Seit 3 Wochen steht er erst einmal still, der Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum CERN. Tief unter der Erde haben sich dort im hochfrequent-freizügigen Grenzverkehr zwischen Frankreich und der Schweiz Protonen- und Bleikernbündel im Kreis bewegt und manchmal auch getroffen. Die gesamte bisher bekannte Teilchenphysik wurde bereits wiederentdeckt, und seitdem die Bleikerne kreisen hat es auch schon neue Entwicklungen in der Erforschung des Quark-Gluon-Plasma (QGP) gegeben, die sehr rasant publiziert worden sind. (Am 25. November ein Paper zu Daten einreichen die frühestens seit dem 5. November verfügbar wurden, und das dann am 26. November publiziert wird, das würde ich auch mal gerne schaffen.) Die ganze Latte an Papern des LHC in diesem Jahr findet ihr hier.
Das letzte Ergebnis ist die direkte Bestätigung eines vorher nur indirekt am RHIC gesehenen Effektes: Des Jet Quenching (arXiv-paper).
Kein Flugzeug und doch ein Jet
Was Jets sind, ist nicht schwierig zu verstehen. Bei einer Kollision treffen sich zwei Teilchen, aktuell waren es Bleikerne, und aus der massiv hohen Energie die die beiden tragen können unzählige neue Teilchen entstehen.
Jetzt stellt euch aber mal vor, ihr würdet einen großen Asteroiden, der auf die Erde zuhält, mit einer Atombombe sprengen (Hu – das wäre mal ein Filmplot…). Gefahr gebannt? Nö, statt einem Teil würden dann 27 auf die Erde zuhalten. Ihr hättet nämlich die Impulserhaltung vergessen, quasi den Bewegungsdrang den der Asteroid mitbringt. Und der ist nunmal gerade auf die Erde zu. Und so werden die Bruchstücke vielleicht ein wenig auseinanderdriften, also dann mehr ein Kegelvolumen ausfüllen als eine einzelne Fluglinie, aber die grundsätzliche Bewegungsrichtung wird bleiben. Genauso sieht es auch in Teilchenkollisionen aus. Zumindest bei sehr zentralen Treffern werden die neu entstandenen Teilchen bevorzugt in die ursprüngliche(n) Bewegungsrichtung(en) weiterpreschen – daher hat man zwei Feuerwerke von Teilchen – diese nennt man eben “Jet”.
Gefressene Jets
Es sollte also so etwas wie in diesem Bild zu beobachten sein:
Die Achsen in der Ebene stellen die Winkel des Detektors dar. Stellt euch einen aufgeklappten Zylinder vor, und die Position der Türmchen markiert wo die Detektoren etwas gesehen haben. Die Höhe der Türmchen zeigt die eingefangene Energie an, es gibt also klar zwei enge Gipfel, die den Jets entsprechen.
Stellt euch jetzt vor, so ein Jet sei wie ein Schuss einer Schrotflinte, der eine ganze Ladung kleiner Partikel in Richtung (Ton)Taube abfeuert – ähnlich wie ein Jet. Jetzt schießt ihr auf eine Wassertonne. Was passiert? Das Schrot wird abgebremst und kommt gar nicht durch die Tonne. Die Flüssigkeit verteilt die Energie des Schuss.
jetzt wissen wir aber seit dem RHIC, und der LHC hat die Beobachtung gerade erst bestätigt und vertieft, dass ein Quark-Gluon-Plasma wie eine Flüssigkeit aus Quarks und Gluonen ist. Der Effekt, der zum ersten Mal direkt beobachtet werden konnte, ist dass ein Jet durch die Interaktion mit dieser Flüssigkeit geschluckt oder stark unterdrückt werden kann (das nennt man “Jet Quenching”):
Ganz klar nur noch ein Turm. Dass darunter eine ganze Landschaft an kleinen Erhebungen liegt, zeigt auch schön, dass in solchen Kollisionen Unmengen an Teilchen entstehen, aus denen man die Jets erst einmal herausbasteln muss (Dabei hilft natürlich solch ein Plot) – die überraschend hohe Anzahl an neuen Teilchen ist ebenfalls eine der neuen Erkenntnisse.
Jetzt noch eine Bemerkung zu der ungemein schnellen Publikation der Ergebnisse – das erste Paper kam schon eine Woche nach dem Umstieg auf Bleikerne. Ein Paper in PRL wurde ohne Review direkt veröffentlicht. Konkurrenz zu anderen Teilchenbeschleunigern gibt es nicht, und die Theoretiker haben jetzt so lange gewartet, da können sie sicher auch noch etwas länger warten. So ein Paper durchläuft in der Regel natürlich intern in den Kollaborationen mehrere Reviewprozesse, sodass ein externes Review vielleicht nicht mehr der größte Gewinn ist. Außerdem steht die Auswertungsmaschinerie bereit, sodass die Veröffentlichung neuer Messdaten wohl nicht die schwierigste denkbare Aufgabe ist. Aber dennoch, warum diese unglaublich kurzen Zeiten? Die Antwort ist, dass es eine starke Konkurrenz der Experimente untereinander geben muss, und z.B. beim Jet Quenching ATLAS gegen CMS gewonnen hat. Da frage ich mich aber doch, ob das wirklich nötig ist. Klar tauschen sich die Kollaborationen später untereinander aus und bestätigen sich gegenseitig ihre Ergebnisse – aber vielleicht sollte man doch zuliebe größerer Ruhe und womöglich Gründlichkeit den Konkurrenzkampf etwas zurückfahren und sich lieber gemeinsam über neue Ergebnisse freuen.
So wie beim Seminar Anfang des Monats, in dem drei Experimente ihre Ergebnisse aus den Bleikern-Läufen vorstellten.
Klar, die Anerkennung bekommt üblicherweise der erste Entdecker ab, und außer diesem “Ruhm” und dieser “Ehre” ist in der Wissenschaft nicht viel zu holen. Aber ich kann nur hoffen, dass dieser übertriebene Drang zur ersten Publikation nicht zu vermeidbaren Fehlern führt.
Schließlich – im Februar 2011 wird der LHC weiterlaufen, dann bei 8 TeV. Fürs nächste Jahr stehen die ersten Anzeichen neuer Physik bevor, soweit lehne ich mich einfach mal aus dem Fenster. Das oder die Higgse (wenn es doch drei werden, können wir sie ja Higgs, Brout und Englert nennen), Supersymmetrie, all das ist in Greifweite. Aber da 2012 erst mal großes Umbauen und Reparieren angesagt ist, wird es bis zur physikalisch soliden Bestätigung dieser neuen Teilchen 2014 werden.
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