An vielen Stellen gab es deutliche Proteste gegen die aktuelle “Werbung” der deutschen Krebshilfe, ein paar Stellen hatte ich hier schon verlinkt.
Die Vorgeschichte gibt es hier

Das Schwein des Anstoßes


Aber bisher gab es keine Stellungnahme der Krebshilfe zu den Protesten. Auf der Website konnte man nur die Pressemeldung lesen, wie toll doch die Kampagne sei. Im Fernsehbeitrag wird sogar noch das Schreiben der Polizei gezeigt, mit der die Homepage vom Netz genommen wurde.

Ich habe heute Mittag bei der Pressestelle angerufen und gefragt, wie ihre Meinung zu den vielen Online-Protesten sei, ob es eine Stellungnahme dazu gäbe, auf der Website finde ich nämlich nichts. Ein paar Stunden später bekam ich diese Mail, die hier veröffentlichen darf

Sehr geehrter Herr Larssen,
wir sind uns bewusst, dass wir mit einer sehr provozierenden Kampagne an die Öffentlichkeit gegangen sind. Doch die Zahlen sind alarmierend: Jedes Jahr erkranken 224.000 Menschen in Deutschland an Hautkrebs, darunter viele junge Menschen, die fortan mit der Diagnose Krebs, der Behandlung und allen damit verbundenen Folgen leben müssen.
Durch zahlreiche Studien wissen wir, dass sich das Hautkrebsrisiko durch regelmäßige Solarien­besuche verdoppelt, wenn Menschen unter 35 Jahren regelmäßig ins Solarium gehen. Unter den 4,8 Millionen Nutzern von Solarien sind fast 170.000 Jugendliche, die von den Solarienbetrei­bern nicht auf die fatalen Folgen von UV-Strahlung hingewiesen werden, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind.

Hm, das wußte ich schon aus der Pressemitteilung.

Tatsächlich geht die 2012 in Kraft getretene UV-Schutzverordnung noch weiter: Jugendliche unter 18 Jahren dürfen Solarien in Deutschland nicht benutzen. Bei Menschen mit Hauttyp 1 und 2 ist eine eingehende, fachkundige Beratung gesetzlich vorgesehen, denn sie dürfen Solarien nicht nutzen. Für die UV-Schutzverordnung kämpft die Deutsche Krebshilfe seit mehr als 20 Jahren an der Seite von Ärzten und Wissenschaftlern.

Genau diese Wissenschaftler sind es aber, die mit dem Film in die Schublade von Vorurteilen predigenden Tierschützern noch weiter rein gestoßen werden.

Als Bürgerinitiative, die unter dem Motto „Helfen. Forschen. Informieren.“ agiert, ist es unsere satzungsgemäße Aufgabe, über die Krebsrisiken aufzuklären und das so, dass unsere Botschaften die Zielgruppe auch wirklich erreichen. Dies erwarten unsere Spender von uns. Um junge Menschen zu erreichen, haben wir in der Vergangenheit bereits viele Aufklärungskampagnen durchgeführt. Wir haben uns jetzt ganz bewusst für diese provozierende Aktion entschieden, weil wir wachrütteln und informieren möchten. Wir sind bewusst dorthin gegangen, wo junge Menschen sich aufhalten und zwar im Social Web.

Dorthin gehen ist eine Sache, dort bleiben und die Sache auf Augenhöhe klären und sich der Diskussion, dem Dialog stellen, das wäre die richtige Strategie gewesen.

Immer wenn man Mut beweist und eine Kontroverse auslöst, muss man damit rechnen, auch Kritik zu ernten. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserer Aktion Menschen zunächst getäuscht haben, was grundsätzlich nicht vertretbar ist. Dennoch sind wir ausnahmsweise und ausdrücklich zur Zielerreichung diesen Weg – für den wir auch um Nachsicht bitten – gegangen: Junge Menschen vor künstlicher Bräune zu warnen und dadurch bei ihnen zu einem Sinneswandel beizutragen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir bei unserer aktuellen Kampagne zu aufmerksamkeitsstarken Mitteln gegriffen.

Wie an vielen anderen Stellen schon gesagt wurde, ist der Transfer auf Jugendliche und Sonnenbank vermutlich nicht wirklich gelungen.

Mit der Kampagne haben wir bereits bei Stern TV am letzten Mittwoch 4,1 Millionen Zuschauer erreicht und wir sehen uns seitdem mit zahlreichen telefonischen und schriftlichen positiven sowie anerkennenden Rückmeldungen konfrontiert. Dabei wurden insbesondere unsere Herangehensweise und Hartnäckigkeit im Sinne der Sache als positiv herausgestellt. Zahlreiche Menschen haben sich bereits während der Sendung telefonisch bei den Hautkrebsexperten informiert.

