Zu dem 10 Jahre-Scienceblogs-Jubiläum kann ich nur bedingt etwas beisteuern, also wird das ganze hier jetzt eher persönlich und ich nutze die Gunst der Stunde mal, um mir ein paar persönliche Gedanken über die letzten entsprechenden Abschnitte meines Lebens und meines Internetgeschreibsels zu machen.
Aber fangen wir doch mal bei der Zehnjahresgrenze an. Also vor 10 Jahren stand ich in der Mitte meines Studiums und auch vor einigen schwierigen Entscheidungen. Ich hatte mit der Physik angefangen, weil ich es nicht konnte (im Gegensatz zu den anderen naturwissenschaftlichen Fächern war es in meiner Schule leider eher zu kurz gekommen) und nun, da ich an Leistungsnachsweisen etc. so ziemlich die Hälfte davon hinter mich gebracht hatte (und auch sonst entsprechende Einsicht genießen durfte) auch eine gute Idee davon, was es bedeuten würde, dies für den Rest meines Lebens zu machen. Zeitgleich hielt ich immer noch an meinen vielen zeitaufwendigen Hobbies wie Segelfliegen, Theater spielen, Rettungssanitäter etc. pp. fest obwohl diese mich eindeutig im Studium behinderten. Da ich ein sehr entscheidungsfreudiger Mensch bin, stellte ich mich selber vor die Wahl, entweder die Physik richtig durchzuziehen und sie zum Hauptinhalt meines Lebens zu machen oder mich noch mal weiter umzugucken und ggf. mit einem Bachelor abzubrechen (oder in eine andere Naturwissenschaft zu wechseln). Wie wir heute wissen, habe ich mich damals dann für die Physik entschieden und von diesem Zeitpunkt an das Ganze dann auch in akzeptablem Tempo durchgezogen. Bei meinen Hobbies habe ich teils erhebliche Einschnitte machen müssen, aber einige habe ich bis heute nebenbei (als Hobby eben) weiter führen können.
Die nächste Entscheidung, die hier durchaus relevant ist, aber nicht recht in irgendeine der Zeitpläne passt, war die Entscheidung zu meinem Spezialgebiet. Ich hatte mich grundsätzlich eher auf die Kernphysik/Medizinphysik-Ecke eingeschossen, aber in Ermangelung einer guten Diplomarbeit (an der Uni-Klinik Köln wurde mir zwar eine angeboten, aber die hätte zu 80% aus Programmiertätigkeit bestanden, was eindeutig nicht meinen Erwartungen entsprach) habe ich mir dann gedacht: “Tja, die Neutronenphysik ist doch auch nah genug dran” – und in einer Arbeitsgruppe, deren Mitglieder mir seit Jahren vertraut waren, dann entsprechend meine Abschlussarbeit geschrieben. Das ist dann auch für die Scienceblogs wieder relevant, denn wenn ich irgendwo in der Medizinphysik gelandet wäre, dann würde mein Blog sicher nicht Nucular heißen, auch wenn er sich durchaus mit ionisierender Strahlung hätte beschäftigen können, denn Strahlentherapie war damals auch schon eine sehr vielversprechende Option gewesen.
Der Corn hat mich zu Scienceblogs gebracht. Ihr kennt ihn von seinem Blog blooDNAcid, aber wir beide kennen uns schon seit der frühesten Phase unseres Studiums (er Biologie und ich Physik) über ein gemeinsames Hobby und auch wenn wir beruflich nie wirklich was miteinander zu tun hatten, haben wir uns natürlich immer mal wieder im Smalltalk über das Leben in der Wissenschaft, in das wir gerade reinwuchsen, ausgetauscht. Wir hatten dann beide unsere Hobbies (wie schon gesagt) reduziert, um den Sprung in die Wissenschaft zu schaffen, sind aber beide noch ins gleiche Fitnessstudio gegangen, wo ein wenig Zeit für Smalltalk blieb und er mich dann auch mit dem Bloggen anstecken konnte. Einige Jahre nach ihm bin ich dann auch hier gelandet und vor allem nach Festlegung meines interessanten Promotionsthemas habe ich mir gesagt: “Da musst du doch eigentlich die Allgemeinheit dran teilhaben lassen” … und so wurde Nucular geboren.
