Sam Harris ist eine der Frontfiguren der weltweiten atheistischen Anstrengungen. Er ist ein verdammt kluger Denker und kann messerscharf und aufs Wesentliche argumentieren. Umso erschütternder und gefährlicher ist es, wenn jemand wie er sein Privileg als weißer Mann heraushängen lässt und in ungefilterten Rassismus verfällt, wobei noch nicht mal stimmt was er behauptet wozu es gut sei. In einem neuen Blogpost “In Defense of Profiling” ist er genervt davon, dass auch Weiße von der TSA schikaniert werden. Doch statt der naheliegenden Schlussfolgerung – dass das gesamte Sicherheitstheater eben nur ein große Show ist, fordert er, doch Menschen mit anderer Gesichtsfarbe auszusondern, denn das seien ja schließlich die Terroristen. Der Artikel ist von vorne bis hinten so schlimm, dass es sich schon lohnt, etwas genauer hinzuschauen:

Much has been written about how insulting and depressing it is, more than a decade after the events of 9/11, to be met by “security theater” at our nation’s airports. The current system appears so inane that one hopes it really is a sham, concealing more-ingenious intrusions into our privacy.

Genau so ist es. Die ganze Kiste ist eine einzige große Schaunummer um Sicherheit vorzuspiegeln, und adressiert ja noch nicht mal die Ursache der Anschläge vom 11. September 2001: Dass die USA systematisch und mit Gewalt die Politik der Welt bestimmt.

The spirit of political correctness hangs over the whole enterprise like the Angel of Death–indeed, more closely than death, or than the actual fear of terrorism. And political correctness requires that TSA employees direct the spotlight of their attention at random–or appear to do so–while making rote use of irrational procedures and dubious technology.

Der “Geist der politischen Korrektheit” ist in diesem Fall auch als “fundamentale Menschenrechte” bekannt, aber daran stört sich Sam Harris offenbar.

Although I don’t think I look like a jihadi, or like a man pretending not to be one, I do not mean to suggest that a person like me should be exempt from scrutiny.

a) Ist es die Aufgabe der TSA, ‘Jihadi’ zu verhindern? Ist das tatsächlich die einzige Gefahr, oder gibt es in einem Land, in dem 90 Waffen auf 100 Menschen kommen und es jede Menge bekloppte gibt die wahlweise die Regierung oder nur Teile davon wegsprengen möchten, auch andere Hautfarben, die gefährlich sein könnten?

b) Wie sieht denn ein ‘Jihadi’ aus? Dunklere Hautfarbe, Turban, Koran unterm Arm? Hat Sam Harris wirklich ein derart einfaches Weltbild, in dem ‘Jihadi’ – wer so genau das jetzt auch sein soll, ein gewisses Aussehen haben? Anscheinend, denn seine Lösung umfasst genau das: Spezielles Profiling von Muslimen. Denn: ‘Jihadis’ sind alle Muslime, daher erfasst man alle ‘Jihadi’, wenn man Muslime untersucht. So einfach ist das Weltbild eines Rassisten.

c) Ach wie gönnerhaft, dass der Herr Weißes Gesicht sich bereit erklärt, auch ein bisschen angeguckt zu werden. Aber die Muslime doch bitte mehr, damit man nicht unnötig alte Menschen oder dreijährige Mädchen untersucht. Und wie bitte erkennt man Muslime? Ist ja nicht so, als ob man jemanden die Religion ansieht. Sam Harris will nicht Muslime untersuchen lassen, sondern Menschen mit der Hautfarbe, die die meisten Menschen aus mulsimischen Ländern haben. Dazu zählen dann auch Inder, dazu zählt ein türkischstämmiger Deutscher, dazu zählen Leute die Muslim sind weil sie aus einem Land wie Iran kommen in dem man mit dem Hals in der Schlinge an einem Baukran ermordet wird, wenn man kein Muslim ist.

