Vermutlich startet ihr in das neue Jahr mit dem Vorsatz, mehr Sport zu betreiben und euch gesünder zu ernähren. Aber zuerst müssen die restlichen 10 kg Weihnachtskekse verputzt werden. Und die der Tanten. Und der Omas. Aber DANACH wird abgenommen!

Nachdem die Halbwertszeit gut gemeinter Neujahrsvorsätze nur wenige Tage beträgt, lässt die Regression zur Quattro-Formaggi Pizza nicht lange auf sich warten. Um solche Übeltäter nachhaltig aus dem Speiseplan zu streichen, könnte man sich den Überlebensmechanismus der „Geschmacksaversion“ (Geschmacksabneigung) zunutze machen. Dabei wird der Appetit auf eine Speise langanhaltend reduziert, indem man ihren Konsum mit Übelkeit assoziiert. In den 1950ern reduzierte der amerikanische Psychologe John Garcia auf diese Wiese das Verlangen von Ratten, gesüßtes Wasser zu trinken. Er ließ die Nager nach dem Konsum des süßlichen Wassers mit Röntgenstrahlen beschießen, woraufhin bei den Tieren Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit und Erbrechen auftraten. Die Ratten entwickelten daraufhin eine anhaltende Abneigung gegenüber dem gesüßten Wasser, obwohl kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Süßwasserkonsum und den Symptomen bestand. Die Ablehnung von Speisen durch Übelkeits-Assoziation, wird seitdem als Garcia-Effekt bezeichnet.

Die Übelkeit muss nicht ursächlich mit der Speise zusammenhängen

Eine zeitliche Korrelation reicht vollkommen aus. Beispielsweise kann einem eine wilde Hochschaubahn-Fahrt nach dem Sushi-Konsum, die Lust auf die asiatischen Häppchen dauerhaft verderben. Ein ordentlicher Kater nach einer wilden Wodka-Orange Orgie, kann die Lust an den Zitrusfrüchten anhaltend reduzieren, obwohl die eigentliche Schuld beim Wodka zu suchen wäre. Für mich persönlich sind Nudeln mit Knoblauchsauce seit Jahre Tabu, weil ich den Fehler gemacht habe, trotz erster Grippesymptome, eine Portion hinunter zu würgen. Um eine Geschmacksaversion zu entwickeln ist es nicht erforderlich, dass eine bewusste Verbindung zwischen einer Speise und den Krankheitssymptomen hergestellt wird. Die Aversion wird unbewusst verankert und soll verhindern, dass wir potentiell giftigen Speisen eine zweite Chance geben. Aber auch ohne tatsächliche Übelkeit, können wir das Verlangen nach einzelnen Speisen reduzieren.

Die “Falsche Erinnerungen” Diät

2008 redeten kanadische Wissenschaftler Versuchsteilnehmern ein, in ihrer Kindheit, nach dem Konsum von Pfirsich-Joghurt, erkrankt zu sein. Bereits die Vorstellung dieser Erfahrung reichte aus, um die Teilnehmer weniger Joghurt essen zu lassen, als sie die Chance dazu hatten. Diesen Effekt falscher Erinnerungen fand man auch bei Lebensmitteln wie Erdbeer-Eis, Eier-Salat, Weißwein, Salzgurken und gekochten Eiern. Die Psychologin Elizabeth Loftus ist eine Pionierin auf dem Gebiet der falschen Erinnerungen und weiß, wie man sie zum eigenen Vorteil nutzen kann. Ihr zufolge kann man sich den Appetit auf ein Lebensmittel abtrainieren, indem man sich wiederholt vorstellt es zu verspeisen und darauffolgend zu erkranken. Je öfter und detailreicher man sich die den Konsum und die danach auftretenden Krankheitssymptome vorstellt, desto stärker fällt der Effekt aus. Am besten funktioniert das bei fetten oder fleischhaltigen Lebensmitteln, oder Speisen mit schleimiger Konsistenz, was praktischerweise auf viele ungesunde Lebensmittel wie Hamburger, Pizza, etc. zutrifft

Gesunde Lebensmittel anziehender machen

Das Ganze funktioniert auch in die Gegenrichtung. Redet man Versuchsteilnehmern ein, in ihrer Kindheit Spargel geliebt zu haben, stufen diese Spargel fortan als appetitlicher ein und wären sogar bereit, mehr Geld dafür auszugeben.

