Ein kurzer Einschub zum Thema, der uns aus der Frühzeit in die Gegenwart katapultiert. Während der frühe Mensch vor hunderttausenden von Jahren ganz langsam zu begreifen begann, wie er seinen Körper verändern, verzieren, verschönern kann, hat er heute ganz andere Probleme. Weil alles möglich scheint, versuchen manche Menschen alles Mögliche. Die dunkle Seite des Schönheitssinns, dem sich eine Psychotherapeutin widmet.

Auf Focus Online erklärt die Psychoanalytikerin Susie Orbach aktuell wohin uns das alles geführt hat.

Ob Frühmenschen schon ahnen konnten, als sie erstmals ihren Körper mit Erdfarben bemalten, dass 200.000 Jahr später Menschen ihren kompletten Körper durch vermeintlich schönere Körperteile aufrüsten, weil sie glauben, nur so glücklich zu werden. Wie absurd muss einem Vorzeit-Menschen der Versuch vorgekommen sein, auf Teufel komm’ raus abzunehmen und dafür eine Hungerkur nach der anderen durchzuziehen oder bei jedem Stück Fleisch mit Fettrand ein schlechtes Gewissen zu haben oder sich sogar zu ekeln …

Das hält Orbach von unserem Schönheitswahn:

„Diäten führen in erster Linie nur dazu, dass Menschen übergewichtig werden, weil sie anfangen, mechanisch zu essen, statt auf ihr natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl zu achten”, erklärt die Psychoanalytikerin Susie Orbach auf dem Kongress DLD Women im Gespräch mit FOCUS Online. Kosmetische Eingriffe machten nur kurzzeitig zufrieden – bis ein anderer „Schönheitsmakel” als so dominant wahrgenommen würde, dass auch er geändert werden müsste.

„2000 bis 5000 Mal pro Woche werden wir mit Bildern digital manipulierter Körper konfrontiert. Diese Bilder vermitteln die Idee eines Körpers, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt”, schreibt die Psychoanalytikerin in ihrem aktuellen Buch „Bodies – Schlachthof der Schönheit”.

Ein weiteres ausführliches Interview gab sie 2009 der Frankfurter Rundschau anlässlich der Veröffentlichung ihres Buches Bodies.:

Wo genau liegt denn die Grenze zwischen harmloser Beschäftigung mit der eigenen Schönheit und ungesundem Körperfetischismus?

Das ist eine sehr gute Frage, die ich über einen Umweg beantworten werde. Gerade wurde Barbies 50. Geburtstag gefeiert. Als meine Tochter, die jetzt 20 ist, klein war, dachte ich, es sei kein Problem, wenn sie mit Barbie-Puppen spielt. Ein Spielzeug wie jedes andere: ein Ort der Imagination, kein wirkliches Vorbild, einfach ein Gegenstand, mit dem man sich beschäftigt, der Phantasie und Vorstellungskraft anregt. Nicht viel anders als das Spielen mit einem Kinder-Postbüro. Irgendwann lässt das Interesse daran nach. Heute funktioniert das nicht mehr so?

In der Zwischenzeit sieht man viele Frauen, die wie lebende Barbies aussehen. Das ist ein Problem. Damit kommen wir zur Frage nach der Grenze zurück: Sie ist fließend, aber allgemein würde ich sagen, dass sie dort liegt, wo die Beschäftigung mit dem Körper aufhört, eine Quelle der Freude zu sein und anfängt, einen zu quälen und vor sich herzutreiben. Ich meine nicht das einfache Auftragen von Lippenstift, sondern ein Gefühl, wo man sich absolut nicht mehr wohl fühlen kann, wenn man nicht zuerst das, das und das an seinem Körper getan hat.

Zum Beispiel?

Viele Leute fühlen sich wirklich getrieben. Ihr Körper ist für sie ein riesiges Projekt. Manche haben zum Beispiel Angst, sie könnten ihren Job verlieren, weil sie die ganze Zeit essen. Wenn Essen jedes Mal aufs Neue eine Quelle der Besorgnis, der Scham oder des schlechtes Gewissen darstellt, dann haben Sie ein Problem.