Ich möchte eine ganz vage Schätzung abgeben, dass dies vermutlich nicht die anvisierten jungen Menschen im social web waren. Aber gut, zumindest eine andere Alterklasse ist besser aufgeklärt.

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Kommentare (8)

  1. #1 Martin B. (@gedankenabfall)
    September 14, 2012

    Schon ziemlich peinlich, wie man sich hier weiter auf die Schultern klopft, wie mutig man doch sei, und wie wichtig das zu vermittelnde Anliegen. Da wurde die Kritik weder verstanden, noch besteht Interesse, sich mit ihr auseinanderzusetzen.

    Aber ich habe auch nichts anderes erwartet.

  2. #2 Sören Schewe
    September 14, 2012

    Wenn das bei Stern TV so ein Erfolg war, freut mich das. Hier im Social Web jedenfalls ging es zu keinem Zeitpunkt um Hautkrebs, sondern ausschließlich um jenes Schwein des Anstoßes (ganz hervorragend, Christoph) und jenen Ritter von der traurigen Gestalt, der den ganzen Bums hier vorgebracht hat. Ich behaupte also, dass die ganze Aktion hier im Social Weg mächtig in die Hose gegangen ist.. Ansonsten würde ich mich über Belege freuen, die das widerlegen. Gut möglich, dass auch schlechte PR eben PR ist, ich sehe das ein ganzes Stück weit anders.

  3. #3 Frau Meike
    September 14, 2012

    “… ist sich des Vertrauens in der Bevölkerung bewusst, dass sie auch braucht, um überhaupt agieren zu können. Und in diesem Sinne handeln wir, im Interesse unserer Spender und im Sinne der Sache – und nur diese steht für uns im Vordergrund. Wenn nötig, ausnahmsweise auch mit einer ungewöhnlichen Initiative. ”

    Wir handeln im Sinne des Vertrauens, indem wir Vertrauen missbrauchen? Gewagte Arbeitshypothese.

  4. #4 para
    September 14, 2012

    Scheinbar gehöre auch ich zu den doofen die die Kampagne nicht verstanden haben. Aber vielleicht habe ich ja nur einen Clipfetzen(?) gesehen, oder wurde irgendwo, an irgendeiner Stelle im Clip erwähnt, ob also Logo der Krebshilfe oder als Pro/Epilog, dass es um solarienbedingten Hautkrebs ging ?.

    • #5 Chris
      September 15, 2012

      @para @meike
      Es ist einerseits genau der gewünschte Effekt, dass ich nicht weiß, was sich dahinter verbirgt. ABER es sollte dann, wenn die Auflösung kommt, Klick machen, ein “Ach so, das ist ja eine witzige Idee gewesen” (oder so ähnlich). Hier geht der Schuss aber in eine komplett andere Richtung, aber das haben sie scheinbar noch nicht richtig wahrgenommen.

  5. #6 Frau Meike
    September 14, 2012

    @para

    Nein. Das ist ja Sinn einer viralen Kampagne: dass die Botschaft und ihr Absender nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.

  6. #7 Ute
    Dortmund
    September 15, 2012

    @Frau Meike Leute, die so argumentieren wie die Krebshilfe, verprügeln wahrscheinlich auch Kinder, damit sie nicht auf die heiße Herdplatte fassen: “Wir tun es nur zu eurem Besten!” ^^

    Wenn überhaupt, macht die Stellungnahme der Krebshilfe nur noch deutlicher, wie herablassend sie ihre Zielgruppe betrachten. Was genau der Grund sein dürfte, warum sie sie mit solchen Kampagnen eben _nicht_ erreichen.

  7. #8 Jens Best
    September 16, 2012

    Für jung von matt ist das web egal. Aufgabe war es offensichtlich den Beitrag in Stern TV zu positionieren. Die diskursive ebene im Netz ist denen egal, für die ist das web eh nur ein Raum mit Klosprüchen an der Wand.da kann man ruhig mal eine Schweine-Misshandlung faken.

    Demnächst von JvM: Livestream von einer Steinigung (mit der Möglichkeit auch interaktiv zu beteiligen) für Amnesty international.

    Wie heißt es so schön:
    Der Künstler lügt, um die Wahrheit zu sagen.
    Der Politiker lügt, um dir Wahrheit zu verhüllen.
    ….
    Die Werbe-Agentur lügt, will es ihre Methode ist, Geld zu verdienen.