Genau das passiert ja tatsächlich. Aber die Tatsache, dass vierjährige Mädchen unter Androhung, den Flughafen zu schließen begrabscht und traumatisiert werden und 80jährige gezwungen werden, ihre Schuhe auszuziehen hängt nicht mit ihrer Hautfarbe zusammen. Sie hängt damit zusammen, dass ein gewaltiger Apparat im Namen eines nebulösen Sicherheitsbegriffs frei wuchern darf und mit dumpfer Befehlskette versucht, komplexe Probleme zu lösen.
Wie Bruce Schneier so schön argumentiert, haben nur zwei Maßnahmen Fliegen sicherer gemacht: Verstärkte Cockpit-Türen und das Wissen, dass man sicher wehren kann.

Im folgenden lässt Harris dann sein eigenes Argument, dass Flughafenkontrollen nicht diskriminieren, zusammenfallen:

I have noticed such incongruities before. In fact, my wife and I once accidentally used a bag for carry-on in which I had once stored a handgun–and passed through three airport checkpoints with nearly 75 rounds of 9 mm ammunition. While we were inadvertently smuggling bullets, one TSA screener had the presence of mind to escort a terrified three-year-old away from her parents so that he could remove her sandals (sandals!).

a) Erstmal, was zur Hölle macht Sam Harris mit einer Waffe und 75 Kugeln im Gepäck? Nach Harris eigener Logik müssten somit Weiße stärker untersucht werden, da sie oft mit Waffen im Gepäck fliegen.

b) Ist das Argument, dass undiskriminiert untersucht wird, somit schon mal nicht haltbar. Wäre ein Pakistani mit einer Waffe im Gepäck genauso sicher durchgekommen? Und wenn es aufgefallen wäre, wem wäre es dann schlechter ergangen?

c) Ist auch das Argument, dass die Untersuchung von Kindern eine Folge der ‘politisch korrekten’ Behandlung aller Fluggäste sei unhaltbar. Stattdessen ist es offensichtlich eine Auswirkung schlecht geschulter Befehlsempfänger_innen in einem unmenschlichen System. Selbst wenn alle Hautfarben oder Staatsangehörigkeiten gleich untersucht werden müssten, wäre das noch immer kein Grund Kinder oder Rentnern nicht ein wenig mehr entgegen zu kommen.

Needless to say, a glance at the girl’s family was all one needed to know that they hadn’t rigged her to explode.

So einfach ist das. Sieht man doch.

Is there nothing we can do to stop this tyranny of fairness?

Nochmal, welche Fairness? Die, dass Sam Harris mit anderthalb Kilo Munition nicht untersucht wurde, aber ein kleines Mädchen? Dass der Inder, der ‘den Bösewicht in einem Bollywood-Film spielen könnte’ aussehen darf, als ob er ‘sich keine Gedanken machte’?

Imagine how fatuous it would be to fight a war against the IRA and yet refuse to profile the Irish? And yet this is how we seem to be fighting our war against Islamic terrorism.

Welche Hautfarbe hatten nochmal Iren?

Granted, I haven’t had to endure the experience of being continually profiled. No doubt it would be frustrating. But if someone who looked vaguely like Ben Stiller were wanted for crimes against humanity, I would understand if I turned a few heads at the airport.

Und da kocht der reiche weiße Privileg endgültig über. Tatsächlich, Sam Harris, du hast keinen Schimmer was es heißt, diskriminiert zu werden. Daher wäre die einfache Schlussfolgerung, die Fresse zu halten und zuzuhören. Aber nein, stattdessen verniedlichst du die Tatsache, dass du forderst alle Muslimen auszusondern mit der unterhändigen Selbstkompliment, dass du wie Ben Stiller aussiehst. Und der Implikation, dass die Gruppe der Menschen die wie Ben Stiller aussehen in etwa so groß ist wie die der Muslimen. Dass die hypothetische Suche nach einem einzelnen Kriminellen mit einer Beschreibung seines Aussehens vergleichbar wäre damit, alle Muslimen speziell zu untersuchen weil einzelne im Namen der Religion zu Terroristen wurden und werden. Das ist, wiederum, purer Rassismus.
Und wie war das nochmal mit den Rentnern und dem Mädchen im Beispiel kurz zuvor? Was war das Problem, dass einige Leute ihren Kopf drehten oder dass die armen Leute unmebschlich belästigt wurden?

However, if I were forced to wait in line behind a sham search of everyone else, I would surely resent this additional theft of my time.

