„Education is important, but big biceps are importanter“
Neulich wurde ich vom ORF gefragt, welche Superkräfte denkbar wären und welche vermutlich immer Hirngespinste bleiben werden. Den Clip kann man auf meins.orf.at nachsehen:
Als Freund des Eisenhebens fand ich es besonders spannend, die übermenschliche Kraft des Hulk zu kommentieren. Und als Genetiker, der sich manchmal zur grünen Gentechnik äußert, habe ich sowieso ausreichend Erfahrung mit wütenden Grünen. Zwar werden wir vermutlich nie eigenhändig Panzer durch die Gegend schleudern können, aber selbst wenn, wäre es unklug diese Eigenschaft an Wutausbrüche zu koppeln. Aber wäre es prinzipiell denkbar, einen sportabweisenden Sofahelden in Mr. Olympia Form zu bekommen?
Muskeln verbrauchen verdammt viel Energie. Sie fressen so viele Ressourcen, dass manche Evolutionsbiologen vermuten, wir hätten schwächere Muskeln entwickelt als andere Primaten, um mehr Energie für unser Gehirn bereitstellen zu können. Während wir also bemüht sind möglichst viel mageres Fleisch auf unsere Knochen zu packen, hat unser Körper Mechanismen entwickelt um ungebremstes Wachstum der Skelettmuskulatur zu verhindern. Dazu zählt ein Protein namens Myostatin. Es wird in den Muskelfasern gebildet und wirkt dem Wachstum neuer Muskelzellen entgegen. Aufgrund seiner Entdeckung in Mäusen wird das zugrundeliegende Gen gerne als „Mighty Mouse“ Gen bezeichnet. Das Ausschalten des Myostatin-Gens in Tieren führt zu enorm gesteigertem Muskelwachstum, erhöhter Kraftleistung und einem niedrigeren Körperfettanteil. Ein Beispiel dafür liefert die Rinderrasse „Weißblaue Belgier“, deren bulliges Aussehen auf einer spontanen Myostatin-Mutation basiert.
Für den Menschen relevant?
Die Belegschaft des Charité Krankenhauses in Berlin hat vermutlich große Augen gemacht, als dort 1999 ein muskulöses Baby auf die Welt kam. Es war der erste Mensch mit einer spontanen Mutation in beiden Kopien des Myostatin Gens. Bereits mit vier Jahren besaß der Junge die doppelte Muskelmasse und halb so viel Körperfett wie gleichaltrige Kinder. Nennenswerte gesundheitliche Konsequenzen der Mutation wurden dabei bis heute nicht gemeldet und zumindest von den Myostatin-mutierten Kühen und Mäusen weiß man, dass es ihnen gesundheitlich gut geht.
Neben Hulk-Fans und Bodybuildern interessieren sich für Myostatin auch Mediziner, die an Muskelschwund-Erkrankungen arbeiten. Es sind Myostatin Inhibitoren in Entwicklung, die das Muskelwachstum anregen. Aber auch genetisch lässt sich Myostatin inaktivieren, beispielsweise mittels Follistatin. Dabei handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Glykoprotein, das die Funktion von Myostatin hemmt und somit das Muskelwachstum fördert. 2009 hat man das Follistatin Gen in einen Adeno-assoziierten Virus (AAV) gepackt und damit die Oberschenkelmuskulatur von Makaken infiziert. AAV können Gensequenzen in Zellen einbringen, ohne die Virus-DNA in das Erbgut der Zelle zu integrieren. Das ist deutlich sicherer als eine zufällige Integration in DNA der der Muskelzelle und erlaubt es dem Follistatin Gen, neben der zelleigenen Erbinformation im Zellkern zu existieren. Das Resultat war ausgeprägtes und anhaltendes Muskelwachstum des Oberschenkels, einhergehend mit einer ordentlichen Kraftzunahme. Negative gesundheitliche Effekte wurden auch in diesem Fall nicht beobachtet.
Gendoping
Athleten sind bereit ihren Körpern die fragwürdigsten Dinge anzutun, um in ihrer Disziplin voranzukommen. Ich wäre überrascht, wenn es die Myostatin Inhibitoren nicht früher oder später auf die Dopinglisten schaffen würden. Zusätzlich verkompliziert wird das Thema, wenn man neue Genome-Editing Verfahren wie CRISPR/Cas9 mitbedenkt. Damit könnte man im Zuge einer künstlichen Befruchtung das Myostatin Gen des eigenen Nachwuchses ausschalten, was rückwirkend nicht von einer spontanen Mutation zu unterscheiden wäre und somit die gesetzliche Regulation erschwert. Grundsätzlich ließe sich mittels CRISPR sogar ein Genkonstrukt herstellen, das Myostatin nur ausschaltet wenn eine Substanz konsumiert wird, die keine Auswirkungen auf einen nicht-genetisch veränderten Organismus hätte.
Das Leben von Muskeldystrophie-Patienten könnte also verbessert werden, während sich das Leben der Doping-Tester schwieriger gestalten wird. So lange dabei niemand grün anläuft und die Stadt in Trümmer legt, soll es mir recht sein.
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