Die Unterrepräsentation von Professorinnen in naturwissenschaftlichen Fächern ist unübersehbar: An amerikanischen Universitäten sind lediglich 15.8 % der Tenure-Track Positionen von Frauen besetzt, und weniger als 10 % der vollen Professorenstellen. In einer neuen, frei zugänglichen Literaturstudie in den renommierten PNAS (PDF) kommen jetzt Stephen Ceci und Wendy Williams zum Schluss, dass es neue Herausforderungen gibt, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen und dass Arten der Diskriminierung in Veröffentlichungen, Anträgen und Bewerbungen nicht (mehr) existieren.
Ceci und Williams überprüfen auf die Mathematik-schweren Fächer bezogen die Annahmen, dass gegen Frauen diskriminiert wird, wenn sie Autor eines Papers sind, wenn sie einen Antrag auf Forschungsgelder stellen oder wenn sie um eine Stelle interviewt werden. Diese Diskriminierung existiert in vielen Bereichen (z.B. die berühmte “gläserne Decke” in Firmen), daher ist es legitim speziell zu schauen wie dies in mathematischen Fächern steht.
Publikationen
In Sachen Veröffentlichungen ist interessant herauszufinden, wie viele Paper von Frauen veröffentlicht werden (als Erstautor), und auch ob es in der Begutachtung der Paper im Reviewprozess eine Benachteiligung von Frauen gibt. Dazu gab es Studien beispielsweise von A. Budden; in einer davon wurde eine höhere Ablehnungsrate beobachtet, wenn eine Frau Erstautor war. Die Statistik dieser Studie wurde allerdings kritisiert, und Budden selbst konnte Studien durchführen, die keinen Unterschied fanden, egal ob Erstautor oder Erstautorin. Cecu und Williams resümieren, dass keine Diskriminierung gegen Frauen als Erstautor (mehr) vorliegt; entscheidet ist, nur Autoren mit ähnlichen verfügbaren Ressourcen zu vergleichen.
The preponderence of evidence, including the best and largest studies, indicates no discrimination in reviewing women’s manuscripts: Given equivalent resources, men and women do equally well in publishing
Auch wenn sie es nicht klar sagen, lese ich den Vorwurf eines reporting bias aus dem Text heraus: Dass einzelne Studien die eine Diskriminierung fanden, mehr zitiert wurden als gegenteilige Studien. Diese einzelnen Studien seien aber nicht reproduziert worden.
Es existiert aber, und das ist ganz wichtig, eine Diskriminierung: Frauen besetzen eher Positionen, in denen ihnen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Gründe dafür seien vor allem soziale und biologische: Kindererziehung, Sorge um (ältere) Verwandte, Umziehen mit dem Partner und geographisch begrenzte Jobsuche. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns annehmen müssen um das Gleichgewicht herzustellen. Um einen Satz zu paraphrasieren, den ich kürzlich von einer Doktorandin gehört habe: “Ich will nicht unbedingt als Postdoc weitermachen, weil die meisten meiner Professorinnen Hunde statt Kindern haben.”
Anträge und Bewerbungen
Anträge auf öffentliche Fördermittel (z.B. NIH in den USA oder DFG in Deutschland) prägen die Karriere von Wissenschaftlern spätestens nachdem sie einige Zeit Postdoc sind. Auch hier ist die Situation wieder ähnlich: Erste Studien fanden Hinweise darauf, dass Antragstellerinnen schlechter abschnitten als ihre Kollegen. Aber immer größere und bessere Nachfolgestudien, zuletzt eine Analyse von mehr als 100000 Anträgen an NIH über ein Jahrzehnt, konnten keine systematische Benachteiligung von Frauen in Anträgen feststellen. Wieder ist festzuhalten, dass die Situation vor einigen Jahrzehnten anders ausgesehen haben kann – Maßnahmen zur Beseitigung dieses Ungleichgewichtes waren wohl wenigstens in den Naturwissenschaften erfolgreich!
Bei den Bewerbungen kommen Ceci und Williams zu vergleichbaren Schlüssen: Historisch wurden Frauen bei Bewerbungen benachteiligt und weniger gut bezahlt. Heute scheint es so zu sein, dass Frauen zwar im Schnitt schlechter bezahlt sind, aber deswegen weil sie im Schnitt auch eher die schlechter bezahlten Positionen besetzen – etwa Stellen mit viel Lehrverantwortung. Die Gründe sind wieder wie oben, soziale und biologische. Eine aktuelle Studie des NRC fand gar, dass Frauene etwas öfters zu Interviews eingeladen würden und etwas höhere Chancen hätten, Stellen dann auch zu erhalten.
Diskussion
Dass die Studie von Ceci und Williams ein heißes Eisen ist und heiß diskutiert werden wird, ist wohl jedem klar. Ich würde gerne mal einen Vergleich zu anderen Bereichen sehen, irgendwo ist das ja doch eine angenehme Vorstellung, dass in den Naturwissenschaft Fortschritte gegen Diskriminierung erzielt wurden. Worauf wir uns mit Sicherheit einigen können ist aber, dass die Bewältigung der sozialen und biologischen Faktoren die unbedingte Aufgabe unserer Generation ist.
To the extent that women’s choices are freely made and women are satisfied with the outcomes, then we have no problem. However, to the extent that these choices are constrained by biology and/or society, and women are dissatisfied with the outcomes, or women’s talent is not actualized, then we most emphatically have a problem.
Das klingt von Ceci und Williams nach dem Samthandschuh – ich würde da eher nachfragen, in wie weit man überhaupt eine “freie Wahl” erwarten könne, wenn offensichtlich das kulturelle Frauenbild so diskriminiert, und nur 10 % der Professorenstellen von Frauen besetzt sind…nun gut…
Die Studie schließt mit Empfehlungen, wie man weiter vorgehen könne. Mädchen sollten mit realistischen Vorbildern und Karriere-Informationen konfrontiert werden, um nicht das Feld der “inorganischen” Fächer wegen falscher Vorstellungen zu meiden (Die Vorstellung von der Arbeit mit Menschen gegenüber der an Dingen).
Der Karriereweg hin zur Professur benachteiligt klar Frauen, die wagen sich vorzustellen, ein Leben außerhalb des Labors oder Büros zu haben. Das ist natürlich ein aktuelles, gesamtgesellschaftliches Problem; aber innerhalb der Förderkriterien könnte dies auch berücksichtigt werden, z.B. ein Pausieren auf dem Tenure Track zur Familiengründung (das ist mehr US-spezifisch), zusätzliche Fördermittel zur Verlängerung von Förderphasen und zur Einstellung von Vertretungen während der Familienzeit, spezielle Fördermittel zur Wiedereingliederung oder die begünstigte Einstellung von Paaren – kurz gibt es ein großes Arsenal an Mitteln, die hier von den fördernden Agenturen und Gesellschaften implementziert werden könnten.
Um die Balance in der Geschlechterverteilung in höheren akademischen Positionen wiederherzustellen, scheint es wichtig zu sein dass Universitäten und Geldgeber zusammenarbeiten und anerkennen, dass ein linearer Karrierepfad zur vollen Professur nicht der einzige Weg sein muss.
Ceci, S., & Williams, W. (2011). Understanding current causes of women’s underrepresentation in science Proceedings of the National Academy of Sciences DOI: 10.1073/pnas.1014871108
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