Heute sind die Nobelpreise in Physik 2009 verkündet worden, und ich glaube diese Namen wurden nicht erwartet. In der Tat, nach den Preisen für bedeutende Fortschritte am theoretischen Ende der Physik, die man vielleicht auch als kleines Tribut an den LHC-Start verstehen konnte, zieht man dieses Jahr den Hut vor Entdeckungen am technisch-angewandten Ende, die konkrete, weltbewegende Anwendungen zur Folge hatten. Sicherlich ist es auch so gewählt worden, weil vor genau 100 Jahren Ferdinand Braun und Guglielmo Marconi für die drahtlose Telegraphie ausgezeichnet wurden.
Die eine Hälfte des Nobelpreises geht an Charles K. Kao, der noch nicht einmal eine deutschsprachige Wikipedia-Seite hat. Er hat als Pionier mit seinen Ideen die Entwicklung der Glasfaser als Leitung für optische Signale begründet. Dank ihm könnt ihr das hier lesen – denn Glasfasernetze sind die Grundlage des Internet.
Glasfasern waren seit den 20er im technischen Einsatz, aber erst ab den 50ern kamen Durchbrüche, die weitergehende Anwendungen ermöglichten. Das Problem war, dass zunächst viel Licht am Rand des Leiters verloren ging, und dem Problem wurde entgegengegangen indem man den Leiter mit einer Ummantelung mit niedrigerer Brechungszahl versah. Man erreicht dadurch eine Totalreflexion des Lichtes.
Normalerweise geschieht an einer Grenzfläche zweier Medien (sagen wir Luft-Wasser) dies mit einem Lichtstrahl: Ein Teil wird reflektiert und ein Teil läuft gebrochen im zweiten Medium weiter. Wenn der Strahl in das optisch dünnere Medium eindringen würde, müsste er nach dem Brechungsgesetz vom Lot des Einfallswinkels weg gebrochen werden. Aber ab einem bestimmten, kritischen Winkel bedeutet dies eine Ablenkung, die so groß ist, dass der Strahl nicht in das zweite Medium eindringt, sondern in das erste Medium zurückgebrochen wird. In einem optischen Leiter passiert dies immer wieder, sodass der Strahl entlang der Glasfaser geleitet wird.
Durch Bündelung vieler Fasern wurden Glasfaserkabel entwickelt, die z.B. als Endoskop zu medizinischem Einsatz kamen. Die Methode hatte aber ihre Grenzen, da man nur kurze Strecken überbrücken konnte, bevor der Lichtstrahl zu schwach geworden war. Typischerweise wurden 99% des Lichtes auf einer Strecke von 20 m weggedämpft.
Charles Kao und G. A. Hockman hatten die entscheidende Idee: Bei ihren Untersuchungen bezogen sie auch die Materialeigenschaften ein, und sahen nicht nur auf die Physik der Wellenleiter. Das lieferte die entscheidende Erkenntnis – hauptsächlich Unreinheiten im Material waren Schuld an den Verlusten. Kao erkannte, dass reinere Materialien aus einem ummantelten SiO2-Glasleiter eine große Zukunft haben sollten – und er behielt Recht. Heutzutage beläuft sich der Verlust eines Glasfaserleiters auf 0.1% auf 1 km Strecke.
Die zweite Hälfte des Nobelpreises teilen sich Willard S. Boyle und George E. Smith für die Entwicklung der “Charge-coupled Devices” (CCD).
CCDs sind elektronische Bilddetektoren, die aus kleinen MOS-Kondensatoren aufgebaut sind. MOS steht für “Metal-Oxyd-Semiconductor”.
Im Bild sieht man den Aufbau eines MOS: Über einer Halbleiterschicht gibt es eine dünne Oxidschicht, darüber eine Metallschicht, die man das Gate nennt. Der Halbleiter ist p-dotiert, das bedeutet dass man das Halbleitermaterial, z.B. Silizium-Atome mit 4 Elektronen in der äußeren Schale, bewusst mit Atomen mit 3 Elektronen in der äußeren Schale verunreinigt. Diese Atome können nun ein weiteres Elektron aufnehmen, es ist so als stellten sie ein “Loch” bereit. Und tatsächlich arbeitet man mit diesem Loch, diesem möglichen Platz für ein Elektron, wie mit einem freien, positiven Ladungsträger.
Fällt jetzt ein Photon auf das Gate, wird dieses negativ geladen. Zum Ausgleich bildet sich eine positive Ladungsdichte im Halbleiter, es sammeln sich also Löcher nahe der Oxidschicht. Der MOS kann sich also quasi merken, wieviel Licht er gesammelt hat.
Im CCD hat man ein zweidimensionales Array dieser MOS-Bauteile, die geschickt nach einem Schiebeprinzip ausgelesen werden können, nachdem man sie Licht ausgesetzt hat.
CCD-Sensoren bilden die Basis für eure Digitalkamera und für optische Sensoren in Satelliten – also eine weitere bahnbrechende Erfindung für das digitale Zeitalter.
Zum Schluss noch eine Bemerkung: Der CCD wurde in der Grundlagenforschung der Bell Laboratories entwickelt, die schon Mengen an Nobelpreisen z.B. für den Transistor und den Laser kassiert haben. Die Bell Laboratories haben aber letztes Jahr die Grundlagenforschung zugunsten kurzfristig gewinnbringender Forschung eingestellt. Dieser Nobelpreis demonstriert nur erneut, was für eine hirnverdrehend bescheuerte Entscheidung das war.
Update: Jetzt mit weniger Schreibfehlern 🙂
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