Alternativ könnte man sich beim Essen auch einfach zusammenreißen und gelegentlich eine Runde Laufen gehen. Das wäre aber furchtbar unkreativ. Lasst mich wissen, wenn ihr eine bessere Idee habt, wie man die Weihnachtskekse wieder loswird.

Kommentare (19)

  1. #1 Joseph Kuhn
    31. Dezember 2016

    “Je öfter und detailreicher man sich die den Konsum und die danach auftretenden Krankheitssymptome vorstellt, desto stärker fällt der Effekt aus.”

    Klingt ein wenig danach, dass diejenigen mehr Erfolg haben, die motivierter sind. Vermutlich, bis die Motivation nachlässt und man wieder isst, was man mag? Im abstract der 2008er Joghurt-Studie ist die Rede von “one week later”. Die mittlere Halbwertszeit guter Vorsätze dürfte ähnlich lang sein.

    Eine Geschmacksaversion gegenüber Dingen, die ich gerne esse, möchte ich mir jedenfalls nicht andressieren lassen. Schon gar nicht, wenn die Langzeiteffekte nicht in einem RCT mit hinreichend langer Dauer, sagen wir, über 5 Jahre, untersucht sind und das Ganze womöglich wie so oft auch noch auf Laborexperimenten mit Psychologiestudierenden beruht, die damit ihre Versuchspersonenscheine machen.

    Hast Du Dir die Studien mal näher angesehen, was die Teilnehmerrekrutierung angeht, die Fallzahlen, die Beobachtungszeiträume, die gewichtsbezogenen Outcomes, ob es Reproduktionsstudien gibt usw.?

    Im Prinzip ist das mit den Weihnachtskeksen auch ganz einfach: mit gutem Gewissen verschenken, statt mit schlechtem Gewissen essen 😉

    • #2 Martin Moder
      31. Dezember 2016

      Die Versuche wurden mitunter außerhalb des Laborbereiches durchgeführt, wobei den Teilnehmern die Speißen auf Parties oder bei Picknicks angeboten wurden. Die Anzahl der Versuchsteilnehmer liegt bei den meisten Studien im Bereich von ein paar hundert. Das ist nicht wahnsinnig viel, dafür gelangen merere Studien auf diesem Gebiet zu vergleichbaren Schlüssen.

  2. #3 schorsch
    31. Dezember 2016

    “Am besten funktioniert das bei fetten oder fleischhaltigen Lebensmitteln”

    Aha. Gibt es dafür einen Beleg?

  3. #5 schosrsch
    31. Dezember 2016

    Es ist mehr als peinlich, es ist schon ziemlich abstossend, dass ein Kommentar zu deinem Blog zwingend die Angabe einer E-Mail-Adresse verlangt. Datenschutz hurra! Wir kacken drauf!

    Immerhin, man kann@scheiss.eingeben

    • #6 Martin Moder
      31. Dezember 2016

      Wenn du konstruktive Kritik zur Funktionsweise der Science Blog Seite hast, wende dich am besten an den Betreiber der Plattform.
      Aber wenn es dir mehr ums trollen geht, empfehle ich auf diese Plattform zu wechseln: https://www.krone.at/schlagzeilen-krone-at

  4. #7 Laie
    31. Dezember 2016

    Wer seinen Körper kennt würde, so meine ich, sich nicht von der Joghurt-Aussage beeinflussen lassen. Ist nicht jemand, der sich derart einfach beeinflussen lässt auch dumm? (Wurde der IQ mitgetestet?)