‘Everyone else’. Das ist die Essenz von Harris Argument: Sicherheitkontrollen wären so viel schneller, wenn wir einfach nur die Terroristen untersuchen. Wow, so einfach ist das, das braucht doch einen Weltdenker wie Harris um es zu bemerken!! Wieviel Zeit da verschwendet wurde, und dabei hätte man doch einfach nur die ‘Jihadi’ untersuchen müssteb. Und wenn man halt nicht ganz so genau sein kann und auch die 99.99999999999% mit der gleichen Hautfarbe untersucht, die eben keine ‘Jihadi’ sind, oder ‘Jihadi’ sind aber an diesem Tag nur ihre Omma besuchen wollen, dann haben die ja sicher Verständnis dafür. Müssen ja nicht wie Ben Stiller aussehen wenn sie es nicht wollen. Sollen sich mal nicht so haben, die Museln.

We should profile Muslims, or anyone who looks like he or she could conceivably be Muslim, and we should be honest about it. And, again, I wouldn’t put someone who looks like me entirely outside the bull’s-eye (after all, what would Adam Gadahn look like if he cleaned himself up?) But there are people who do not stand a chance of being jihadists, and TSA screeners can know this at a glance.

Ja ich sags nur nochmal, nicht falls jemand noch denkt dass ich hier nur bewusst dumm argumentiere, um dann am Ende mit großem Knall die echte Botschaft herauszuarbeiten.

Needless to say, a devout Muslim should be free to show up at the airport dressed like Osama bin Laden, and his wives should be free to wear burqas. But if their goal is simply to travel safely and efficiently, wouldn’t they, too, want a system that notices people like themselves? At a minimum, wouldn’t they want a system that anti-profiles–applying the minimum of attention to people who obviously pose no threat?

Genau, natürlich dürft ihr euch anziehen wie Osama, aber dann wundert euch nicht, wenn der Weiße Mann eurer Burqa-Frau in den Schritt greift. Denn würde es euch nicht auch gefallen, wenn da wo ihr herkommt Menschen, die die traditionelle Kleidung westlicher Terroristen tragen (Jeans, Hemd), ausgesondert werden. Seht ihr, es ist gar keine Diskriminierung, es ist nur Anti-Diskriminierung für wichtige Menschen wie mich, Sam Harris, Autor von vielen bekannten Büchern.

Kommentare (18)

  1. #1 cydonia
    04/30/2012

    Auch wenn jemand grundsätzlich dazu in der Lage ist, seinen Verstand sinnvoll zu nutzen, so sind doch immer wieder Fälle zu beobachten, in denen tiefsitzende Vorurteile Positionen und Äußerungen zum Vorschein kommen lassen, die man lieber nicht gesehen hätte.
    Von den großen Vier scheint mir sowieso nur Dan Dennett die Weisheit zu besitzen, das Messer auch mal stecken zu lassen(respektive gelassen zu haben), und zu wissen, wann Schweigen die bessere Alternative wäre.
    Es ist eine Entgleisung, und zwar eine deutliche, von der er sich distanzieren müsste, um in den Augen derer, die seine Gedanken ansonsten schätzen, glaubwürdig zu bleiben.
    Wenn man öffentlich radikal atheistische Positionen vertritt muss man eben auch in anderen Gebieten ein bisschen klüger argumentieren als der Durchschnitt, weil eine solche Blöße gnadenlos von den Gläubigen ausgenutzt wird. Ich erwarte von Harris, dass er in diesem Bereich dazulernt, und sich in Zukunft etwas intensiver mit den eigenen Vorurteilen auseinandersetzt.
    Wir sind alle von unserer Umgebung geprägt, und schleppen auch alle Vorurteile mit uns herum(man muss sich nur bestimmte Gender-Debatten angucken, um sich davon zu überzeugen mit welch ungeheuerlichen Vorurteilen ansonsten kluge Zeitgenossen manchmal ausgestattet sind). Wenn jemand aber wirklich als klug gelten will, dürfen diese Vorurteile ein gewisses Maß nicht überschreiten, und der Wille, diese Vorurteile zu bearbeiten, sollte sichtbar sein. Sonst neige nicht nur ich dazu, alle sonstigen Aussagen nur unter Vorbehalt wahrzunehmen.
    Und Danke für dieses Beispiel. Es darf eben wirklich immer nur das gute und saubere Argument zählen. Und es darf auch keine Heiligen geben. Und es gibt eben auch keine.