Wenn ich jetzt eine allgemeine Bilanz meiner Bloggerei ziehen darf, dann fällt diese eigentlich sehr positiv aus. Entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen mit dem Thema “Radioaktivität” einen Shitstorm nach dem anderen auszulösen, der jegliche konstruktive Diskussion im Keim erstickt, herrscht hier ein sehr konstruktives Diskussionsklima. Dies ist natürlich vor allem der Community zu verdanken, die offensichtliche Trolle ziemlich schnell aufspürt und einen herrlichen Selbstreinigungseffekt für die Kommentarzeilen darstellt, bei der ich als Admin bislang eigentlich noch niemals ernsthaft mit der großen Admin-Keule eingreifen musste. In meinem privaten und Arbeitsumfeld ist das Bloggen im Allgemeinen sehr positiv aufgenommen worden und ich muss auf Partys wesentlich mehr “komische Physikfragen” beantworten. Auch durchaus ernstzunehmende Anfragen finden ihren Weg zu mir und vom Reporter auf der Suche nach Uranmunition bis zu entfernten Bekannten, die vor Ihrer Krebs-Strahlentherapie nicht verständlich aufgeklärt worden waren, so dass das nun der freundliche Physiker aus der Nachbarschaft übernehmen musste, ist immer alles dabei. Die negativen Stimmen aus dem beruflichen Umfeld haben meist Bedenken, dass das Thema “Radioaktivität” nicht an die große Glocke gehört und es im Allgemeinen schädlich ist, wenn die “Bevölkerung” getriggert wird, ohne dann eine vollkommene Aufklärung gewährleisten zu können (oder überhaupt den Bedarf dazu zu haben). Das ich da anderer Meinung bin, habe ich ja hier schon öfter zum Besten gegeben und ich sehe das zum großen Teil auch als Generationenkonflikt, vor allem, wenn es um das Thema Transparenz geht. Während die heutige Generation immer gleich alles per Open Source in die Welt hinausschreien möchte, will die vorherige lieber erst in Ruhe Patente beantragen, Rechte sichern und erst nach ausgewogener sicherer (Daten)Lage in einer kontrollierten Weise an die Öffentlichkeit treten.
Tja, dann bleibt eigentlich nur noch von dem letzten Jahr zu berichten. Bei meinen Blogs hat sich im letzten Jahr nicht viel geändert, außer dass ich auch noch unseren offiziellen NeutronSauce Blog bei blogs.fz-juelich.de angefangen habe, um unser Projekt der kompakten Neutronenquellen gezielter zu bewerben. Vor ziemlich einem Jahr habe ich mir vorgenommen, auch einen kleinen Podcast zu beginnen, was sich allerdings als wesentlich schwieriger herausgestellt hat als zunächst gedacht. Schwieriger vor allem, weil ich kaum überschüssige Zeit habe, die ich in dieses Projekt investieren könnte, mir aber von Anfang an vorgenommen habe, einen Grundumsatz von einem PodCast pro Monat zu generieren, um der ganzen Sache Kontinuität zu verleihen. Nun bin ich drei Monate in der Sache drin und habe zwar meine Quote gehalten, aber ich bin mit der Qualität noch absolut nicht zufrieden. Wir haben keine Folge neu aufgenommen und auch für die Nachbereitung habe ich mir immer ein ziemlich strenges Zeitlimit gesetzt, nachdem ich die Sache einfach fertig mache und hochlade, anstatt noch zu versuchen, die Qualität nachträglich irgendwie zu verbessern. Ich hoffe dass sich da Sachen irgendwann einpendeln und zu Gewohnheiten werden, aber mehr Arbeit reinstecken will und kann ich eigentlich nicht.
Die Zukunft hält auch noch sehr viel für mich bereit. Beruflich wird sich im nächsten Jahr wahrscheinlich entscheiden, wie es mit unserem Projekt weitergeht und auch meine persönliche Zukunft wird damit eng verknüpft sein. Privat bin ich jetzt in der Phase, wo man eine Familie gründen kann/will/soll und ein fester Job mit einem geregelten Einkommen wäre dafür eine recht nette Sache… naja. Wie es mit Scienceblogs und dem NeutronCast weitergeht kann ich momentan absolut noch nicht sagen. Solange unser Neutronenquellen-Projekt darum kämpft, geboren zu werden ist die Aufmerksamkeit (wieviel auch immer das ist) sehr willkommen und solange ich in dem Projekt arbeite, werde ich das hier auch in der bisherigen Form am Leben halten. Was danach passiert, steht in den Sternen und euer Tip ist da genauso gut wie der meinige. Mir macht es hier auf jeden Fall sehr viel Spaß und ich würde mich sehr freuen, wenn uns allen die Scienceblogs noch so lang wie möglich erhalten bleiben. Wenn ich darüber hinaus auch noch ein Teil des Ganzen werden/bleiben kann… um so besser.
Liebe Grüße
Tobi
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