Tja, schlechte Nachrichten: Die Algen sind uns über. Denn anscheinend können die meisten Algen Quantenmechanik. Da wundert mich ja nichts mehr…ok aber mal im Ernst: Dass bei der Photosynthese quantenphysikalische Phänomene eine Rolle spielen, hat man bereits länger vermutet – denn die Antennen, die Sonnenlicht sammeln, übertragen ihre Energie mit fast perfekte Effizienz ins Reaktionszentrum. Man vermutet dort Quantenphysik am Werk, die es quasi erlaubt mehrere Wege ins Zentrum gleichzeitig zu testen und dann den effizientesten zu nehmen. Dem steht aber entgegen, dass die physikalischen Zustände, die dafür notwendig sind nach unserer Laborerfahrung viel zu kurzlebig sind. Dass die Übertragung in Pflanzenproteinen dennoch darauf setzen kann, konnte man bei tiefen Temperaturen schon zeigen. Jetzt zeigt erstmals eine Studie von Elisabetta Collini und weiteren Forschern aus Toronto, Sydney und Padova in Nature den entscheidenden Sprung gemacht: Zu zeigen dass auch bei Raumtemperatur quantenphysikalische Kohärenzphänomene an der Energieübertragung beteiligt sind.
Die Forscher untersuchten die Struktur der Antennenproteine von Kryptophyten, einer Art eukaryotischer Algen. Diese Algen eignen sich, weil die Antennen darauf ausgebildet sein müssen, auch bei schwachem Licht zu funktionieren. Das Antennenprotein einer dieser Arten, das Phycocyanin PC645, enthält nicht weniger als 8 Bilin-Moleküle, die Licht in verschiedenen Frequenzen sammeln und weiterleiten.
Die DBV-Moleküle werden im hohen Frequenzbereich angeregt, und über die MBV-Moleküle wird die Energie an die PEB weitergereicht, die im niedrigeren Frequenzbereich absorbieren. Klassisch würde man sich vorstellen, dass die Energie zufällig auf das nächste Molekül weiterspringt. Man weiß aber, dass der Prozess viel zu effizient ist um so funktionieren zu können. Es muss sich entweder um eine noch nicht bekannte Methode handeln oder – so unglaublich wie das erstmal klingt – um ein quantenmechanisches Wellenphänomen.
Im Experiment wurden dazu mit einem kurzen Laserpuls die DBV-Moleküle angeregt. Der Anregungszustand ist dabei bereits ein quantenmechanischer, denn zwei DBV-Moleküle sind elektrisch gekoppelt, und so entsteht eine spezielle Anregung, die man “molekulare exzitonischer Zustand” nennt, und mit dem wieder ein Quasiteilchen verbunden ist, das Exziton.
Exzitonen erlauben eine besondere Art des Energietransfers bei der keine Photonen ausgetauscht werden müssen, sondern stattdessen die Dipol-Dipol-Kopplung von Molekülen die Basis bildet – der Förster-Resonanz-Energietransfer. Da das Exziton aber delokalisiert ist, kann es sich wie eine Welle über das Molekül ausbreiten und erst am Ende die Energie übertragen. Die Quantenphysik erlaubt außerdem, dass die Welle alle möglichen Wege auf einmal nimmt – und so ist die Vermutung, dass genau dadurch die Energieübertragung den günstigsten Weg findet und so die Energie effizient ins Reaktionszentrum gebracht wird.
Im Labor kann man solche Quantenzustände nur bei sehr tiefen Temperaturen und sorgsam kontrollierten Randbedingungen erzeugen. Für die Übertragung von den Antennen der Alge ins Zentrum braucht es aber einige Femtosekunden – und bei Raumtemperatur müsste dort eigentlich die Dekohärenz – die Interaktion mit der Umgebung – die Quantenzustände “kaputt” machen. Nun hat man aber gemessen, dass dem nicht so ist, und man muss erklären, wie diese Zustände so lange leben können. Vielleicht können wir von Aalgen lernen, wie wir Quantencomputer bauen können!
Im Experiment nachweisen konnte man dies, indem man die Proteine isolierte, mit einem Laser anregte und dann zeigte, dass sich tatsächlich eine Welle ausbildet, die die Proteine verbindet. Dazu verwendet man eine Methode, die sich zweidimensionale Photonen-Echo-Spektroskopie nennt. Diese Methode ist speziell geeignet, um solche kohärenten Schwingungen zwischen den einzelnen Teilen der Kette festzustellen.
Zunächst erregt man mit zwei kurzen Laserpulsen die beiden Anregungszustände der DBV-Moleküle. Mit einem zeitlich versetzten dritten Puls regt man dann das System dazu an, Licht abzugeben. Man kann so über die Zeit schauen, wo sich die Anregung dann befindet. Den kohärenten Zustand detektiert man als Oszillation zwischen den Molekülen, wie hier im Bild:
Man hat noch längere Kohärenzzeiten als erwartet festgestellt, nämlich bis zu 400 fs. So könnte also das Licht von der Antenne den effizientesten Weg ins Zentrum finden und der klassischen Physik ein Schnippchen schlagen. Die Autoren schlagen allerdings vor, dass ihre Algen ein spezieller Fall sein könnten, weil die kovalente Bindung der Antennenmoleküle an das Protein die lange Kohärenz begünstigen könne. So geben sie also die Richtung der weiteren Forschung vor: Die Suche nach einer klassischen Erklärung für die effiziente Übertragung und gleichzeitig Untersuchung der quantenmechanischen Hypothese in weiteren Pflanzen und Algen, um auch dort ggf. die lange Kohärenz zu finden und zu erklären.
Ein allgemeines Video zum Prozess der Photosynthese kann man sich hier ansehen.
Collini, E., Wong, C., Wilk, K., Curmi, P., Brumer, P., & Scholes, G. (2010). Coherently wired light-harvesting in photosynthetic marine algae at ambient temperature Nature, 463 (7281), 644-647 DOI: 10.1038/nature08811
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