  2. #2 Frank S
    04/30/2012

    Die Grundlage der Argumentation ist auch – vorsichtig formuliert – himmelschreiend naiv.

    Die Bedrohung ( ob nun real, eingebildet oder vorgetäuscht lasse ich hier mal außen vor ) besteht ja nicht darin, dass Menschen bestimmter Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen bedauerlicherweise spontan explodieren, wenn sie Flugzeugkabinen ausgesetzt werden.

    Die machen das absichtlich. Und auch wenn man mit gutem Grund ihre geistige Gesundheit und ihr Urteilsvermögen anzweifeln darf, ist es ziemlich töricht, sie für einfach nur dämlich zu halten.

    Genau das müssten solche Menschen aber sein, wenn sie – in vollem Wissen, dass sich das Sicherheitspersonal nur auf die konzentriert, die groß “böser Muslim” auf ihre Stirn tätowiert haben – mit dichtem Bart, wallendem weißen Gewand und Koran unterm Arm durch die Flughafenkontrolle wollen, mit Bomben im Rollkoffer.

    Ich halte auch Terroristen für intelligent genug, sich dann doch irgendwie zu tarnen. Und wenn man mit westlicher Kleidung, Bierflasche und Pornoheften als harmlos durchgewunken wird – dann wird einer doch schon mal innehalten und “moment mal…” denken, anstatt den 100sten Versuch zu starten, Osama bin Ladens Doppelgänger mit Bombengürtel in die Maschine nach Washington zu verfrachten.

    Insofern – geistiger Durchfall von Harris…

  3. #3 rolak
    04/30/2012

    Die WashingtonPost wurde ‘aus fb heraus’ verlinkt, hier direkt.
    ‘TSA’ mußte ich nachschlagen

    Ansonsten schließe ich mich cydonia an. Schön gesagt.

  4. #4 Ucuri
    04/30/2012

    [quote]
    a) Erstmal, was zur Hölle macht Sam Harris mit einer Waffe und 75 Kugeln im Gepäck? Nach Harris eigener Logik müssten somit Weiße stärker untersucht werden, da sie oft mit Waffen im Gepäck fliegen.
    [/quote]

    Nur zur Korrektur:
    Ich lese aus dem Text raus dass er ausversehen seine Munition mitgenommen hatte, weil er in diesem Beutel zu einem früheren Zeitpunkt seine Pistole transportiert hatte.
    Eine Waffe war also nicht dabei ^^

  5. #5 Hanno
    04/30/2012

    Sam Harris ist doch schon vor Jahren damit aufgefallen, dass er versucht hat, “wissenschaftlich” für Folter zu argumentieren (in dem Buch “The End of Faith” / “Das Ende des Glaubens”).
    Da wundern mich diese Ausfälle jetzt ehrlich gesagt nicht. Es passt in das Bild, was ich schon vorher von Sam Harris hatte.

  6. #6 Ludger
    04/30/2012

    Auch Mathematiker sind ja häufig sehr gewalttätig:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Una-Bomber#Karriere_und_R.C3.BCckzug

  7. #7 BreitSide
    04/30/2012

    Wau, das ist heftig. Ich kannte SH bisher noch nicht, also gleich ein äußerst negativer Einstieg.

    Zur Taktik von Zoll u.a.: Wenn ich keine 100-%-Stichprobe machen kann (das sollte ja der “Nacktscanner” erreichen), muss ich nach jedem Strohhalm greifen, der mir die Wahrscheinlichkeit ein ganz klein bisschen verkleinert. Und da wird es hunderte von Beziehungen zwischen Aussehensmerkmalen und Wahrscheinlichkeiten, dass jemand kriminell/gefährlich ist, geben. Viele “Kleinkriminelle” wird man auf diese Weise sicher mit einem höheren Prozentsatz rausfiltern können.