    Neidig blickt man deswegen auf jene, die an Kloh-Bullies (wie schreibt man das?) glauben, weil es bei denen wirkt…

  5. #8 Nicole
    31. Dezember 2016

    Interessanter Artikel! Aber ich glaube, ich versuche es doch eher mit Bewegung! 🙂

    • #9 Ernie
      31. Dezember 2016

      Ein ordentlicher Kater nach einer wilden Wodka-Orange Orgie, kann die Lust an den Zitrusfrüchten anhaltend reduzieren, obwohl die eigentliche Schuld beim Wodka zu suchen wäre.

      1. Frage: wieso verzichten die Menschen anschließend auf die Zitrusfrucht, aber nicht auf Alkohol?

      2. Frage: also nach einem üppigen Mahl einfach soviel Alkohol trinken, daß man am nächsten Morgen einen Kater bekommt. Irgendwann hat man dann keine Lust mehr auf ein üppiges Mahl?

  6. #10 MartinB
    31. Dezember 2016

    Das Phänomen kennt vermutlich jeder, der mal ne Chemotherapie gemacht hat.

  7. #11 RPGNo1
    31. Dezember 2016

    Kleine Anekdote aus der Kindheit: Nach einer Portion Spätzle wurde mir ein paar Stunden später furchtbar übel. Ich hatte mir wohl einen Magen-Darm-Virus eingefangen. Die Konditionierung war jedoch so stark, dass ich einen großen Ekel vor Spätzle entwickelt hatte und mir später sogar nur beim Geruch wieder übel wurde. Erst im Erwachsenenalter konnte ich mich mit dem Gericht wieder anfreunden. 🙂

  8. #12 Karl Mistelberger
    31. Dezember 2016

    > Am besten funktioniert das bei fetten oder fleischhaltigen Lebensmitteln, oder Speisen mit schleimiger Konsistenz, was praktischerweise auf viele ungesunde Lebensmittel wie Hamburger, Pizza, etc. zutrifft

    Ein Hamburger enthält 50% Kohlenhydrate, 30% Fett und 20% Eiweiß.

    DGE Richtwerte sind mehr als 50% Kohlenhydrate , 30% Fett und der Rest Eiweiß.

    Was am Hamburger ungesund sein soll bleibt unklar. Fette Speisen haben den unschätzbaren Vorteil, dass man von ihnen schnell satt wird und die meisten Leute nicht über ihren Appetit hinaus davon essen. Dafür, dass sie danach immer noch ordentlich zuckerhaltiges Zeug hineinstopfen kann der arme Hamburger nichts.

  9. […] nebenan, bei Martin Moder, geht es gerade um behavioristische Ansätze der Verhaltensmodifikation, um sich z.B. die Lust auf […]

  10. #14 Alisier
    31. Dezember 2016

    Nun, ganz ehrlich, ich esse, genieße und lebe viel zu gerne, um mir die Zeit hier auf Erden auch noch dadurch zu erschweren, dass ich mir künstlich schlechte Gefühle und Ekel einrede.
    Also, Prosit Neujahr, und sch… auf alle guten Vorsätze, Diäten und heilige Vorschriften! Alles Gute den Genießern, aber natürlich auch denen, die sich das Leben unbedingt schwermachen möchten.
    Es macht einfach viel Spaß auf der dunklen Seite der ungesunden Völlerei.

  11. #15 Stefan
    31. Dezember 2016

    Also, wenn die Pizza eine schleimige Konsistenz hat, dann wurde bei der Zubereitung etwas falsch gemacht.
    Der Pächter unserer Schulmensa konnte das gut, das Pizzen falsch zubereiten. Wenn man sich die Dinger auf die Handfläche legte, baumelte das, was nicht von der Hand gestützt wurde, heunter, als wäre es keine Pizza, sondern ein nasses Handtuch.

  12. #16 Hobbes
    2. Januar 2017

    Fällt die Abneigung gegen Cola, wenn es abends vorher Schnaps-Cola gab, auch in die gleiche Sparte? Das hält ja nur so lange an wie der Kater anhält.

