Das Jahr der Mathematik fängt nicht gut an. Die Herren dieser Wissenschaft machen uns wieder Angst vor ihrem Terrain. “Eine Sprache, die keinen Widerspruch duldet”, so verkündet es Matthias Kreck keck in der FAZ vom 2.1.08, und er lässt uns auch wissen, daß er nach wie vor der Meinung von Galileo Galilei ist, dem zufolge das Buch der Natur in der Sprache gechrieben ist, die Herr Kreck beherrscht. Sie wird dann sogar als die “objektive Sprache der Natur” beschrieben, und unsereinem bleibt nur übrig, in Ehrfurcht zu erstarren. Aber nur, wenn Herr Kreck recht hat. Hat er aber nicht, wie weiter unten erläutert wird. Man braucht auf keinen Fall die Angst vor der Mathematik zu haben, die er uns einreden will.

Mathematik ist voller Zweideutigkeiten, wie man alleine daran sieht, daß sie mit Gleichheitszeichen operiert. Unentwegt werden zwei Sachen bzw. Vorgänge gleichgesetzt – zwei werden als eins gedeutet -, ohne daß die einzelnen Gebilde verschwinden. 1 plus 2 ergibt zwar 3, aber bei der Gleichsetzung hat man auf der einen Seite einen Vorgang – das Zusammenzählen – und auf der anderen Seite ein festes Ding, die 3. In diesem Vorgehen (und ähnlichen Verfahren) steckt eine Menge an Widersprüchlichkeit, die uns aber keine Angst zu machen braucht, weil der Alltag genauso funktioniert. Wir kennen uns dabei aus.

Mathematik erhöht ihre Chancen auf Ungenauigkeit, wenn sie versucht, etwas über die Natur zu sagen. Denn sie ist bestenfalls sicher, solange sie sich nicht auf die Wirklichkeit bezieht, wie schon Einstein geschrieben hat. Die Behauptung, das Buch der Natur sei in der Sprache der Mathematik geschrieben, verliert dadurch an Überzeugung, wobei anzumerken ist, daß Galilei diese Behauptung aufstellte, ohne auch nur ein einziges Beispiel zu kennen. Nun haben wir zwar inzwischen eine herrlich funktionierende theoretische Physik, aber der lang erwartete Newton des Grashalms lässt wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag auf sich warten. Man kann die Natur auch verstehen, ohne mathematisch zu sprechen, und selbst in der Physik gibt es dafür genügend Beispiele – Michael Faraday zum Beispiel. Wer etwas von der Welt verstehen will, braucht keine Angst vor der Mathematik zu haben, auch wenn viele ihrer Ergebnisse dem gesunden Menschenverstand widersprechen (einen Widerspruch, den wir dulden müssen). Er soll aber Vergnügen an der Mathematik haben. Immerhin stellt sie den organisierten Versuch dar, das Rechnen zu vermeiden. Das wollen wir doch alle.