    Die “richtigen” Kriminellen wissen das natürlich (und schicken sicher nie Emails mit Wörtern wie “Attentat”, “Bombe” etc – oder gerade besonders viele?), sodass man da wohl eher über das Verhalten rankommt. Wobei die richtig Asozialen oder Durchgeknallten da schon wieder rausfallen. Oder Rainman oder Monk wird jedesmal kontrolliert….(Ich hatte einen Kommilitonen, der dank Haar- und Bartpracht bei jedem einzelnen Grenzübertritt nach Frankreich kontrolliert wurde, wöchentlich.)

    Ansonsten hilft wirklich nur der “brutale” Zufall. Die Mathematiker unter uns mögen ausrechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, bei einer 1-%-Stichprobe den “Bösen” rauszufischen. Diese unberechenbare Chance, wahllos durchsucht zu werden, sollte doch den Einen oder die Andere abschrecken.

    Es hülfe sicher auch, die Sicherheitsmitarbeiter besser zu bezahlen. Mir sind noch 8 $/h im Kopf um die Zeit von 9/11?

    Timothy James McVeigh hätte SH mit der ihm vorschwebenden Arbeitsweise jedenfalls sicher nicht gekriegt.

  8. #8 rolak
    05/01/2012

    PZ Myers‘ Artikelchen zum Thema:

    Thorough reform of the security process is needed to make us genuinely safer. Scapegoating ethnic groups is not, however, the answer.

  9. #9 ali
    05/01/2012

    Ich hatte immer schon den Eindruck, das Sam Harris eine mir unheimliche Schlagseite hat. Bisher hielt ich es aber einfach für einen Fall von kultureller Blindheit seinerseits. Er argumentiert ansonsten trotzdem präzise und vor allem tut er dies oft auch sehr eloquent. Dieser Text von ihm ist nun aber wirklich irgendwo zwischen peinlich und ungeheurlich. Es strotzt ja nur so von Pseudo-Argumenten und Totalfilterung, die man sonst vor allem bei den PI Dumpfbacken und der Achse der Blöden findet. Der letzte von dir zitierte Abschnitt, ist dann nur noch skurril. Ich bin mir inzwischen nicht einmal mehr ganz sicher was Sam Harris uns damit eigentlich sagen will. Vielleicht: Wenn ihr ein solche Profiling gegen euch nicht OK findet, seid ihr sowieso verdächtig und um so mehr ist es gerechtfertigt. Schliesslich seid ihr verantwortlich.

    In einem Punkt möchte ich dir, Jörg, aber trotzdem widersprechen:

    und adressiert ja noch nicht mal die Ursache der Anschläge vom 11. September 2001: Dass die USA systematisch und mit Gewalt die Politik der Welt bestimmt.

    Das könnte dann als Rechtfertigung ausgelegt werden und dies ist der Diskurs den die Urheber solcher Anschläge auch führen in dem sie sich als Widerstandskämpfer verkaufen. Es stimmt zwar, dass die USA oft als Bully auftreten. Aber nicht nur sie. Wer die Möglichkeit hat, nutzt sie oft auch. Ausserdem selbst wenn es so wäre befreit das natürlich nicht von einem eigenen moralischen Anspruch. Nur weil es eine Reaktion auf eine Aktion ist, macht dies das Töten von Zivilisten und unbeteiligten und das Verletzen von Kriegsrecht nicht plötzlich OK. Darum finde ich es falsch “das Verhalten der USA” als “Ursache” zu bezeichnen.

  10. #10 Wurgl
    05/01/2012

    und adressiert ja noch nicht mal die Ursache der Anschläge vom 11. September 2001: Dass die USA systematisch und mit Gewalt die Politik der Welt bestimmt.

