Für Christian Morgenstern war die Sache ganz einfach: “Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet.” Damit ist im Grunde fast alles gesagt. Und doch wäre es schade, wenn man sich mit dieser einen Antwort zufrieden geben würde.

Denn die Frage “Was ist Schönheit?” ist heute so aktuell wie in früheren Zeiten. Jede Generation, jede Kultur gibt immer wieder neue Antworten darauf, was denn nun “schön” ist. Schließlich ist Schönheit seit den ersten Anfängen der Menschheit ein bedeutender Faktor, der sich früh in Ritualen, Kunst und anderen sozialen Praktiken niederschlug.

Im alten Ägypten pflegten die Frauen einen fast schon exzessiven Kult der Körperbemalung und liefern damit nur eines von unendlich vielen Beispielen dafür, wie der Körper geschmückt und die Haut verziert wird, um den Schönheitsidealen der jeweiligen Zeit zu entsprechen. Im Mittelalter ließen sich die Herrscher in Porträts schöner und strahlender darstellen, als sie es tatsächlich waren – und sicherten dadurch ihre Macht. Einige hundert Jahre später wirkt diese politische Macht auf König Edward VIII. weit weniger verlockend. Er verzichtet sogar auf den englischen Thron, weil er der Macht der Schönheit erliegt und eine bürgerliche Frau heiratet.

i-b55bbd9c33688c46f6065072f31f5a1e-Venus_Botticelli.jpgWas ist das Geheimnis der Schönheit?

So ändern sich die Zeiten und ihre Schönheitsvorstellungen gleich mit. Aktuell bleibt nur die offene Frage, was denn nun schön ist und worin das Geheimnis der Schönheit besteht. Sie war Antrieb für unzählige Generationen von bildenden Künstlern, die etwa mit dem goldenen Schnitt experimentierten und nach idealen Proportionen und Formen suchten, um in ihren Darstellungen den Kern der Schönheit und vielleicht gar so etwas wie ihr Wesen freizulegen.

Doch so leicht ist das Geheimnis der Schönheit wohl nicht zu entschlüsseln, auch wenn sich heute natürlich die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen an einer Antwort versuchen.

In diesem Blog wollen wir uns nun selbst auf die Suche machen. Wir wollen den Kult und die Kultur der Schönheit darstellen. Wir wollen im Blog nachzeichnen, was und warum in den verschiedenen Kulturen und Zeiten als schön gegolten hat. Und wir wollen herausfinden, ob es jenseits kulturell bedingter Vorlieben und Moden überhaupt Konstanten der Schönheit gibt.

Deshalb laden wir die Leser des Blogs ein, uns in den kommenden sechs Monaten auf der Spurensuche nach den Geheimnissen der Schönheit zu begleiten.

Mehr als 500 Jahre ist es her, dass Sandro Botticelli seine „Geburt der Venus”(siehe rechts) malte. Seine Darstellung beeindruckt uns bis heute.

Marc Scheloske ist Sozialwissenschaftler und interessiert sich vor allem für die kulturellen Dimensionen der Schönheit. Marc_45_sw.jpg

Kommentare (4)

  1. #1 Dyrnberg
    Juni 1, 2010

    Interessant. Bin gespannt, was da kommen wird.

    Ich werf gleich mal zu Beginn die wohl einflussreichste philosophische Annäherung an das Schöne in den virtuellen Raum: “Schönheit bereitet interesseloses Wohlgefallen.” Da hat Kant, will mir scheinen, einen zentralen Punkt getroffen. Wie so oft.

  2. #2 Marc Scheloske
    Juni 1, 2010

    @Dyrnberg:

    Wir sind ehrlicherweise selbst gespannt, wie sich unsere bloggende Annäherung an das Thema gestalten wird. Wird sicher eine bunte Sammlung, eher ein Blog-Mosaik, das am Ende und in der Zusammenschau dann “schön” und hoffentlich informativ sein soll.

    Ein paar Takte zur Idee hinter dem Blog findet man hier: https://www.scienceblogs.de/beauty-full-science/about.php

    Und zu Kant: klar, an ihm kommen wir nicht vorbei und werden seine ästhetischen Positionen diskutieren; wobei ich mir so sicher nicht bin, ob er mit seiner Definition wirklich richtig liegt, denn: ist das Wohlgefallen, wenn wir Schönheit gegenüberstehen immer so interesselos? 😉

  3. #3 KommentarAbo
    Juni 1, 2010

  4. #4 MartinB
    Juni 1, 2010

    Das kann ja spannend werden. Auf den Scienceblogs wäre natürlich auch und gerade die Schönheit in der Wissenschaft ein tolles Thema…