Evolution ist eine elegante Sache. Ein sehr simpler Prozess, der über lange Zeit sehr komplexe Dinge hervorbringt – uns zum Beispiel. Mutation und Selektion führen dazu, dass sich die vorteilhafteren Varianten durchsetzen. Das ist gut so, denn sonst würden wir uns nicht weiterentwickeln. Aber neben uns unterliegen auch alle anderen Lebensformen diesem Prozess – mitunter landwirtschaftliche Schädlinge.
Seit rund 20 Jahren baut man gentechnisch veränderte Pflanzen an. Viele davon tragen Gene, die sie gegen Fraß Feinde resistent machen. Prinzipiell ist das eine feine Sache, immerhin ist es dadurch gelungen innerhalb von nur 14 Jahren den weltweiten Einsatz von Pestiziden um 9% zu reduzieren und den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Der Ertrag und das Einkommen von Bauern (insbesondere Kleinbauern), die resistente Sorten anbauen sind höher und alleine in Indien verhindert der Anbau von schädlingsresistenter Baumwolle jährlich über zwei Million Vergiftungsfälle durch Spritzmittel (die Bauern tragen beim Spritzen oft keine Schutzbekleidung). Außerdem ist die Artenvielfalt auf schädlingsresistenten Feldern oft höher, weil man Nützlinge keinem Spritzmittel aussetzen muss.
Das Problem
Gentechnik hat trotzdem einen schlechten Ruf, was oftmals firmenpolitisch begründet wird. Aber das ist hier nicht das Thema, hier geht es um Biologie und Genetik. Auch in diesem Bereich gibt es ein reales Problem: Resistent werdende Schädlinge scheinen der Erfolgsgeschichte ein Ende zu setzen.
Die Evolution macht vor niemandem halt. Mit der Verbreitung schädlingsresistenter Sorten steigt auch das Aufkommen von angepassten Fraß Feinden, die sich wenig um die Schädlingsresistenz der Pflanzen kümmern. Ein Beispiel ist der Maiswurzelbohrer. 2003 hat man schädlingsresistenten Mais in den USA eingeführt. 2013 traten bereits die ersten angepassten Maiswurzelbohrer auf, die ihn trotzdem anknabberten.
Was tun?
Momentan versucht man das Problem mit einer simplen Taktik in den Griff zu bekommen. Man bringt mehrere Schädlingsresistenz-Gene in eine Pflanze ein. Die Chance dass sich Schädlinge entwickeln, die gegen zwei oder drei Resistenzen tolerant sind, ist um ein vielfaches geringer. Damit lässt sich die Entstehung toleranter Schädlinge lange verzögern– aber nicht aufhalten. Außerdem ist es unkreativ und langweilig.
Vielleicht sollte man von der anderen Seite anpacken: Bei den Fraß Feinden!
Eine Mutation, die es Schädlingen erlaubt resistente Pflanzen zu essen, bringt einen großen Selektionsvorteil und setzt sich rasch in der Population durch. Unter normalen Umständen wird die ursprüngliche Genvariante, mit der die Schädlinge keine resistenten Pflanzen konsumieren können, mit der Zeit aus dem Genpool verschwinden. Außer man verschafft dieser ursprünglichen, sensitiven Gen Variante einen unfairen Vorteil! Dabei soll ein Gen, das für den Schädling eigentlich nachteilhaft ist, sich trotzdem durchsetzen.
Wie geht das?
Die meisten Gene liegen in zwei Kopien vor. Eine von der Mutter, eine vom Vater. Diese können sich unterscheiden, so kann z.B. eine sensitiv gegenüber schädlingsresistenten Pflanzen sein, die andere aber nicht.
Man kann die Weitergabe eines Gen-Abschnitts massiv beschleunigen, indem man ihn so designend, dass er die zweite Kopie mit seiner eigenen Sequenz überschreibt (der Kopiervorgang ist kompliziert, wer sich dafür interessiert kann sich dieses Paper besorgen). So einen Gen-Abschnitt nennt man Gene Drive. Mit diesem Trick lassen sich Gene in einer Population effektiv verbreiten, auch wenn sie dem Schädling keinen Vorteil bringen. Um diese sich selbst replizierenden DNA Sequenzen zu erzeugen wird u.a. die neue CRISPR Technologie benutzt, über die ich hier bereits geschrieben habe. Für den Fraß Feind ist folgendes geplant: Die Kopie, die ihn sensitiv gegenüber schädlingsresistenten Pflanzen macht, soll die insensitive Kopie überschreiben. Und das in jeder folgenden Generation. Die sensitive Gene Drive Variante würde sich in einer Population rasch durchsetzen, auch wenn das eingefügte Gen dem Schädling einen Nachteil bringt. Die Fraß Feinde wären wieder sensitiv gegenüber schädlingsresistenten Pflanzen.
Man geht davon aus, dass sich mit dieser Methode Sensitivität gegenüber schädlingsresistenten Pflanzen unter Fraß Feinden durchsetzen kann, auch wenn der ursprüngliche Selektionsdruck in die andere Richtung weist. Der berühmte Molekularbiologe George M. Church meint, dass sich mit dieser Methode schädlingsresistente Pflanzen dauerhaft einsetzen ließen, sofern man regelmäßig sensitive „Driver-Fraß Feinde“ aussetzt. Diese würden die Population dann immer wieder aufs Neue sensitiv gegenüber den schädlingsresistenten Pflanzen machen. Theoretisch erlaubt es ein Gene Drive, dass sich Gene in einer ganzen Population durchzusetzen, auch wenn es dem einzelnen Fraß Feind einen Nachteil bringt. Damit ließe sich der Maiswurzelbohrer wieder sensitiv gegenüber schädlingsresistentem Mais machen.
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