Zu den Grundideen der Renaissance gehört die Vorstellung, daß die Welt im Kleinen – der Mikrokosmos – und die Welt im Großen – der Makrokosmos – sich entsprechen müssen. Wir Menschen in der Mitte – im Mesokosmos – können das zum Beispiel bei Leonardo da Vinci nachlesen, der in einem “Traktat über das Wasser” im Jahre 1492 – als Kolumbus auf dem Wasser unterwegs war – davon geschrieben hat, daß so, wie die Erde ein Weltmeer hat, der Mensch über einen Blutsee verfügt.
Auf jeden Fall – so Leonardo und seine Zeitgenossen – sind sich der Mensch und die Welt einander sehr ähnlich, und was der italienische Künstler für den Blick nach außen beschrieben hat, haben jetzt israelische Forscher für den Blick nach innen nachvollzogen. Sie haben als Physiker verstanden, wie sich die wichtigsten Moleküle umarmen, die wir haben, die Proteine, und das ist schön so.

Wenn wir ganz ernst und wissenschaftlich werden, lautet die Frage, warum die Natur es so eingerichtet hat, daß sich Proteine verbiegen, wenn sie aneinander festmachen (sich miteinander verbinden)? Das physikalische Problem steckt in der Energie, die diese Umformung kostet. Warum wird sie aufgewendet?
Die Antwort steckt darin, daß die Proteine nicht nur den richtigen Partner für ihre Kontaktaufnahme finden, sondern alle falschen vermeiden müssen. So müssen sie zum Beispiel unter allen (biologischen) Umständen vermeiden, kleinere Proteine mit ähnlichem Umriß zu umarmen. Nach einer genauen statistischen Analyse haben Tsi Tlutsty und Yonatan Savir nun gefunden, daß Proteine – im Mikroskosmos – es mehr oder weniger so machen wie wir Menschen – im relativen Makrokosmos. Wenn wir den richtigen Partner suchen bzw. finden wollen, fassen wir ihn nicht nur an bzw. berühren ihn mehr oder weniger oberflächlich. Wir umarmen ihn herzlich. Wenn wir nur ebenso herausfinden könnten, wie sich die Proteine dabei fühlen. Vermutlich mehr geborgen als verbogen. Leonardo hätte das gefallen.