Evolution erklärt, wie Lebewesen im Laufe der Zeit komplexer werden konnten. Aber woher kam eigentlich die erste Lebensform? Mit dieser Frage beschäftigt sich das erste Kapitel meines Buches „Treffen sich zwei Moleküle im Labor“. Vorgestern habe ich dazu meine erste Lesung gehalten und wer möchte, kann sie sogar nachsehen.
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Die RNA-Welt-Hypothese
Eines der gängigsten Erklärungsmodelle für die Entstehung des ersten Lebewesens, ist die RNA-Welt-Hypothese. Sie geht davon aus, dass die erste Lebensform aus nicht viel mehr bestanden hat als aus einer Membran, in der eine Sequenz aus RNA eingeschlossen wurde, die in der Lage war, sich selbst zu kopieren.
RNA unterscheidet sich chemisch kaum von der DNA, die unsere Gene kodiert. Die Erbinformation mancher Viren beseht bis heute aus RNA, zum Beispiel die der Rhinoviren, die uns um diese Jahreszeit gerne mit einem kräftigen Schnupfen segnen. In menschlichen Zellen übernimmt RNA verschiedenste Funktionen. Die Sequenz einzelner Gene wird in RNA umgeschrieben, die daraufhin den Zellkern verlässt und dort die Information zum Aufbau diverser Proteine zur Verfügung stellt. RNA übermittelt aber nicht nur die Information der Gene, sondern schreibt sie höchstpersönlich in Proteine um. Ribosomen, die Bestandteile der Zelle, die Proteine zusammenbasteln, bestehen nämlich selbst aus RNA. Ein wahrer Alleskönner eben, der MacGyver der Makromoleküle. Die RNA-Welt-Hypothese basiert auf der Beobachtung, dass sich aus der vermuteten Zusammensetzung der Ursuppe RNA Moleküle bilden können.
Was hat das mit Leben zu tun?
Dem amerikanischen Biochemiker Gerald Francis Joyce ist es 2009 gelungen, zwei RNA-Stränge herzustellen, die sich gegenseitig vervielfältigten. Für ihr exponentielles Wachstum waren weder Proteine, noch andere Bestandteile heutiger Zellen notwendig. Sie brauchten lediglich eine Ursuppe aus RNA-Bestandteilen, die es ihnen erlaubt hat, sich mit einer Verdopplungszeit von etwa einer Stunde zu vervielfältigen. Die Buchstabenabfolge der beiden RNAs wurde dabei nicht von den Forschern festgelegt, sondern entstand aus einem Evolutionsexperiment, in dem mehrere RNAs im Überlebenskampf miteinander konkurrierten, wobei sich die Buchstabenabfolgen der RNAs im Laufe des Experiments veränderte.
Dass auf diese Art eine primitive, sich selbst vermehrende Zelle in der Ursuppe entstehen konnte, klingt sehr unwahrscheinlich. Ist es auch, man muss aber bedenken, dass die Erde eine unvorstellbar lange Zeitspanne zur Verfügung hatte, um auf einer unvorstellbar großen Oberfläche eine solche Zelle hervorzubringen. In diesem Kontext wird es sehr wahrscheinlich, dass sehr unwahrscheinliche Dinge irgendwo einmal passieren. Wenn man in seiner Ahnenkette weit genug zurückblickt, würde man vielleicht auf vergleichbare, selbstreplizierende RNAs stoßen, die einem erzählen, dass früher alles besser war, als man sich noch selbst vermehren konnte.
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