    Ich hab bei dem Satz Bauchschmerzen. Der ganze Quatsch fängt etwas früher an. Jedenfalls wird von verschiedenen Quellen, wie zum Beispiel der Gewerkschaft der Polizei verbreitet, dass die Ursprünge in Militärbasen der USA auf Boden Saudi-Arabiens liegen. Ich zitiere aus dem Link: Als Saddam Hussein Ku-
    wait überfiel und besetzte, bot Bin Laden den saudischen Herrschern an, mit seinen kampferprobten „Mudjahedin“ die irakischen Invasoren zu vertreiben. Dieses Angebot wurde nicht angenommen; statt dessen rief Saudi-Arabien eine Koalition aus „Ungläubigen“ unter der Führung der USA ins Land. Nach deren Sieg über den Irak gestatteten die saudischen Herrscher den USA, Militärbasen auf „heiligem islamischen Boden“ zu errichten. Bin Laden geriet dadurch zum einen in Frontstellung zu den Machthabern in seiner Heimat, die ihm durch ihr Verhalten als „unislamisch“ erscheinen mussten; zum anderen verlangte er, die amerikanischen Truppen müssten sich aus Saudi-Arabien zurückziehen.

    Und zeitlich passt das auch recht gut. Der erste Anschlag auf das WTC war 1993.

    Die USA hat sich davor ebenso „böse“ und manchmal durchaus aggressiv verhalten, da hat sich nicht viel geändert. Nur ganz einfach dieses Verhalten pauschal verantwortlich zu machen, ist mir etwas zu einfach.

    Keine Frage, dass die Reaktion der USA danach weitere Menschen radikalisiert hat oder haben könnte. Aber begonnen hat die Kausalkette mit dem Überfall des Irak auf Kuwait.

  11. #11 BreitSide
    05/01/2012

    @Wurgl:

    Aber begonnen hat die Kausalkette mit dem Überfall des Irak auf Kuwait.

    Und der hatte seine Ursache im Überfall des Irak auf den Iran auf Geheiß der USA, der nicht hingehauen hatte.
    Und der hatte seine Ursache in der friedlichen iranischen Revolution.
    Und die hatte ihre Ursache in der Einsetzung des Schah durch die USA

    Ich kann da immer nur auf Volker Pispers verweisen. Soll ich den Link nochmal bringen?

  12. #12 Sascha Vongehr
    05/02/2012

    Nun wo SH mal nicht mit Dir einer Meinung ist, siehst Du klar: Rhetorik ist nicht gleich Reason. Deine Hausaufgabe ist es nun tiefer reinzusehen wo Du mit SH Dich einverstanden fuehlst und daher ihn fuer so toll und schlau hergibst. Ist er naemlich gar nicht!
    Deswegen gibt es auf meinem blog auch immer mal Kritik an den tollen super geilen in mode gekommenen wie DeGrasse Tyson oder James Randi. Deren Argumente sind naemlich meistens ziemliche Sch….e (deswegen sind sie ja beliebt!). Als selbst des Denkens fahiger sollte man soetwas sehen bevor die Leut ueber etwas reden was nicht mit der eigenen Meinung passt.

  13. #13 Barton Fink
    05/02/2012

    Süss, wie der Herr Vongehr immer hier auf scienceblogs.de aufschlägt und seine Sülze von sich gibt…
    Und ewig der gleiche Rabarber:
    – Wie blöd hier alle Blogger sind
    – Wie supertoll doch sein Blog dagegen ist

    Herr Vongehr – ich würde das therapieren lassen!

  14. #14 Bullet
    05/02/2012

    Deswegen gibt es auf meinem blog auch immer mal Kritik an den tollen super geilen in mode gekommenen wie DeGrasse Tyson

    Hahahaha. Das möcht ich sehen. Der ist dir so weit voraus, daß du nicht mal die Maßeinheit kennst, in der dieser Vorsprung gemessen werden muß.

  15. #15 Jörg
    05/02/2012

    Ali: Moment, nur weil ich das als Ursache sehe heisst ja nicht dass ich die Anschlaege verteidige, ich nehme es eigentlich als gegeben hin dass Gewalt niemals eine Strategie sein kann. Das aendert aber nichts daran, dass die einzige wirksame Massnahme gegen Terrorismus waere, dass vor allem die USA nicht mehr die Weltordnung mit Gewalt beherrschen, und dann erzaehlen wir seien die Guten…

    Sascha: Deine hoefliche und gelassene Art hier zu kommentieren, ist so verlockend dass ich mich fast, aber nur fast sofort an meine ‘Hausaufgaben’ gemacht haette, und nur im letzten Moment gemerkt habe dass du mir einen Sch….dreck vorzuschreiben hast.

