Das ist natürlich ein hochspannender Prozeß, der eine neue Qualität der Vergesellschaftung und der intellektuellen Entwicklung markiert. Denn – Miriam Noël Haidle beschreibt es sehr schön – im und durch den Schmuck findet ja durchaus so etwas wie eine Individualisierung statt: einzelne Gruppenmitglieder eignen sich schöne Gegenstände an und schmücken sich damit, was gleichzeitig äußeres Zeichen für eine herausgehobene soziale Position ist.

Allerdings – und das ist die intellektuell-kognitive Dimension – müssen solche Symbole ja auch von den anderen Gruppenmitgliedern verstanden werden. Symbolisches Denken, die richtige Interpretation von solchen Statussymbolen ist ja erst die Voraussetzung dafür, dass Schmuckstücke überhaupt so funktionieren, wie sie offenbar funktioniert haben (und es auch heute noch tun). Es müssen also bestimmte Vereinbarungen über Gebrauch und Bedeutungen solcher Symbole getroffen werden.

i-d219ef6fa7a2baf17e91025ae1af1c21-Aldis_Bernard_1873.jpgWir haben vor mehr als 30.000 Jahren also auf der individuellen Ebene das aufkeimende Bedürfnis sich selbst als Person auszudrücken, sich und seinen Körper zu gestalten. Und auf der Ebene des sozialen Gefüges der Gruppen und Stämme erfüllen die Schmuckstücke eine zusätzliche Art der Kommunikation, in der Statusunterschiede gruppenintern und gegenüber anderen Gruppen nach außen sichtbar gemacht werden.

So betrachtet sind wir heute auch nicht viel weiter gekommen. Die goldene Uhr, das Kettchen um den Hals – es sind klar zu identifizierende Symbole, die bestimmte Gruppen- und Milieuzugehörigkeiten ausdrücken. Oder man nehme nur die schweren Amtsketten, die wir etwa bei Bürgermeistern finden (s. Foto links).

Ist es vorstellbar, dass in künftigen Jahrhunderten solche äußeren Statussymbole überflüssig sind?

Quellen:

  • Steven L. Kuhn, Mary C. Stiner: Ornaments of the earliest Upper Paleolithic: New insights from the Levant, in: Proceedings of the National Academy of Science, 2001 June 19; 98(13): 7641-7646. [PDF]
  • Stiner, M. C. and S. L. Kuhn. 2006. Changes in the ‘Connectedness’ and Resilience of Paleolithic Societies in Mediterranean Ecosystems. Human Ecology 34(5):693-712. [PDF]
  • Haidle, Miriam Noël 2003: Eiszeitschmuck – Schönheit, Selbstbewusstsein und Kommunikation. In: Kölbl S. und Conard N. J. (Hrsg.), Eiszeitschmuck. Status und Schönheit. Museumsheft 6. Urgeschichtliches Museum Blaubeuren, Blaubeuren, 9-14.

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Kommentare (7)

  1. #1 Marcus Anhäuser
    Juli 1, 2010

    ich gehöre ja auch zu denen, die mit Schmuck nicht wirklich viel anfangen können, ich trage nicht mal eine Uhr, weil mir das schon zu viel Zeugs am Körper ist. Vo daher: Ich bin die Zukunft 😉

  2. #2 nihil jie
    Juli 1, 2010

    @Marcus Anhäuser

    geht mir aber irgend wie auch so… die uhr habe eigentlich schon recht früh abgelegt.
    und früher wollte ich mir mal ein tattoo machen lassen… aber ich verschob es immer wieder, weil ich nie ein motiv fand der mir entsprach… und nun bin ich froh, dass ich mir nie ein stechen lies, denn inzwischen fast jeder eins hat *gg ich denke auch das die individualität (modisch gesehen) da dran besteht, dass man weder schmuck noch tattoos trägt 😉

  3. #3 nihil jie
    Juli 1, 2010

    ach so… schon wieder fast vergessen… interessanter artikel, wollte ich noch mal hier kundtun 😉

  4. #4 Marc Scheloske
    Juli 2, 2010

    @Marcus:

    Da dachte ich – als jmd., der außer einer Uhr keinen Schmuck trägt/besitzt – , daß ich einer Minderheit angehöre. Und dann outest Du dich als komplett schmucklos…

    @nihil jie:

    Naja, zwischen Uhren, Ringen, Ketten und einem Tattoo besteht ja schon noch ein gehöriger Unterschied. Einen Ring kann ich wieder ablegen, das Tattoo kann ja nicht beliebig nach Anlaß variiert werden. Aber den neumodischen Tattoo-Hype konnte ich persönlich auch nie nachvollziehen, aber sicherlich ein interessantes Phänomen. Dazu kommen wir sicherlich noch in den nächsten Wochen hier im Blog.

  5. #5 Saturnous
    Juli 2, 2010

    Vergessen wurde das “Verschenken” von Schmuck von Männern an Frauen. Nichts ist unnützer als Schmuck, trotzdem ist er WEGEN der Unnützlichkeit das mehr bedanktere Geschenk. Die Frau sieht darin den Willen eines Mannes in eine gemeinsame Zukunft (und Nachwuchs) zu investieren.

  6. #6 nihil jie
    Juli 2, 2010

    @Marc Scheloske

    ja das stimmt auch so… es ist ein unterschied 🙂 dennoch dachte ich mir ich spreche das auch mal kurz an… denn es handle sich dabei auch um eine gewisse körperverzierung, die in allerlei funktionen erfüllt. ähnlich wie schmuck… aber wie auch immer… ich bin sehr auf den beitrag darüber gespannt 🙂

  7. #7 Annalea
    August 19, 2012

    Gestern (Samstag) kam auf Arte um 20.15 die Dokumentarserie:

    “Wir bleiben bestehen”.

    Es geht um die Indianer Nordamerikas, und um ihre blutige Niederwerfung.

    Nun, da fiel mir aufm daß ein Häuptling einen sehr auffälligen schwarzweißen Stirnschmuck trug, der ihn von allen anderen absetzte.

    Dieser Stirnschmuck wurde, wenn ich mich nicht schwer irre, aus Muscheln handgefertigt, die Muscheln wurden zerschlagen, und dann aus dem Perlmutt-Kern in langwieriger Handarbeit diese Perlen geschliffen, -es dauerte ewig bis so etwas fertig war und dementsprechend hoch war der Wert einer solchen Perle und nur die hochrangigsten Indianer konnten sie sich leisten.

    Ähnlich war es bei dem auffälligen, bis zum Boden reichenden Federschmuck auf dem Kopf. Wiederum, falls ich mich nicht schwer täusche, waren es wohl Adlerfedern, die schwer zu bekommen waren.

    Je mehr man davon hatte, desto höher der Rang…

    Im Grunde hat(te) Schmuck wohl immer einen Signal-effekt in unserer Evolution:

    Schönes kräftiges Haar, schöne Zähne, klare Augen, harmonische Züge, und ein schöner Körper waren ein Zeichen von guter Gesundheit und guten Genen, und machten einen Menschen interessant und begehrt als Fortpflanzungspartner,- versprachen diese äußeren Merkmale doch innere biologische Qualitäten, die dem Nachwuchs gute Überlebenschancen mitgaben…

    Die eigene Schönheit ( ~ “Gesundheit”) durch leuchtenden Zahnschmuck, durch auffälligen Federschmuck und schöne Pelze zu unterstreichen gelang schon den Wildvölkern, -man denke z.B. an den Federschmuck der nordamerikansichen Indianer, oder der Papuas, an die Zahnketten, und an ihre oft wunderschöne Haut-Bemalung.

    Und mit solch optischen Tricks versucht der Homo Sapiens auch heute noch seine Attraktivität für das andere Geschlecht zu steigern, bzw, seine gesellschaftliche Machtstellung zu demonstrieren, man denke nur an Kronen vergangener Könige,die von Gold, Edelsteinen und Perlen nur so blitzten!

    Und-ich finde es schön und interessant, denn es ist ein Ausdruck der schönsten Seiten der Kultur: Von Schönheit, Harmonie, und Kunst…!