Schließlich noch ein Link zu einem Beitrag über Orbach und ihre Ansichten aus dem Guardian:

How can it be that, after all these years, we’re still queuing up to buy what we know will probably not work? “Because of hope,” she says sadly. “It’s about transforming that sense of feeling powerless into feeling powerful. It transforms the image of you as the victim into thinking, ‘Oh, this is a real opportunity! I could do it this time!'”.

Sie hat auch einen Tipp für meine Zunft, die Journalisten, den ich natürlich gerne unterschreibe:

“What could journalists do? It’s not enough to blame the media, it’s what could they bring to the party. What could they do to change the visual culture? They could write about Alli not in a tongue-in-cheek, maybe-this-time-a-drug-will-work kind of way, but by saying the stats show that 95% of slimming preparations will have a serious failure rate, and you’re likely to end up larger than you started. And then you deconstruct what this new drug is about – the marketing of it, the production of it, and all that. So that would be a nice way to do it.”

Marcus Anhäuser ist freier Wissenschaftsjournalist. i-8bdb54bd0ac1d4c0cdc0bb7e9f1867d8-Marcus_45.jpg

Kommentare (8)

  1. #1 Arnd
    Juni 14, 2010

    Schöne Vision. Aber Journalisten müssen über das schreiben was sich verkauft. Und Hoffnungen aufbauen verkauft sich besser als Hoffnungen zu begraben. Das gilt natürlich nicht für alle Journalisten, nur für die die erfolgreich werden wollen.

  2. #2 radicchio
    Juni 14, 2010

    „Diäten führen in erster Linie nur dazu, dass Menschen übergewichtig werden, weil sie anfangen, mechanisch zu essen, statt auf ihr natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl zu achten”, erklärt die Psychoanalytikerin Susie Orbach auf dem Kongress DLD Women im Gespräch mit FOCUS Online.

    und danach gabs eine vorführung von sex and the city mit anschließendem schuh-sonderverkauf. super, DLD!

  3. #3 Marcus Anhäuser
    Juni 15, 2010

    Schuhsonderverkauf find ich noch okay, mir scheint Schuhe sind für manche Frauen was Uhren für Männer sind.

    Ich würde den Film gerne mal mit Susie Orbach sehen, und hören was sie dazu sagt.

    Disclaimer: Ich bin wohl einer der wenigen Männer, der die Serie toll findet und regelmäßig geguckt hat.

    Disclaimer 2: ich war gestern Abend mit meiner Frau in “Sex and the City 2”. Eine Mischung aus “Die vier Musketiere” und einer Kegeltour von Besserverdienern und Frauen reicher Männer.

  4. #4 radicchio
    Juni 15, 2010

    mir gings jetzt auch nicht unbedingt drum, die qualität von SATC zu bewerten. aber auf einer tagung zum digitalen life design, was wohl soviel bedeuten soll wie “leben im digitalen zeitalter” – für frauen, erwarte ich ganz subjektiv und persönlich, dass dort nicht eine frauenzeitschrift mit verteilten rollen nachgespielt wird: diät, wechseljahre und sexy im büro. von daher ist es eh eine frage, ob eine solche tagung speziell “für frauen” einen anderen mehrwert hervorbringen könnte, als stereotype zu repetieren.

    dieser tagung scheint das nicht gelungen zu sein. es war, soweit ich es verfolgt hab, tatsächlich ein klischeebeladenes kaffeekränzchen nach dem motto: frauen googeln ihre rezepte jetzt im netz. supi digital.

  5. #5 mi fhèin
    Juni 15, 2010

    Schuhsonderverkauf find ich noch okay, mir scheint Schuhe sind für manche Frauen was Uhren für Männer sind.

    Ich trag gar keine Uhr, weil mich das stört, wenn da was am Handgelenk baumelt. Außerdem brauch ich keine – mein Mobiltelephon zeigt eh auch die Uhrzeit an.

  6. #6 Marcus Anhäuser
    Juni 15, 2010

    @mi fhèin
    ist bei mir genau so. Aber ich habe ein paar Freunde, die zur Carrie Bradshaw werden, wenn sie die Auslage eines Uhrengeschäfts sehen …

    Eigentlich steht das ja auch nur für “die Dinge, die wir begehren”.

  7. #7 radicchio
    Juni 15, 2010

    “die Dinge, die wir begehren”

    oder marketing, dem wir auf dem leim gegangen sind *fg

  8. #8 Marcus Anhäuser
    Juni 15, 2010

    das geht natürlich Hand in Hand.