte ich’s nun doch mal wissen (nachdem ein Vertreter der Szene darüber spekuliert hatte, dass ich der Betreiber dieser Seite sein müsse). Also schrieb ich die Staatsanwaltschaft in Landau an. Und erhielt am 17. Januar 2011 diese Antwort:
Sehr geehrter Herr Schoenstein,
es wird mitgeteilt, dass eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Internet-Seite “Esowatch” an die Staatsanwaltschaft München abgegeben und von dort übernommen worden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. (Name entfernt)
Leitender Oberstaatsanwalt
Staatsanwaltschaft Landau
Hmm. “Ermittelt” wurde in Landau also nicht, aber immerhin wurde eine Anzeige entgegengenommen und dann – aus welchen Gründen auch immer, dazu sagt das Schreiben nichts – an die Staatsanwaltschaft München weitergeleitet. Also wollte wissen, was die dazu zu sagen haben. Die Antwort dauerte nur ein paar Tage:
Sehr geehrter Herr Schoenstein,
ein Verfahren gegen die Webseite Esowatch.de konnte ich nicht feststellen, was aber auch nichts Ungewöhnliches ist, da staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren “gegen Webseiten” rechtlich nicht möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
(Name entfernt)
Pressesprecherin
Staatsanwaltschaft München I
Linprunstr. 25, 80335 München
Gegen wen da auch immer ermittelt wurde – es war definitiv nicht gegen die Webseite. Aber was bedeutet eigentlich “ermitteln”? Nun, das konnte ich, eineinhalb Jahre später, dank einer anderen (nicht mit Esowatch zusammenhängenden) Strafanzeige, die diesmal direkt gegen mich gerichtet war und von der ich per email am 31.10.2013 informiert wurde, aus erster Hand erfahren:
Sehr geehrter Herr Schönstein,
bei hiesiger Dienststelle werden Ermittlungen gegen Sie und Herrn (Name des Bloggers/der Bloggerin entfernt) wegen der Blogs
in (Blogname entfernt) – ScienceBlogs
vom 15. Juli 2013 durch (Kommentator-Nick entfernt)
vom 14. August 2013 durch (Kommentator-Nick entfernt)bzgl. Herrn Dr. (Name entfernt)
geführt.
Namens der Staatsanwaltschaft Landshut, bei der die Anzeige durch Dr. (Name entfernt) wegen Beleidigung erstattet wurde, sollen Ihre Personalien (Name, Vorname, Geb.-Dat., Geb.-Ort., Familienstand, Beruf, Adresse) und ihr tatsächlicher Aufenthalt (ggf die Dauer eines Auslandsaufenthaltes) ermittelt werden.
Bitte teilen Sie mir die gewünschten Daten mit. Für Rückfragen stehe ich unter u.g. Tel
(werktags von 06.45 Uhr – 15.00 Uhr) gerne zur Verfügung.Mit freundlichen Grüßen
(Name entfernt)
Polizeihauptkommissar
PI Landshut
Aha! Alles, was der Polizeihauptkommissar ermitteln sollte, waren meine Personalien und mein Aufenthaltsort. Ich wies den Beamten freundlich darauf hin, dass er sich bitte schriftlich an die zuständige Adresse (die stand im Impressum und war damals noch in den USA) wenden möge, da ich auf email-Anfragen keine Auskunft zu meiner Person geben würde. Doch noch ehe dort ein Schreiben einging, war die Sache offenbar schon vom Tisch, ohne dass ich auch nur ein einziges Mal zu irgend einem Detail befragt – geschweige denn “verhört” – wurde. Etwa zwei Wochen nach dieser Anfrage erreichte mich folgende email:
Akten-Geschäftszeichen Js 25577/13
Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen BeleidigungSehr geehrter Herr Schönstein,
in dem oben genannten Verfahren habe ich mit Verfügung vom 11.12.2013 folgende Entscheidung getroffen:
Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.Mit freundlichen Grüßen
gez. (Name entfernt)
Staatsanwältin
Und falls nun jemand wissen will, was sich hinter dem Paragraphen der Strafprozessordnung verbirgt, den die Staatsanwältin hier bemühen musste, hier der Wortlaut des Gesetzes:
§ 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Merke: Nur weil irgendwo eine Behörde ermittelt, heißt das noch lange nicht, dass jemand kriminell ist. Anzeigen sind leicht erstattet, und selbst eine Prüfung, ob diese Anzeige berechtigt ist, stellt bereits eine Ermittlung dar. Wer jedoch ScienceBlogs als “kriminell” bezeichnet, ohne dass es dafür eine Begründung gibt, sollte sich bewusst sein, dass er oder sie damit just jene Straftat begangen hat, derer wir bezichtigt wurden. Alles weitere spricht für sich…
Natürlich haben wir noch öfter Post von Anwälten bekommen, und manchmal waren wir in der Tat im Unrecht – zum Beispiel, wenn wir Feinheiten bei der Verwendung von Bildmaterial und bei der Vergabe der Bildnachweise übersehen hatten. Das ist ärgerlich – umso ärgerlicher, weil es ja nicht in böser Absicht geschieht. Aber das sind zivilrechtliche Angelegenheiten. Wer uns also in Handschellen sehen möchte, wird sicher auch in den kommenden Jahrzehnten enttäuscht werden…
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