  13. #17 Kassandra
    2. Januar 2017

    Vermutlich startet ihr in das neue Jahr mit dem Vorsatz, mehr Sport zu betreiben und euch gesünder zu ernähren. Aber zuerst müssen die restlichen 10 kg Weihnachtskekse verputzt werden. Und die der Tanten. Und der Omas. Aber DANACH wird abgenommen!

    Die Selbstverständlichkeit, mit der Sie das vermuten, finde ich irritierend. Ich tue nichts von all dem. Ich habe aber auch keine 10 kg Weihnachtsgebäck herumliegen, weil ich selbst gar keines backe und auch von lieben Verwandten nur höflichkeitshalber kleine Mengen von ihrem Selbstgebackenen annehme, weil ich mich noch nie, auch als Kind nicht, sonderlich für Weihnachtsgebäck begeistert habe. Ich laufe nicht schreiend davon, wenn es mir angeboten wird, es lässt mich einfach nur kalt.

    Die Preisfrage lautet nun: Beneiden Sie mich spontan darum oder bedauern Sie mich spontan dafür?

    Auf etwas zu verzichten, das einem gar nicht schmeckt, ist nämlich keine Kunst, genau dieser Gedanke liegt ja auch Ihren Tipps zugrunde. Aber die meisten Leute reagieren eher mit Betroffenheit und einer Spur spontanen Mitgefühls, wenn ich ihre Leidenschaft für diese oder jene Leckerei beim besten Willen nicht teilen kann. Aus ihrer Sicht ist das nicht erstrebenswert, so wenig, wie es erstrebenswert ist, den Geruchssinn zu verlieren.

    Bessere Voraussetzungen, um abzunehmen bzw. das Gewicht zu halten, als den Verlust des Geruchssinns kann man sich dabei aber kaum verschaffen. Es raubt Essen jeden Genussfaktor, so dass man sich problemlos auf die Nährstoffaufnahme als einzigen wichtigen Faktor beschränken kann. Ihre Vorschläge gehen, wenn auch selektiver, in eine ähnliche Richtung. So richtig erstrebenswert kommt mir eine erfolgreiche Anwendung Ihrer Tipps deshalb auch nicht vor. Das, was ich gerne esse, möchte ich dann schon auch genießen.

    Ich bezweifle übrigens, dass das alles so viel mit Gesundheit zu tun hat, wie es immer getan wird (auch Sie erwähnen ja eine gesündere Ernährung). 30 Prozent der Frauen würden nämlich lieber ein Jahr früher sterben als dick sein. Quelle: https://www.psychologie-heute.de/news/gesundheit-psyche/detailansicht/news/lieber_frueher_tot_als_fett/

    • #18 Martin Moder
      3. Januar 2017

      Ich habe den Artikel für zwei Personengruppen geschrieben. Für Menschen, die nach dem Jahreswechsel ein wenig Gewicht verlieren wollen (davon gibt es nun einmal viele) und für Leute, die das Phänomen der Geschmacksaversion und die dazu durchgeführten Experimente interessant finden könnten.

  14. #19 Silvi
    26. Januar 2017

    Das mit dem Zuviel und zu fett stimmt. Ich hatte mal jahrelang eine Aversion gegen Frikadellen, nachdem mir EINMAL übel wurde. Das hält echt vor!
    Also könnte man alle Plätzchen auf einmal essen, die man kriegen kann, dann sind sie weg…. und was danach kommt, darauf kann man gespannt warten… 😉
    Aber mal im Ernst – es ist doch von der Natur ziemlich clever eingerichtet, dass wir im Winter auf solche Sachen Appetit haben, die uns den nötigen Winterspeck liefern. Das andere Extrem ginge tatsächlich an unsere Substanz.
    Ah, da fällt mir noch ein – sich neu verlieben. Neues Jahr, neues Glück. Dopamin… Schon ist der Hunger weg samt allen Gedanken an Essen!