Jedes Jahr gegen Ende Dezember feiern wir dass vor etwas mehr als 2000 Jahren, etwas mehr als 2000 km südöstlich von Wien eine Frau spontan schwanger wurde und niemand so genau wusste wer schuld ist.
In der Dr. House Weihnachtsfolge „Ihr Kinderlein kommet“ erleidet eine Frau ein ähnliches Schicksal. Sie – nach eigenen Angaben ebenso Jungfrau wie ihr Ehemann – stellt fest dass sie schwanger ist. Dr. House geht der Sache auf den Grund und kommt nach fünfmaligem Überprüfen der Testergebnisse zu dem Schluss, dass in sieben Monaten eine waschechte Jungfrauengeburt ansteht. Seine Annahme: Spontane Kalziumausschüttung hat die Eizelle zur Teilung angeregt. Zeitgleich hat ein Defekt in der Zellteilung das Genmaterial verdoppelt, und somit auf das Level einer befruchteten Eizelle gehoben.
Klingt plausibel, oder? Kurz vor Weihnachten 2013 erschien eine Studie, laut der 0,5% der Amerikanischen Frauen angaben, selbst mindestens eine Jungferngeburt durchlebt zu haben. Künstliche Befruchtung nicht miteingeschlossen.
Der Fachbegriff für Jungfernzeugung lautet Parthenogenese – ein Phänomen das man tatsächlich bei mehreren hoch entwickelten Tierarten beobachtet hat. Die Angestellten des Henry Doorly Zoos in Nebraska waren sicherlich nicht unbeeindruckt, als ein weiblicher Hammerhai, der seit Jahren kein Männchen gesehen hatte – vielleicht als Protestaktion – einen Baby-Hai zur Welt brachte. Ein kleines Wunder, das leider Stunden später von einem Stachelrochen aufgespießt wurde. Keine Zeit für Weihrauch und Myrrhe.
Unerwartete Fälle von Jungfernzeugungen kommen immer wieder vor, beispielsweise bei Truthähnen. Und wieso sollten Truthähne etwas können das wir nicht drauf haben?
Die Antwort liegt in der DNA. Mit Ausnahme der Gene die auf den Geschlechtschromosomen liegen, besitzt der Mensch jedes Gen zweimal – eine Kopie vom Vater, eine von der Mutter. Bei den meisten Genen werden beide Versionen abgelesen. Sollte eine Kopie kaputt sein, hat man also noch eine zweite als Backup.
Eine Ausnahme stellen Gene mit sogenannter genomischer Prägung (Imprinting) dar. Von diesen hat man zwar auch zwei Kopien, allerdings ist nur eine Kopie aktiv, entweder die väterlich- oder die mütterlich vererbte. Die andere Kopie ist stillgelegt und wird nicht abgelesen.
Weniger als 1% aller menschlichen Gene weisen genomische Prägung auf. Diese Prägung betrifft meist Gene, die bei der embryonalen- und frühkindlichen Entwicklung eine Rolle spielen. Sowohl menschliche Eizellen als auch Samenzellen enthalten prinzipiell alle Gene die notwendig sind um einen Menschen zu erschaffen. Aufgrund des Imprintings benötigt es aber sowohl ein väterliches, als auch ein mütterliches Genom, damit von allen Entwicklungsgenen auch eine Kopie vorhanden ist, die tatsächlich abgelesen wird. Diese Art des Imprintings einzelner Gene ist ein Alleinstellungsmerkmal von Blütenpflanzen und Säugetieren des Theria Taxons, zu dem auch wir gehören.
Wozu Imprinting dient ist noch nicht restlos geklärt. Es gibt aber Erklärungsmodelle (mit teils dramatischen Namen):
Die Eierstock Zeitbomben Hypothese
Sie besagt dass Imprinting entstanden ist um spontane Zellteilungen unbefruchteter Eizellen zu verhindern, weil das zur Tumorentwicklung führen könnte.
Eine populärere Erklärung bietet die Hypothese des Elterlichen Konflikts:
Diese ergibt sich aus zwei Beobachtungen, die viele Frauen und manche Männer im Laufe ihres Lebens machen müssen.
1) Schwangerschaft und Geburt sind für die Frau anstrengender als für den Mann. Es ist also im Interesse der Frau die Gene in den Eizellen zu inaktivieren, die das Wachstum des Embryos übermäßig fördern.
2) Männer haben keine Garantie, dass alle von der Frau zur Welt gebrachten Kinder wirklich die eigenen sind. Wenn man sich als Mann um Nachwuchs bemüht, macht es aus Sicht der Evolution Sinn dafür zu sorgen, dass die Frau die meisten Ressourcen in das Gebären des eigenen Nachwuchses investiert – Der Mann inaktiviert in seinen Samen Gene die das Embryonalwachstum hemmen.
Die Konflikt Hypothese wir derzeit als die wahrscheinlichere betrachtet. Aber unabhängig davon welche zutrifft kann sich ein menschlicher Embryo nur dann entwickeln, wenn die genetische Information von Vater und Mutter bereitgestellt wird. Eine Eizelle die ihr genetisches Material spontan verdoppelt, hätte zwar die notwendige Erbinformation um einen Menschen hervorzubringen, einige Entwicklungsgene würden jedoch aufgrund des Imprintings nicht abgelesen werden können, sofern sie nicht von einem Vater beigesteuert werden. Imprinting wird dafür verantwortlich gemacht, dass man bei Säugetieren noch keine natürliche Jungferngeburt beobachtet hat.
Die Erklärung von Dr. House geht in die richtige Richtung. Intrazelluläre Kalzium Ausschüttungen in der Eizelle wären tatsächlich notwendig für die Entwicklung eines Embryos und theoretisch ist auch eine spontane Verdoppelung der Erbinformation nicht unmöglich. Diese wäre notwendig damit jedes Gen in der Eizelle zweimal vorliegt, wie im befruchteten Zustand. Das Imprinting macht der Sache aber einen Strich durch die Rechnung. Auch wenn alle Gene vorhanden sind und die Voraussetzungen für eine Schwangerschaft erfüllt wären, könnte sich kein Embryo entwickeln, der ausschließlich aus mütterlicher DNA besteht. Ohne zusätzliche Erbinformation mit väterlichem Imprinting spielt es das nicht.
Wer Dr. House kennt weiß, dass ihm solche Fehler nicht passieren. Es stellt sich heraus, dass er die Geschichte mit der Jungferngeburt nur erfunden hat, um der nervösen Ehefrau zu ersparen, ihrem Mann in der Vorweihnachtszeit beichten zu müssen wo das Baby tatsächlich herkommt. Eine fragwürdige Weihnachtsgeste, die wohl in die Hose gegangen wäre, wenn der Mann zuvor in einem Biologiebuch das Kapitel über Imprinting entdeckt hätte.
Die Umfrage laut der 0,5% der Amerikanischen Frauen angaben eine Jungferngeburt gehabt zu haben dürfte auch keine neuen Erkenntnisse liefern. Eher zeigt sie, dass Umfragen kein verlässliches Werkzeug sind –schon gar nicht Umfragen in Bezug auf Sex und Wunder.
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