  16. #16 ali
    05/03/2012

    @Jörg

    Ich wollte dir auch nicht unterstellen, dass du sie gutheisst. Ich sah aber nur das Grundmuster der Argumentation jener, die sie eben so zu rechtfertigen versuchen. Ist wohl weil, wenn ich “Ursache von [moralisch verwerfliche Handlung]” lese, irgendwie das Gefühl habe, dass die Aussage (zumindest teilweise) auch auf eine Rechtfertigung dieser Handlungen hinausläuft. Muss es natürlich nicht und das hast du auch nicht explizit gesagt.

    Es fällt mir aber bei einer solchen Aussage ehrlicherweise auch schwer, nicht den mahnhaft erhobenen Zeigefinger zu sehen. Nimm zum Beispiel mal die Aussage:

    und adressiert ja noch nicht mal die Ursache der Anschläge auf die Abteibungsklinik: Dass die Pro-Choicer überall durchsetzen, dass ungeborenes Leben getötet werden darf.

    Siehst du in einer solchen Aussage auch keinerlei Rechtfertigung solcher Anschläge? Kannst du das tatsächlich als blosse Ursachen-Wirkung Feststellung lesen?

    Ich glaube übrigens sowieso (aber das kann ich natürlich nicht belegen), dass Fundamentalisten auch ohne die von dir kritisierte Rolle der USA etwas finden würden, dass die die Vereinigten Staaten zum grossen Satan macht. Die Kaida hat Anfangs ja auch die Vertreibung der USA aus dem “heiligen” Land als Ziel angegeben. Dort waren sie unter anderem um sicherzustellen, dass das Öl der saudischen Freunde (mit deren Einverständnis) auch sicher bleibt und weil sie da mit ihrer von den Autoritäten im “heiligen” Land gutgeheissenen Gewalt, Kuwait von der Besetzung eines säkularen Despoten zu befreien versuchten. Somit bin ich mir nicht so sicher, ob dies tatsächlich “die Ursache” ist, oder vielleicht doch nur ein vorgeschobener Grund.

  17. #17 Bullet
    05/03/2012

    Ach du Kacke. Jetzt hab ich doch tatsächlich mal Sascha Vongehrs armselige Karikatur einer “Kritik” an dem, was Herr Tyson so von sich gibt, gelesen. Ich werde meine Bewertung dessen aktualisieren müssen:
    Herr Vongehr, es ist nicht einmal sicher, ob du diese erwähnte Maßeinheit jemals in deinen Kopf bekommst. Aber das ist bereits offensichtlich offtopic. Immerhin gibt es mir einen Hinweis darauf, wie ich mit deinen zukünftigen Kommentaren verfahren sollte.

  18. #18 Karina
    05/08/2012

    Danke für den Kommentar!
    Ich fand den Artikel sehr erschreckend, jedoch auch, wie verhalten die Reaktionen war… Ehrlich gesagt hätte ich hier einen regelrechten “shitstorm” erwartet.
    Sam Harris hat inzwischen schon Stellung genommen (“On Knowing Your Enemy” auf http://www.samharris.org – wohl nicht zufällig mit einem Ground Zero-Foto illustriert…) zu den wenigen kritischen Stimmen, die ihn erreicht haben: “it reveals just how confused my fellow liberals are about Islam.” Wow. Bezeichnend für die Überheblichkeit, die er kritischen Stimmen entgegenbringt.
    Tyranny of fairness: Er kann und will nicht billigen, dass “Unschuldige” kontrolliert werden?
    Billigen, dass alle Mitglieder von (unsauber) definierten Gruppen nur anhand ihrer extremsten Mitglieder beurteilt werden? Tyranny of fairness…

    Fundamentalismus, Rassismus, Extremismus, “waving-the-bloody-shirt”, Hybris, Snobismus – eine fatale Mischung, in der sich Sam Harris hier präsentiert.
    Ich hoffe, dass dieser Artikel sich nicht sehr weit verbreitet, ich hoffe, dass er sich jedoch so sehr verbreitet, dass Sam Harris durch fundierte Kritik zum Nachdenken gezwungen wird. Ich hoffe, dass diese Art der Kommunikation keine Schule macht.
    Ich hoffe, er wird nicht erhört.