Experimente zu Dunkler Materie versuchen, Atome in einem Festkörper sehr genau zu beobachten. Sie wollen genau sehen, wann Atome von einfallenden Teilchen angerempelt werden, und dann genau bestimmen welches Teilchen es war. Vielleicht war es ein WIMP – ein Kandidat für Dunkle Materie. Es gibt und es entstehen dazu zahlreiche Experimente. Leider scheinen sich einige davon jetzt selbst ein wenig im gegenseitigen Anrempeln zu üben.

Als wir die Experimente um Dunkle Materie zum letzten Mal betrachteten, freuten wir uns um ein schwaches, aber mögliches Signal von zwei Ereignissen durch Dunkle Materie bei CDMSII. CMDSII sieht sich hauptsächlich einen Sektor an, in dem man etwas schwerere Dunkle Materie erwartet, der auch theoretisch von mehr Modellen vorhergesagt wird. Es könnte aber auch sein, dass Teilchen der Dunklen Materie eine geringe Masse von nur einigen GeV haben. Ein neues Experiment XENON100, hat jetzt erste Ergebnisse ziemlich schnell “herausposaunt”. Sie behaupten dass sie bereits genug gemessen zu haben, um andere Ergebnisse anzugreifen. Ergebnisse zweier anderer Experimente, die mögliche Spuren von Dunkler Materie gesehen haben.Der Knackpunkt: Sie basieren diese Ergebnisse auf eine Messreihe von nur 11 Tagen.
Da kratzt man sich erstmal am Kopf: Schließlich messen andere Experimente Monate und Jahre, um ein paar Punkte zu bekommen. Ob das eine ausreichende Statistik ist?

Ist es nicht, und überhaupt. Sagen jetzt jedenfalls die anderen beiden Experimente.

Wir sprechen da von DAMA, kurioserweise einem Nachbarn von XENON100 in der Gran Sasso-Mine. Wenn ich ja jetzt noch den Artikel über italienische Wissenschaft finden würde…
DAMA jedenfalls sieht seit über einem Jahrzehnt ein Signal das sie als Dunkle Materie interpretieren. Ein Signal sehen sie, das wird auch nicht bezweifelt. Aber ob sie wirkliche leichte Dunkle Materie sehen?

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Das ist, was sie detektieren: Ein Jahresgang in den unerklärten Ereignissen. Die Idee ist, dass je nachdem, wo sich die Erde auf ihrer Umlaufbahn befindet, sie unterschiedlich stark von Dunkler Materie getroffen wird. Allerdings ist nicht klar, ob das gemessene Signal wirklich von Dunkler Materie stammt. Die Ergebnisse sind umstritten. Vor allem, weil andere Experimente diesen Jahresgang nicht sehen – aber wohl leider auch weil DAMA nicht so viel Zugang zu ihren Methoden und Daten gewährt, wie man für eine unabhängige Überprüfung bräuchte. Das geht natürlich überhaupt nicht! Es könnte so etwas Banales sein wie ein Temperaturgang in Kombination mit einem nicht ausreichend kalibrierten Detektor. Allerdings wird DAMA seit Jahren beständig erweitert und hat eben erst wieder neue Ergebnisse der aktuellen Inkarnation DAMA/LIBRA publiziert.
Das zweite angegriffene Experiment ist CoGeNT, ein Nachbar von CDMSII in der Soudan-Mine. Und auch CoGeNT hat nach erstaunlich kurzer Messdauer, aber immerhin 59 Tagen, Ergebnisse veröffentlicht. Sie sehen viele viele Ereignisse bei leichten Massen – aber geben selbst zu dass es auch ein noch nicht erkannter radioaktiver Zerfall aufgrund schlechterer Abschirmung sein könnte (im vergleich zu CDMSII).

Aber jetzt ist XENON100 hineingeplatzt und hat wohl ziemlich überzeugt bekannt gegeben, dass sie bereits ausschließen könnten, dass DAMA und CoGeNT etwas gesehen haben. Zwar haben sie einen sensitiveren Detektor, und bei leichten Massen müsste es – wenn dort Dunkle Materie ist – mehr Zusammenstöße geben. Aber mit nur 11 Tagen Daten so etwa szu behaupten, ich weiß ja nicht. DIe anderen auch nicht. Im Gegenteil. Kommentare von DAMA un CoGeNT bezweifeln die Messungen. Sie bezweifeln, dass der Xenon-Detektor überhaupt wie versprochen messen kann, und fordern sogar dass die Veröffentlichung zurückgezogen wird. Die Reaktion von XENON100 darauf war schroff:

But Elena Aprile, spokesperson for XENON100, thinks Collar’s claims about efficiency are wrong. “For me the best answer is not in words but in measurements,” she explains. “I understand that he feels not too good about our results, [and] in the end he can say all he wants, but there is simply no sign of hypothetical 7 GeV WIMPs in our data, and we state that very clearly. It is not about [the detector efficiency], on which they dwell for most of their response with some misleading and arbitrary statements. There is absolutely no reason why we should consider McKinsey data more than our own.”

Das finde ich doch seltsam. Denn um die Messung zu bewerten, muss man doch erst schauen ob das Experiment und die Methode plausibel sind. Und eben das bezweifeln die anderen und sagen auch, dass dort unzulässige Annahmen drin stecken. Nur – ihre eigenen Ergebnisse sind auch wacklig.
Bleibt für uns nur Abwarten, wie die jeweiligen Veröffentlichungen durch das Peer Review kommen. Und dann, was die weiteren Experimente zeigen werden. Wir befinden uns womöglich an der Schwelle zu einer bahnbrechenden Entdeckung, Nobelpreise winken. Da werden eben auch mal die Ellbogen ausgepackt – aber auf der anderen Seite wird nur eine überzeugende, nachvollziehbare, robuste Messung anerkannt werden. Ich vermute, dass die Kollaborationen mit den Schnellschuss-Veröffentlichungen ihr Revier markieren, um dann zu hoffen als erster Entdecker genannt zu werden wenn robuste Ereignisse nachkommen.

/Nachtrag: CoGeNT hat anscheinend den DAMA-Jahresgang reproduziert. Uh. Spannend!


Kommentare (3)

  1. #1 TheBug
    05/22/2010

    Es menschelt in der Teilchenphysik 🙂

    Manchmal frage ich mich, ob man nicht die Suche nach dem Bogon endlich verstärken sollte, also dem Teilchen aus dem sich theoretisch Blödsinn zusammensetzt.

  2. #2 Walter Orlov
    05/22/2010

    Spannendes Krimi. Wenn es so weiter geht, kratzen die Forscher noch die Augen bei einander aus 🙂

  3. #3 perk
    05/30/2010

    oha.. n interessantes neues licht.. ich hatte mich schon gewundert warum letztens ein autor in der wikipedia unbedingt nen link zu dama im dunkle materie artikel untergebracht sehen wollte 😉

    als ich da drüber geschaut hab sahen die nicht mehr oder weniger seriös aus als die ganzen anderen gran sasso detektierer.. und dass cogent das reproduziert zu haben scheint kann ich auch nur mit einem ehrfürchtigen “uh spannend” kommentieren 🙂