Martin hat für die Diskussion um geschlechtsneutrale Sprache eine Liste der beliebtesten Gegenargumente gebracht, eine Art Bullshit-Bingo der geschlechtsneutralen Sprache. Und da bei ihm Karl Mistelberger grade das letzte Kästchen vollgemacht hat, rufe ich: BINGO!
Glückwunsch an mich und Schande über die schlechten Argumente.
(1) the ‘cross-cultural’ arguments;
https://www.scienceblogs.de/geograffitico/2010/10/nochmal-sprachsexismus-maskulina-distanz.php
Jürgen Schönstein
Nach der Theorie, dass Worte die Konzepte formen (und nicht umgekehrt, wie ich behaupten würde), dürften Iraner (ich meine “männliche Iraner”), gerade wegen des jahrtausendealten Sprachgebrauchs, heute nicht in der Lage sein zu unterscheiden, ob sie ihrer Braut nun einen Ring oder einen Armreif überstreifen sollen, und sie versuchen dann auch verzweifelt, eine Eiskremtüte in der Ellenbeuge zu halten .
(2) the ‘language is a trivial concern’ arguments;
Georgs Gesamtwerk, z.B.
Auf einem Planeten, wo das “Innen” ein schweres Problem ist (ich sag nur Unisextoilette), ist noch Hoffnung und kann es gar nicht so schlimm stehen.
aus dem gleichen Beitrag (auf Kommentare von Sb-Autoren kann ich nicht direkt verlinken)
(3) the ‘freedom of speech,/unjustified coercion’ arguments;
Es wird wohl immer gewisse Vorurteile gegen Geschlechter geben. Warum auch nicht? Diese müssen nicht negativ sein. Wer wird einem Dichter die Freude nehmen wollen, der Sonne das Attribut weiblich, wärmend, mütterlich usw. zuzuschreiben? Liebe Feministinnen und Feminister: Das steht euch nicht zu. Unterhaltet euch, schreibt euch wie ihr wollt, aber eure Meinung kann nicht die Prämisse für das Verhalten Dritter sein. Egal welchen Geschlechts diese sind.
(4) the ‘sexist language is not sexist’ arguments;
Jürgen Schönstein bei mir
Aber zu sagen, “die Sprache ist sexistisch” (genau das war die Ausgangsthese – “Der ganz normale Sexismus der deutschen Sprache”), haut voll daneben: “Die Sprache” ans ist nicht gut oder schlecht, nicht sexistisch oder feministisch – Sprache ist immer nur die Codierung dessen, was der Sprechende ausdrücken will.
(5) the ‘word-etymology’ arguments;
Was im Artikel nicht steht:
Das “man” in “mankind” ist etymologisch verwandt mit dem deutschen “man”.
Und das kommt m.W. ursprünglich vom indogermanischen Wort für “Mensch”.
(6) the ‘appeal to authority’ arguments;
Gleicher Kommentar, Fortsetzung
Vielleicht sollte zum Thema Sprache doch besser kein Physiker schreiben, sondern ein Germanist. (Oder natürlich eine Germanistin – ich verwendete hier das generische Maskulinum.)
Hier ist übrigens eine Stellungahme einer Germanistin zu diesem Thema: https://www.ulrichdevries.de/frauensprache.html
(7) the `change is too difficult, inconvenient, impractical or whatever’ arguments; and
Und jetzt noch etwas Ketzerisches: Würde man für das Geld, das -z.B. die DFG fürs „equal opportunity-Programm” oder manche (nicht alle!) Halbtagesstellen für Gleichstellungsbeauftragte- ausgegeben wird, für die Betreuung von Kindern durch Erzieher einsetzen, dann wäre allen Frauen und Mädchen mehr geholfen. Frauen wüssten ihre Kinder gut versorgt und könnten sich verstärkter der eigenen Karriere (so fern gewünscht) zuwenden und Jungs würden sehen, dass in vermeintliche (in der Vergangenheit) Frauenberufe auch richtig coolen Typen arbeiten. Und die Sprache würde sich auch mehr anpassen. Denn dann hätte man auf einmal auch mehr Kindergärtner und hoffentlich auch mehr Automechanikerinnen.
(8) the ‘it would destroy historical authenticity and literary works’
War es im Altertum ganz selbstverständlich, dass der Planet ein Geschlecht hatte (“Die Venus”, “Der Mars”, allerdings waren die meisten männlich) ist heute alles viel schwieriger geworden: Der Versuch vorzuschlagen, diese Tradition fortzusetzen wurde von einer Inne mit wüsten Beschimpfungen und Drohungen beantwortet.
und als Bonus
(9) Die Sprache diskriminiert doch vielmehr die Männer.
Was mir dazu noch merkwürdiges einfällt ist, dass negative Begriffe gerne nicht “gegendert” werden.
Bei Mörder, Dieb, Steuerhinterzieher, Verkehrssünder und Ähnlichem bleibt der Begriff meist männlich in Reinform, auch wenn Frauen mit gemeint sind oder das geschlecht unbekannt ist.
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