Na das ist doch mal eine schöne Folgerung aus der Idee der “Tarntechnik”: Schutz vor Erdbebenwellen. Die Ideen der Tarnung vor elektromagnetischen Wellen habe ich schon einige Male angesprochen.

Die Grundidee ist dabei stets: Man ordne Materialien so um das zu tarnende Objekt an, dass die Form der Welle vor und hinter dem Objekt gleich ist. Denn eigentlich ist es ja die Veränderung, die ein Objekt an einer Welle vornimmt, die es detektierbar macht.

In einer neuen Veröffentlichung in den Physical Review Letters nehmen sich jetzt Mohamed Farhat, Sebastien Guenneau und Stefan Enoch eine andere Art von Wellen vor: Oberflächenwellen bei Erdbeben. (Und nur nebenher bemerkt: Zwei Monate von Einreichung bis zur Veröffentlichung – Respekt!)

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Grundsätzlich gibt es nicht weniger als vier Arten von Erdbebenwellen (siehe obige Abbildung). Die ersten beiden, “body waves”, breiten sich innerhalb der Erde aus. Man unterscheidet Druckwellen (p-waves), bei denen die Schwingungsrichtung gleich der Ausbreitungsrichtung ist – also ähnlich wie Schallwellen. Daneben gibt es Scherwellen (s-waves), bei denen die Verformungen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung erfolgen.
Die stärksten Schäden entstehen aber durch Oberflächenwellen, die sich als Love-Wellen oder Rayleigh-Wellen zeigen können. Love-Wellen heißen nicht so, weil es Frühling war und die Knospen sprossen, sondern sind nach Augustus Edward Hough Love benannt. Die Auslenkung läuft senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, aber in der Ebene (hin und her…). Beim letzten Typ, den Rayleigh-Wellen, liegt die Schwingungsrichtung der Wellen senkrecht zur Oberfläche (also hoch und runter…).

Zum Schutz vor Oberflächenwellen haben die Autoren sich jetzt damit befasst, die Erkenntnisse aus der Tarnung von Objekten unter elektromagnetischen Wellen zu übertragen auf elastische Wellen. Das geschieht wieder mit Hilfe der Metamaterialien.
Vielleicht erinnert ihr euch: Metamaterialien sind nur aus der Ferne betrachtet so wie ein homogenes Material, wenn man näher hinschaut sind sie aus kleinen Elementen zusammengesetzt, die dem Metamaterial Eigenschaften verleihen wie die Fähikgkeit, eine Welle um ein Objekt herumlenken zu können.
Die Ansätze, so etwas zu berechnen haben die Autoren in der Ebene auf seismische Wellen übertragen. Sie setzen zylindrische Ringe aus bestimmten Materialien ein, die sie konzentrisch um das Objekt legen – das Metamaterial ist also von weit gesehen ein Zylinder, besteht aber aus vielen dünneren Ringen aus verschiedenen Materialien. Für jede Wellenlänge muss man ein anderes Material und einen anderen Radius wählen. Hier sieht man das Ergebnis einer Berechnung:

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Reproduced from M. Farhat et al.: Ultrabroadband Elastic Cloaking in Thin Plates , PRL 103, 024301 (2009)

Links sieht man das Objekt (weiß), wie es ungeschützt den Wellen ausgesetzt ist. Man kann sich vorstellen, was an Amplitude im Schatten des Objekts fehlt, ist als Energie dran hängengeblieben. Rechts mit den “Tarnringen”. Vor und hinter dem Objekt sieht die Welle genau gleich aus.
Hier sind jetzt viele Ringe simuliert worden, die Autoren sagen aber dass bereits mit 6 Ringen – und sie geben auch Materialien an die man dazu verwenden könnte – ein Schutz vor Wellen im Bereich 30 bis 150 Hz bestünde. Und sie weisen darauf hin, dass man es auch zum Schutz vor Vibrationen in Fahrzeugen einsetzen könnte.

Kommentare (6)

  1. #1 Georg Hoffmann
    07/22/2009

    Sehr schoen.

    Metamaterialien sind nur aus der Ferne betrachtet so wie ein homogenes Material, wenn man näher hinschaut sind sie aus kleinen Elementen zusammengesetzt, die dem Metamaterial Eigenschaften verleihen wie die Fähikgkeit, eine Welle um ein Objekt herumlenken zu können.

    Aber wie machen sie das? Das verstehe ich noch nicht. Heisst das, man koennte so meinethalben ganze Staedte durch einen Ringwall schuetzen? Gibt es ein einfaches Argument um die typische maximale Skala einer Tarnung abzuschaetzen? Das Bild oben etwa ist ohne raeumliche Skala ?

    Und nur nebenher bemerkt: Zwei Monate von Einreichung bis zur Veröffentlichung – Respekt!

    Meine Frau hatte am letzten Donnerstag eingereicht und am Freitag die Annahme mit Review. Die spinnen die Biologen.

  2. #2 Ludmila Carone
    07/22/2009

    @Georg: Dauert es bei Dir auch mindestens ein halbes Jahr oder länger?

  3. #3 Georg Hoffmann
    07/22/2009

    @Ludmilla
    Mit Verhandeln, Revision, Editor im Urlaub 6 Monate ist gut.
    Ich habe ein Paper, dass 2 Mal bei unterschiedlichen Journals (ok Science und Nature) abgewiesen wurde, und in der umgearbeiteten Form jetzt nach 2 1/2 Jahren wieder abgeschickt wird. Ein einziger Kreuzweg.

  4. #4 Jörg
    07/22/2009

    Also im obigen Bild hat der innere Ring einen Radius von 0.175 m und der äußere von 0.6m, also ließe sich damit vielleicht eine Stütze schützen.
    Die Autoren schreiben

    The small-scale
    experiment we suggest would be directly applicable to
    antivibrating systems for the car industry. However, on a
    larger scale, one could design a shield for seismic waves
    which could be implemented within the infrastructure of
    smart buildings or around given zones to protect in cities.

    Mit anderen Materialien sollte sich der Radius eines Ringes verändern lassen können.

  5. #5 derari
    07/23/2009

    “Die Auslenkung läuft senkrecht zur Oberfläche (also hoch und runter…). Beim letztenTyp, den Rayleigh-Wellen, liegt die Schwingungsrichtung der Wellen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, aber in der Ebene”

    Liegt das an mir, oder ist das in der Abbildung genau andersrum?

  6. #6 Jörg
    07/23/2009

    @derari: Autsch, da hab ich Mist gebaut. Du hast es natürlich richtig gesehen, ich habs korrigiert, danke für den Hinweis!