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Die Bewertung von Risiken ist ein riskantes Geschäft. Ganz egal ob Einzelpersonen oder Gruppen eine Einschätzung von Gefahrensituationen vornehmen oder ob Experten oder Laien gefragt sind: bei der Beurteilung von Risiken liegen wir regelmäßig falsch. Selbst relativ nebensächliche Aspekte wie die Begriffe, mit denen bspw. bestimmte Substanzen bezeichnet werden, beeinflußen unsere Risikowahrnehmung.

Wobei vorab klargestellt werden muß: Ein Patentrezept oder gar eine “richtige” Form des Risikokalküls kann es kaum geben. Welche Gefahrenschwelle noch toleriert wird, variiert von Person zu Person und von Situation zu Situation. Und das Wissen, das uns in der jeweiligen Situation zur Verfügung steht, ist ohnehin kaum ausreichend oder stellt sich (wenigstens im Nachhinein) als ungenügend heraus. Interessant ist es dennoch, was jüngst die US-Psychologen Hyunjin Song und Norbert Schwarz festgestellt haben: je unaussprechlicher die Risiken, desto gefährlicher wurden sie eingeschätzt.


Unser irrationales Risikokalkül

Es ist im Grunde müßig, darüber zu lamentieren, daß wir – wenn es um die Einschätzung von Risiken geht – furchtbar irrational handeln. Da darf man mir noch tausendmal vorrechnen, daß die Fahrt zum Flughafen deutlich gefährlicher ist, als der Flug selbst. Statistisch gesehen trifft das natürlich zu, doch für mein individuelles Sicherheitsempfinden eben nicht.

Und um Sicherheit, Vertrauen und das Gefühl eine Situation kontrollieren zu können, geht es fast immer, wenn Risikoeinschätzungen gefragt sind. Dabei spielt der (vermeintliche) Bekanntheitsgrad der potentiellen Gefahrenquelle eine Hauptrolle. Aktivitäten oder Situationen, die uns neu sind, erscheinen zwangsläufig als riskanter. Der erste Bungee-Sprung ist noch ein Abenteuer, wenn ich bereits dutzende Sprünge absolviert habe, wird die Sache mehr und mehr zur Routine und erscheint als weniger riskant.

Acrylamid, Arcobacter, Azorubin: Harmlos oder gefährlich?

Aber wie verhält es sich, wenn verschiedene neuartige Risiken taxiert werden müssen? Ist das Acrylamid in den Keksen gefährlicher als das Bakterium Arcobacter in rohem Fleisch?

Hyunjin Song und Norbert Schwarz haben ihren Probanden eine Liste mit erfundenen Zusatzstoffen von Nahrungsmittels vorgelegt und sie aufgefordert, deren Gefährlichkeit zu beurteilen. Alle Begriffe hatten zwölf Buchstaben, die in unterschiedlicher Schwierigkeit angeordnet waren. Das (phonetisch) leichteste Wort lautete “Magnalroxate”, das schwerste “Hnegripitrom”.

Das Ergebnis war eindeutig, je schwieriger die Begriffe, als desto risikoträchtiger wurden sie beurteilt. Einfache Produktnamen (egal ob bei Lebensmitteln oder Medikamenten) suggerieren uns ganz offenbar Vertrautheit. Wenn es allzu kompliziert oder gar zungenbrecherisch-unaussprechlich wird, dann wächst die Skepsis.

Und dieser Effekt tritt – kaum verwunderlich – auch auf, wenn es nicht um die Bewertung von Lebensmittelrisiken geht. Der Versuchsgruppe wurden angebliche Attraktionen eines Freizeitparks genannt und sie sollten diese hinsichtlich der vermeintlichen Gefährlichkeit einstufen. Einhellige Meinung: das Fahrgeschäft mit dem Namen “Vaiveahtoishi” muß sehr viel riskanter und rasanter sein, als die Attraktion “Chunta”.

Doch welche Lehre ziehen wir aus diesen Erkenntnissen? Sprechen wir vom H5N1-Virus, wenn wir den Gefahrenaspekt betonen wollen und von der Vogelgrippe, wenn die Ängste zu sehr hochkochen?

Kommentare (6)

  1. #1 Fischer
    Februar 27, 2009

    Klasse Fund, ich glaub das Paper nehm ich mir auch mal vor. Haben Medikamente mit komplizierten Namen eigentlich auch mehr Nebenwirkungen?

  2. #2 Tanja
    März 2, 2009

    Vielen Dank für dieses interessanten Artikel!

  3. #3 Tanja
    März 2, 2009

    @Fischer: Gerade bei Medikamenten frage ich mich oft, wer auf solche Namen kommt. Viele klingen nicht unbedingt gefährlich, sondern – zumindest für mich – irgendwie unseriös.

  4. #4 Marc Scheloske
    März 2, 2009

    @Fischer:

    Ich nehme an, daß die Unaussprechlichkeit von Medikamentennamen sogar zwei Effekte mit sich bringt: erstens mehr Nebenwirkungen, zweitens mehr Hauptwirkungen. Wir wissen ja auch, daß das teurere Placebo ebenfalls effektiver ist. Und so ein langer komplizierter Wirstoffnamen muß doch zu irgendwas gut sein.

  5. #5 adenosine
    März 2, 2009

    Wahrscheinlich auf die natürliche Angst vor dem Unbekannten zurückzuführen. Die Antiatombewegung hat ähnlich vom Übergang von MikroCurie auf Becquerel profitiert.

  6. #6 DerOli
    März 2, 2009

    Also ich verstehe den Versuchsaufbau nicht. Wenn man gefragt wird wie gefährlich x, y oder z sind, man x, y und z aber nicht kennt (geht ja nicht, sind ja ausgedacht), dann muss man doch in allen Fällen sagen, dass man keine Ahnung hat. Wie kann man sich denn da eine Reihenfolge aus den Fingern saugen?

    Oder aber man verwechselt aus Versehen einen “bekannten Gefahrstoff” mit einem Namen in der Liste. Dann Tastet der Versuch jedoch lediglich ein Rauschen kursierender Begriffe ab.

    Ganz abgesehen davon klingt (Militär)-chunta schon ziemlich gefährlicher als Tamagochi.

    DerOliptraftotkogl