Es war ein verdammt erfolgreiches Jahr für den LHC. Nachdem die Maschine endlich gestartet ist, hat sie die realistischen Anforderungen bereits Mitte Oktober erfüllt und die Anzahl Kollisionen in den folgenden zwei Wochen nochmal verdoppelt! Aber nun ist es Zeit, die bislang verwendeten Protonen einzumotten und stattdessen Blei-Ionen zu beschleunigen. Voller Kurs Quark-Gluon-Plasma!
Es ist noch Suppe da
Unsere beste Theorie für die Starke Wechselwirkung, die die Bausteine der Atomkerne zusammenhält, ist die Quantenchromodynamik (QCD). Sie sagt zunächst überraschende Dinge für die Stärke dieser Kraft vorher: Nämlich dass sie auf sehr kleinen Distanzen quasi verschwindet. Das nennt man asymptotische Freiheit. Die Bestandteile der Atomkerne, die Nukleonen (Protonen und Neutronen), sind ihrerseits aus Quarks und Gluonen aufgebaut. Quarks existieren niemals alleine, das ist das andere Ende der Starken Wechselwirkung: Dass nämlich bei größeren Entfernungen die Starke Wechselwirkung so stark wird, dass es energetisch sinnvoller ist zusätzliche Quarks zu erzeugen. Der Kleister, der die Quarks zusammenhält sind die Gluonen, sie übermitteln die Starke Wechselwirkung.
Das Innere eines Nukleon kann man sich als Kompromiss im Kräftegleichgewicht vorstellen: Die Gluonen erzeugen gerne weitere Gluonen (oder Quarkpaare), aber die zur Verfügung stehende Energie kann nicht unendlich wachsen. So ein Nukleon ist also ein zusammengekleisterter Ball aus Gluonen und Quarks.
Bei höheren Temperaturen allerdings sollte sich der Kleister auflösen, und wir hätten eher eine Suppe von Gluonen und Quarks. So ganz genau verstanden haben wir die Starke Wechselwirkung aber nicht, weswegen wir unsere Vorhersagen was passiert überprüfen möchten. Das hilft nicht nur die Starke Wechselwirkung zu verstehen, außerdem lernen wir dadurch etwas über eine frühere Phase des Universums, in der die Temperatur hoch genug war dass das ganze Universum ein Topf Quark-Gluon-Suppe war.
Eintopf mit Blei-Einlage
Alle diese physikalischen Größen verknüpfen sich in einer Kollision in einem Teilchenbeschleuniger. Genau betrachtet ist ein Beschleuniger nur ein gewaltiges Mikroskop, denn je höher die Energie ist die man der Kollision gibt, desto kleinere Teilchen und Distanzen beobachtet man. Und Temperatur ist nichts anderes als die mittlere Energie – wenn man also im LHC höhere Energien denn je zuvor erzeugt schaut man sich kleinere Distanzen und höhere Temperaturen als je zuvor an.
Das Bild zeigt eine Kollisionen von Gold-Ionen im STAR-Detektor des Relativistic Heavy Ion Colliders (RHIC) in Brookhaven. Dieser Beschleuniger erzeugte als erster ein Quark-Gluon-Plasma. Es war jedoch, anders als erwartet, eher eine Flüssigkeit als ein Gas. Das bedeutet, die Starke Wechselwirkung war noch nicht so vernachlässigbar, dass man keine Interaktion mehr zwischen den Teilchen gehabt hätte wie in einem Gas.
Der LHC wird seit gestern mit Bleikernen betrieben, und jetzt ist die große Stunde des ALICE-Experimentes. Dieses ist nämlich extra darauf ausgerichtet, Quark-Gluon-Plasmen zu beobachten. Und wenn der Sand aus meinem Diplomarbeitsexperiment nicht zu sehr in einem Teil des Detektors festsitzt, wird ALICE darüber befinden können, ob sich die Plasmen bei höheren Temperaturen als im RHIC eher wie ein Gas verhalten – also ob die asymptotische Freiheit wirklich hergestellt ist.
Warum Blei?
Was ist jetzt aber der Sinn davon, nicht mehr die Protonen zu verwenden wie bisher im LHC, sondern mühsam eine andere Art Teilchen vorzubereiten, nämlich Bleikerne? Während Protonen besser geeignet sind, um direkte Treffer zwischen Kernbestandteilen zu bewirken, also besser im Erzeugen neuer Teilchen sind (da die gesamte Energie in eine Kollision konzentriert wird), wollen wir für das Plasma doch gerade eine heiße Suppe an Quarks und Gluonen haben. Also beschleunigen wir einen ganze Gruppe an Protonen und Neutronen auf einmal, haben also sehr viel mehr Energie zur Verfügung, und batschen dann zwei dieser Kerne zusammen. So erzeugen wir, mit Glück, sehr kurz einen heißen Zustand den wir als QGP identifizieren und untersuchen können.
Warum aber gerade Blei? Nun, prinzipiell tut es jeder schwere Kern, und am CERN hat man seit 1994 in früheren Beschleunigern bereits Blei verwendet und damit Erfahrung gewonnen. In Brookhaven hatte man mehr Erfahrung mit Goldkernen, daher hat man dort eben Gold kollidiert. Keine sehr viel tiefgehendere Bedeutung.
Die Bleikerne bereitet übrigens @BigBen_reloaded Detlef Kuchler vor, wie man hier im CERN-Bericht sieht. Das sehr reine Blei wird dann installiert:
Das Blei wird erhitzt, sodass einzelne Bleiatome verdampfen. Die verdampften Atome werden in einer Ionenquelle (ECRIS) einiger Elektronen beraubt und in einen ersten Linearbeschleuniger, den LINAC3, eingeleitet werden. Unterwegs in der Beschleunigerkette werden die Bleiatome mehrmals durch Folien geschickt, die ihnen die Elektronen klauen, sodass man am Ende mit Bleikernen da steht. Die Beschleunigerkette nach LINAC3 durchläuft noch drei weitere Beschleuniger, LEIR, PS und SPS, bevor es in den LHC geht.
Dass man eine Kette von Beschleunigern braucht, hat damit zu tun dass der jeweils höhere Beschleuniger eine gewisse Anfangsgeschwindigkeit braucht um die Teilchen stabil führen und dann beschleunigen zu können.
Nachdem in dieser Nacht die Injektion vorbereitet wurde, hat man auch schon zwei Strahlen stabil kreisen lassen. Klar, erst muss alles vorbereitet und schrittweise getestet werden, bis man es krachen lassen kann. Aber bald wird es soweit sein! Wie immer kann man sich hier immer live ansehen, was gerade im LHC und den Experimenten passiert.
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