Jetzt ist es soweit! Etwas Neues vom LHC, das wirklich etwas Neues sein könnte. Neu in: Noch nie gesehen. Weltneuheit. Ein Klopfen an der Tür, das sagt: Euer Weltbild ist nicht komplett, und hier könnte ein weiteres Teil sein. Nachdem der LHC erfolgreich gestartet ist, jetzt fleißig Daten sammelt, alte Bekannte wiederentdeckt und langsam langsam das Statistikfass für eine mögliche Higgs-Entdeckung füllt, hat eine Untersuchung von Kollisionen im CMS, die besonders viele Teilchen erzeugt haben, einen Effekt gefunden der eine Erklärung verlangt.
Das Experiment CMS ist einer der großen Detektoren am LHC, der u.a. nach dem Higgs suchen soll aber auch viele andere Sachen finden könnte. In einem gestern vorgestellten Paper (PDF) sind jetzt Ergebnisse vorgestellt worden, die die Korrelationen zwischen erzeugten Teilchen in Proton-Proton-Kollisionen untersucht haben. Bei Kollisionen aus denen besonders viele Tochterteilchen entstehen, fand man eine neuartige Korrelation.
Wie man im Bild sieht, entsteht in einer solchen Kollision ein furchtbarer Wust aus Teilchen. Die Untersuchung bestimmt die Korrelationen zwischen den Winkeln, in denen die Teilchen fortfliegen.
Was ist eine Korrelation? Nun, wenn die schüchterne Maya an jedem Kindergeburtstag weniger Kuchen abbekommt, an dem der verfressene Vladislav teilnimmt, dann ist das eine Korrelation. Wenn eine Kollision stattfindet und immer auch Teilchen nach oben links wegfliegen wenn welche nach unten rechts wegfliegen, dann ist das eine Korrelation.
Etwas anspruchsvoller ausgedrückt bildet man die Korrelation in solch einem Plot als Höhe über den Winkeln ab:
Die beiden Winkel geben sozusagen Koordinaten im Detektor an, der ja im Wesentlichen zylinderförmig um den Strahl bzw. den Kollisionspunkt liegt. Der Plot ist so etwas wie eine entrollte Karte dieser Zylinderkoordinaten. (Bevor jetzt wieder einer meckert was das für seltsame Winkel sind, das sind die Pseudorapidität η als Winkel relativ zum Strahl, eine Zahl die von 0 bis unendlich läuft und der Azimutalwinkel Φ im Bogenmaß.)
Links im Bild ist die Welt in Ordnung. Der steile Berg entspricht dem Jet an Teilchen, der einer direkten Kollision von Bestandteilen des Protons entspricht (siehe auch das Blog von Jon Butterworth). Der Bergrücken ist der Ausgleich dazu, denn Energie und Impuls müssen ja erhalten bleiben.
Aber schaut man sich nur Kollisionen mit mehr als 110 Teilchen an, findet man einen neuen, kleinen Rücken (der Pfeil im rechten Bild zeigt drauf).
Es ist kein hoher Rücken, aber es ist ein deutliches Signal, und die Daten wurden im Juni erhoben. Seitdem hat man versucht, einen Fehler zu finden der das Signal erzeugen könnte. Man hat keinen gefunden, und so hat man das jetzt so veröffentlicht und sucht nach einer Erklärung, womöglich neuer Physik.
Vielleicht ist es “nur” ein ungerecht vernachlässigter Term in der Quantenchromodynamik, der Theorie die die Interaktion zwischen den Bestandteilen eines Protons untersucht. Vielleicht ist es aber auch ein neuer Materiezustand. Das wäre dann ein sehr heißer, sehr dichter Zustand aus Gluonen und Quarks. Ein solcher Zustand wäre nur sehr kurzlebig und kann nicht direkt beobachtet werden. Aber die Gluonen und Quarks könnten darin einer gemeinsamen Bewegung oder Schwingung unterworfen werden, die dann letztendlich für die Korrelationen verantwortlich ist. Der kleine Hügel im rechten Bild ist also unser Werkzeug, den kurzlebigen Zustand zu untersuchen. Ein dichter, heißer Materiezustand aus Gluonen und Quarks, das nennt man eigentlich Quark-Gluon-Plasma (QGP). Aber die Art QGP, die wir bereits untersucht und beschrieben haben, dürfte nicht in Proton-Proton-Kollisionen entstehen. Es braucht dazu schwere Kerne. Am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) hat man – er trägt die schweren Kerne ja im Namen – mit Goldkernen so auch Plasmen erzeugt und beobachtet. Am LHC plant man auch später GoldBleikerne einzusetzen, und der ALICE-Detektor ist eigentlich extra dafür zuständig, die QGPen zu untersuchen. Vermutlich waren die vorgestellten Messungen eigentlich auch nur gedacht, um den Untergrund zu messen, den man immer abziehen muss wenn man nach einem bestimmten Effekt sucht. Aber nun hat man eben etwas womöglich Neues gefunden – und jetzt muss man mehr Daten sammeln um bessere Statistik zu bekommen und wenn der Effekt real bleibt, dann müssen die Theoretiker ran und erklären. Ist es eine Korrektur der Theorie, oder ist es ein neuer Materiezustand? Oder ist es doch das Schwarze Loch das uns alle verschlingen wird? (Nein, der LHC ist nicht gefährlich. Das war ein Spaß!)
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