The sense of beauty obviously depends on the nature of the mind, irrespective of any real quality in the admired object, and the idea of what is beautiful is not innate or unalterable.

Charles Darwin: On the Origin of Species

Was ist Schönheit? fragen wir uns in diesem Blog. “Ein gleichmäßiges, symmetrisches Gesicht”, würden manche vielleicht antworten, oder “volles Haar”, “rote Lippen”, blasse oder auch gut gebräunte Haut, naturbelassen oder mit Farben verziert … all das erklärt zwar, was wir als schön bezeichnen – aber nicht, warum wir überhaupt einen Sensor für so etwas wie Schönheit besitzen. Mit anderen Worten: Wozu ist Schönheit überhaupt gut?

Darüber hatte sich, wie das Eingangszitat bereits andeutet, schon Charles Darwin in seinem Werk Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl Gedanken gemacht und der Frage wie Schönheit erzielt wird, sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Ich will hier nun niemandem zumuten, Darwins Buch zu lesen, um eine Antwort zu finden (die Darwin sowieso eher umschreibt als direkt beantwortet), sondern an dieser Stelle den leider vor einigen Wochen überraschend gestorbenen Philosophen und Autor Denis Dutton zu Wort kommen lassen, der Darwins Gedanken aufgegriffen hat und seine Theorie von Schönheit folgender Maßen illustriert:

Schönheit – genauer gesagt: Ästhetik, also unsere Fähigkeit, Schönheit wahrzunehmen – ist demnach ein durch Evolution in uns verankerter Filter, der uns hilft, das für unser Überleben Notwendige zu erkennen.

i-2cce5262c7f27de09ce63939dd8690c3-Summer_Showers_by_William_Keith-thumb-382x238.jpg

Dutton beschreibt dies anhand der Schönheit eines Landschaftsbildes, das (für alle, die keine Zeit oder Lust hatten, das Video anzuschauen) typischer Weise stets die gleichen Elemente enthält: Eine Graslandschaft; mit Bäumen (idealer Weise solche, auf die man schnell klettern kann, wen man vor einem Raubtier fliehen muss), ein Gewässer, und meist ein Pfad, der in die Ferne führt … Elemente, die uns an die pleistozänen Steppen unserer Vorfahren erinnern sollen. Wie Dutton erklärt, werde diese Art von Landschaftsbild selbst in Regionen der Welt als schön empfunden, wo praktisch keines dieser Elemente in der Realität existiert. Schönheit sei eine Art Fernsteuerung, die uns zu dem führt, was für unseren Fortbestand am hilfreichsten ist. In Duttons Worten: “Beauty is nature’s way of acting at a distance.”

Dass Schönheit uns anlockt und zum Handeln motiviert (nur dann ergäbe Duttons These ja einen Sinn), lässt sich durch einen Blick ins Hirn belegen: Die Harvard-Psychologin Nancy Etcoff konnte durch fMRI-Untersuchungen nachweisen, dass junge Männer beispielsweise alleien schon durch den Anblick schöner Frauen ein Gefühl der “Belohung” empfinden und bereit sind, dafür enorm viel an zusätzlicher Energie aufzuwenden.

i-77e833a484d9eb35fb10cbc4fdc1b8c2-384px-Grotesque_Profile-thumb-184x287.jpg

Schönheit wäre also nur ein anderer Begriff für das, was uns unsere Natur als Nützlich und erstrebenswert signalisieren will. Aber wenn diese darwinistische Sicht so stimmt – tja, warum sind wir dann nicht alle schön? Müsste die Selektion – in diesem konkreten Fall wäre es die sexuelle Selektion (in der deutschen Übersetzung von Darwins Werk auch “geschlechtliche Zuchtwahl” genannt) – nicht zwingend dazu führen, dass wir alle schön sind, so wie alle Pfauen-Hähne die zum Radschlagen nötigen Federn besitzen? Warum ist, in den Jahrzehntausenden, die Homo sapiens nun die Erde bevölkert, die Hässlichkeit nicht ausgestorben? Warum begegnen wir so vielen Menschen, die beinahe schon eine Beleidigung für unseren ästhetischen Sinn sind – und doch verheiratet sind und Kinder haben konnten? Auf diese schlaue Frage bin nicht nur ich alleine gekommen – sie wurde beispielsweise hier auch von Julio Munoz-Rubio gestellt, der als Professor für Evolutionsbiologie an der Universidad Nacional Autonómo de México lehrt.

Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man bedenkt, wozu laut Darwin all dies dienen soll: zur eigenen Fortpflanzung. Und das setzt ja erst mal voraus, dass überhaupt ein Partner zur Nachwuchszeugung gefunden wird. Zu hohe Anforderungen an eine ideale Schönheit des Partners oder der Partnerin eliminieren die Über-Anspruchsvollen aus dem Genpool; dass wir dennoch ein Idealbild von Schönheit kennen (das sich in Zeit und Raum allerdings vielfach wandeln kann, wie auch Darwin in der Fortsetzung der eingangs zitierten Passage betonte), ist der ästhetische Leitfaden, der uns hilft, aus den möglichen Sexualpartnern den oder die mit den besten Eigenschaften zu finden. Aber Attraktion ist immer auch eine Funktion des Verfügbaren, und wenn sich zwei Herzen gefunden haben, dann spielt das Aussehen vielleicht gar keine Rolle mehr: denn Liebe macht bekanntlich blind.

Quellen:

Bilder:

Kommentare (2)

  1. #1 Marc
    Januar 17, 2011

    auch wenn das hier nur ein Blogposting ist, hat es doch einen etwas faden beigeschmack. während hier lediglich auf eine darwinistische evolutionsidee bezug genommen wird, bleibt jegliche überlegung zur kultur leider aussen vor. das ist schade.

    insbesondere an schönheitsidealen lassen sich kulturspezifische differenzen in bezug auf bodymodifications zeigen. (die übrigens auch mal ein spannendes thema an dieser stelle wären, würde mich auf jeden fall freuen)

    ich kann dem post zwar folgen, denke aber, dass man auch die kultur mit in den blick nehmen sollte. so ist es leider ein wenig zu reduziert

  2. #2 Jürgen Schönstein
    Januar 17, 2011

    @Marc

    insbesondere an schönheitsidealen lassen sich kulturspezifische differenzen in bezug auf bodymodifications zeigen.

    Schau mal hier: Ziernarben – ein Körperschmuck der besonderen Art. Aber es stimmt natürlich, dass Schönheit mehr als nur eine biologische Funktion hat – darüber haben wir in Beauty full Science schon vieles geschrieben. In diesem speziellen Fall ging es aber mal nur um die evolutionsbiologische Komponente.