Nein – die Wissenschaft selbst ist nicht widerlich. Widerlich ist hingegen, was oft aus kommerziellen oder anderen Gründen mit der Wissenschaft gemacht wird. Zum Glück gibt es jetzt ein glänzendes Buch mit dem Titel BAD SCIENCE, in dem der Brite Ben Goldacre (London 2008) darüber berichtet. Er packt den Stier direkt bei den Hörern und prüft schlicht und einfach nach, was die vielen TV-Experten über richtige Nahrung und alternative Medizinchen im Namen der Wissenschaft verkünden. Sie lügen das Blaue vom Himmel herunter, und sie können das tun, weil sie sicher sind, daß niemand in eine Bibliothek geht – vor allem nicht die und dauernd auf Recherche sein vorgaukelnden TV-Redakteure -, um ein Zitat zu finden oder zu prüfen. Wir amüsieren uns nicht nur zu Tode, wir lassen uns auch von hirnlosen (leider nicht harmlosen) Rhetorikwissenschaftlern belügen, bis wir selbst den Glauben an den Glauben verloren haben. Apropos Glauben – ich kann mich vor Einladungen, über den lieben Gott zu sprechen, nicht retten. Hängt da etwas zusammen?

Kommentare (3)

  1. #1 Argent23
    November 10, 2008

    Bliebe noch zu erwähnen, dass der Inhalt des Buches aus Zeitungsartikeln und Blogeinträgen von Ben Goldacre besteht. Der clevere Blogleser kann somit kostenlos und lange vor Erscheinen des nächsten Bandes schon auf dem sehr empfehlenswerten Blog Bad Science über Wissenschaftsmißbrauch informiert bleiben!

  2. #2 Martin Koradi
    November 10, 2008

    Mich würde interessieren, wo Sie die Ursachen für dieses Problem sehen. Ich bin immer wieder erschüttert darüber, wie blind und fraglos auch die abstrusesten Behauptungen ohne jede Begründung akzeptiert werden – gerade auch im Bereich der sogenannten „Alternativmedizin“. Meines Erachtens müsste auch von Seiten der Wissenschaft viel mehr dafür getan werden, die Bürgerinnen und Bürger zu lehren, wie man kritische Fragen stellen kann.
    Wenn Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler an die Öffentlichkeit treten, kommen sie in der Regel mit fertigen Ergebnissen, die dann von den Medien oft noch stark verkürzt und als wissenschaftliche Wahrheit dargestellt werden. Kein Wunder, bekommt die Wissenschaft in breiten Kreisen einen arroganten Ruf.
    Statt hauptsächlich nur fertige Ergebnisse zu präsentieren, müsste viel stärker vermittelt werden, wie Wissenschaft funktioniert und was ihre Anliegen sind. Es müsste viel stärker vermittelt werden, dass Wissenschaft eigentlich eine Diskussionskultur pflegt (oder jedenfalls pflegen sollte) – im Gegensatz zu den dogmatischen Behauptungen der diversen Heilslehren. Es müsste dargestellt werden, dass Wissenschaft mit vielen offenen Fragen lebt, sich weiterentwickelt und nicht den Anspruch vertritt, endgültige Wahrheiten zu verkaufen. Solche Kernanliegen der Wissenschaft werden durch verzerrte Darstellung in den Medien, übermässige Kommerzialisierung der Forschung und andere Auswüchse vernebelt. Wissenschaft ist – wenn ich ihre Kernanliegen richtig verstanden habe – durchaus eine bescheidene Angelegenheit. Ganz im Sinne einer Aussage von Karl Popper:
    „Es dürfte uns gut tun, uns manchmal daran zu erinnern, dass wir zwar in dem Wenigen, das wir wissen, sehr verschieden sein mögen, dass wir aber in unserer grenzenlosen Unwissenheit alle gleich sind.“ (Karl Popper Lesebuch, UTB 2000, S. 38)
    Warum nur kommt Wissenschaft so oft ganz anders rüber?
    Meines Erachtens muss sich die Wissenschaft hier auch ein Stück weit selber an der Nase nehmen – sofern sie eine hat.
    Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann hatten wir zwar regelmässig Religionsunterricht, aber vom Sinn und Zweck der Wissenschaft und von ihren Grundprinzipien habe ich kaum etwas gehört. Es wurden hauptsächlich scheinbar fertige Ergebnisse der Wissenschaft präsentiert, die man als Schüler wie die Einlagen in einen Banksafe möglichst sicher aufbewahren und bei einer Prüfung unverändert zurückgeben sollte. Mag sein, dass sich hier inzwischen etwas zum Positiven geändert hat. Aber sicher bin ich mir da nicht.

  3. #3 David Marjanović
    November 10, 2008

    Apropos Glauben – ich kann mich vor Einladungen, über den lieben Gott zu sprechen, nicht retten. Hängt da etwas zusammen?

    Die religiösesten Leute sind auch sonst die leichtgläubigsten.