Seit der LHC läuft, und er läuft gut, wartet alles auf die ersten Ergebnisse. Aber dazu braucht es erstmal einer großen gesammelten Datenmenge. Der alte, größte Beschleuniger Tevatron dagegen nähert sich dem Ende seiner Laufzeit und kann mit einer gewaltigen aufgelaufenen Datenmenge noch Überraschungen aus dem Strahlengang zaubern. In einer neuen Analyse von Daten des D0-Experiment haben sich jetzt die Forscher der Kollaboration auf die Suche nach der Stärke der CP-Verletzung gemacht, und legen ein Ergebnis jenseits des Erwarteten vor.
Symmetrien sind fundamentale Facetten der Realität. Über die Betrachtung der einfachsten Prozesse – wie einer Drehung oder einer Spiegelung – lernen wir fast alles, was wir über die Physik lernen können. Unter CP versteht man die Kombination von Ladungsvertauschung und der Spiegelung aller räumlichen Koordinaten. Quasi schaut man, was ein Antiteilchen in der anderen Richtung machen würde. Erstaunlicherweise ist diese einfache Operation nicht in beiden Hälften der Welt gleich – beim Übertritt von der Materie-Hälfte in die Antimaterie-Hälfte findet man ganz leicht andere Verhältnisse vor als auf dem Rückweg.
Das Standardmodell, das große Gebäude das unser bestes Wissen zu den elementaren Kräften und Teilchen vereint, erklärt diese Asymmetrie auch. Gut so, denn es geht um eine der grundlegenden Fragen – warum gibt es mehr Materie als Antimaterie – warum gibt es also überhaupt etwas? Das Problem ist nur: die Asymmetrie die das Universum zeigt, ist viel größer als vom Standardmodell vorhergesagt. Daher untersucht man so gerne die CP-Verletzung, um mehr über die Asymmetrie Materie-Antimaterie zu lernen.
B-Fabriken
Die Systeme an denen man diese studiert, sind neutrale Mesonen-Systeme. Diese bieten sich an, weil elektrisch neutrale Mesonen sich über Quark-Umwandlung in ihre Antiteilchen verwandeln können. Zuerst studierte man Kaonen, jetzt untersucht man Mesonen mit bottom-Quarks, die B-Mesonen. Diese untersucht(e) man an speziell darauf ausgerichteten Experimenten (B-Fabriken) wie BaBar oder Belle, bald LHCb. Am Tevatron des Fermilab bei Chicagokann man bei den Experimenten D0 und CDF nach B-Physik suchen.
Das erste B-System das man sich ansah, war das mit einem Down-Quark. Ein Meson besteht aus Quark und Antiquark, und das leichteste elektrisch neutrale System war also das Bd0 mit einem down. Allerdings waren alle Untersuchungen an diesem Meson hartnäckig in Übereinstimmung mit dem Standardmodell. Schwieriger zu untersuchen ist das Bs0 mit einem Strange-Quark als Partner des bottom. Dazu braucht man die höheren Energien des Tevatron oder LHC.
Doppelte Myonen
Erste Hinweise hatten sich bereits vor zwei Jahren in einer gemeinsamen Untersuchungen von Daten der Detektoren D0 und CDF gefunden: Eventuell weist das System Bs0 eine höhere Asymmetrie auf als vom Standardmodell vorhergesagt. Jetzt sind mehr Daten von D0 alleine verfügbar, und neue Untersuchungen veröffentlicht.
Leider haben B-Mesonen sehr viel mögliche Zerfälle, sodass man sich immer nur stückweise einen möglichen herauspicken muss. Und dann ist die schwierige Aufgabe, den Hintergrund abzuziehen: andere Zerfälle, die ähnlich aussehen. Teilchen, die die gesuchten Zerfallsprodukte überdecken oder sich als diese ausgeben. Unzulänglichkeiten des Detektors. Das ist ein mühsamer Prozess, an dem viel mitarbeiten müssen. Nicht umsonst hat das Paper dazu eineinhalb Seiten Autorenliste.
Den Zerfall, den man sich hier gesucht hat, ist der Doppel-Myonen-Auftritt. Der Tevatron ballert also Teilchen im Detektor zusammen, und manchmal entsteht ein Paar bottom – anti-bottom. Diese können sich schnell einen Partner schnappen und u.U. ein paar neutrale B-Mesonen bilden. Diese zerfallen dann auch recht schnell, und für diese Untersuchung beschränkt man sich auf die Zerfälle in Myon plus anderen Klump. Eigentlich müsste – Teilchen/Antiteilchen – auch Myon und Anti-Myon herauskommen. Aber! Die neutralen B-Mesonen können sich umwandeln – in ihr Antiteilchen mit vertauschtem Quarkinhalt. So kann also das anti-bottom zum bottom werden und aus dem Bottom-Paar ein Zerfallskanal werden in dem doch zwei gleiche Myonen herauskommen. Oder zwei Antimyonen. Und! Da die Übergänge von Welt nach Antiwelt nicht genau gleich sind, sollten mehr negative Myonenpaare auffindbar sein als positive Paare.
Also ran an die Arbeit! Wir zählen ab: N++ Antimyonen-Paare und N— Myonen-Paare. Dann berechnen wir die Zahl
A = (N++ – N—) / (N++ + N—)
als Maß für die Asymmetrie. Das Standardmodell gibt einen Wert von ungefähr -0.00023 vor.
Unzählige Berechnungen später fällt dann eine Zahl als Ergebnis ab:
A = -0.00957 +- 0.00251 (stat) +- 0.00146 (syst)
Signifikant anders als im Standardmodell, und um einen Faktor 50 höher!
Jetzt heißt es aber abwarten. Ein Ergebnis ist kein Ergebnis, jetzt müssen weitere Datenanalysen, vielleicht anderer Zerfallsarten, sicher aber von anderen Experimenten wie CDF oder LHCb, dieses Ergebnis bestätigen und verfeinern. Aufregend ist es aber allemal, vielleicht ist das ein Schritt zu neuer Physik!
Kommentare (9)