Vergangene Woche wurde ich in die Diskussionssendung „Talk im Hangar 7“ eingeladen um über ein sehr schwieriges Thema zu diskutieren: Braucht man heute überhaupt noch Tierversuche? Grund für die Diskussion war die STOP VIVISECTION Petition, in der über eine Million Europäer ein Totalverbot von Tierversuche innerhalb der EU fordern. Die meiner Meinung nach sehr spannende Diskussion ist eine Zeit lang unter diesem Link nachsehbar:
https://www.servustv.com/at/Medien/Talk-im-Hangar-7106
Ich möchte ein kurzes Resümee schreiben. Vorab ein paar Zahlen aus Österreich um das Thema in einen Kontext zu stellen. Rund 85% aller für die Forschung verwendeten Tiere sind Mäuse. Zählt man Ratten und Fische dazu kommt man auf über 90%. Der letzte Versuch mit einem Affen wurde in Österreich 2008 durchgeführt. Tierversuche für die Kosmetikindustrie sind mittlerweile EU-weit verboten.
Die Zahl der Versuchstiere, die in Österreich pro Jahr verwendet werden, beläuft sich auf rund 200.000 Tiere. Das klingt nach viel, sind aber weniger Tiere als pro Tag in Österreich für den Fleischkonsum geschlachtet werden. Würden wir kollektiv einen einzigen fleischlosen Tag im Jahr einlegen, würde das mehr Tierleben retten, als ein totales Tierversuchsverbot. Und das ohne die medizinische Forschung zu behindern.
Mein Problem bei der Diskussion war, dass ich wie so oft beide Seiten nachvollziehen kann. Aus ethischer Sicht ist es eine unheimlich schwierige Entscheidung, ob man sich das Recht nehmen darf, ein Tier zu töten um eine Erkenntnis zu gewinnen. Vor allem weil sich oft erst Jahre danach zeigt, ob dadurch Menschenleben gerettet werden konnten. Persönlich bin ich froh, dass sich meine wissenschaftlichen Fragestellungen bisher anhand von Organismen beantworten ließen, die nicht größer waren als Fruchtfliegen. Ist es also überhaupt notwendig Mäuse zu verwenden?
Von der Contra-Seite kamen zwei Behauptungen, um die sich ein Großteil der Diskussion drehte.
Grundlagenforschung ist unnötig
Der Tierrechtsaktivist Friedrich Mülln von SOKO-Tierschutz, kritisierte die Grundlagenforschung dafür, weit entfernt von einer praktischen Anwendung zu sein. Für ihn macht es deshalb keinen Sinn diese Form der Wissenschaft zu betreiben. Grundlagenforschung ist ein Stück weit ein Schuss ins Dunkle. Es lässt sich nicht vorhersagen, ob ihre Erkenntnisse jemals eine Anwendung finden werden. Das ist aber auch nicht die Aufgabe der Grundlagenforschung. Ihre Aufgabe ist es, uns Erkenntnis zu liefern, die wir vorher nicht hatten. Dadurch wächst unser Verständnis über den Organismus und das bildet das Fundament, für jede denkbare angewandte Forschung. Ein oft genannter Vergleich ist der des Automechanikers, der nicht erkennen kann was unter der Haube kaputt ist, wenn er nie verstanden hat wie ein intaktes Auto funktioniert. Alles was man in der medizinischen Forschung macht basiert auf unzähligen Erkenntnissen der Grundlagenforschung. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Ich kann heute meine Forschung an einer seltenen Erbkrankheit nur deshalb betreiben, weil ein Japanischer Biochemiker vor ein paar Jahrzehnten wissen wollte, warum Quallen unter blauem Licht grün fluoreszieren. Das führte zur Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins (GFP), das es heute erlaubt, Proteine innerhalb von Zellen unter dem Mikroskop zu verfolgen. Dafür gab es einen Nobelpreis.
Ich könnte meine Forschung auch nicht betreiben, hätten sich nicht ein Jahr vor meiner Geburt Leute gefragt, was diese sich-wiederholenden Sequenzen im Genom von Bakterien bedeuten. Das führte zu der Entwicklung der CRISPR Technologie, die es uns heute erlaubt, Gene spielend leicht ein- und auszuschalten. Dafür wird es demnächst zweifelsfrei auch einen Nobelpreis geben.
Keine der beiden Entdeckungen schien zu Beginn eine besondere Bedeutung zu haben. Sie haben sich lange Zeit später als unheimlich nützlich erwiesen und der gesamten medizinischen Forschung einen unglaublichen Schub verliehen. Würde man die Grundlagenforschung heute beenden, gäbe es in ein paar Jahrzehnten auch keine effektive angewandte Forschung mehr.
Tierversuche sind unzuverlässig und deshalb unnötig
Der Tierrechtsaktivist Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken kritisierte Tierversuche als so unzuverlässig, dass der Forschung ein Gefallen getan wäre, wenn man darauf verzichtet. Es stimmt, dass ein Großteil dessen, was im Tierversuch vielversprechend aussieht, es nicht bis in den Menschen schafft. Das liegt daran dass die Ansprüche für eine Anwendung am Menschen wahnsinnig hoch sind. Würde man allerdings direkt von einem Zellkulturversuch in den Menschen gehen, wären die Erfolgschancen noch um Welten geringer. Es gibt leider kein perfektes Modellsystem.
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