Die ethischen Fragen rund um das Erbgut von Bakterien, Pflanzen und Tieren lasse ich heute mal beiseite und konzentriere mich auf die medizinischen Anwendungen beim Menschen. Die ethische Debatte ist dringend geworden, weil mit CRISPR-Cas9 auch die Manipulation von menschlichen Keimzellen möglich erscheint, wenn einmal die Sicherheitsbedenken ausgeräumt sein sollten, die eine solche Anwendung derzeit viel zu gefährlich machen. Wenn man das Erbgut eines Menschen vor der Geburt manipuliert, greift man tief in dessen Leben ein – und auch in das seiner Nachkommen, weil er die veränderten Gene vererben kann. Manche fordern sogar, dass man auch über den Genpool der Art Homo sapiens sprechen müsse, denn der gehöre zum Erbe der Menschheit und nicht in die Gewalt Einzelner. Es gibt eine Unesco-Deklaration dazu.
Wie weit reicht die Pflicht zu helfen?
In dieser Debatte werden wir festlegen müssen, wie weit wir gehen wollen; der Deutsche Ethikrat hat dazu vor einigen Tagen in Berlin diskutiert (Tweets: #DERcrispr). Ich rechne damit, dass er eine eigene Stellungnahme erarbeiten wird, und dass sein Votum nicht einstimmig ausfallen wird. Manche lehnen jeden Eingriff in die Keimbahn ab – dazu gehört übrigens Emmanuelle Charpentier. Andere möchten eine klare Grenze ziehen zwischen der zulässigen Korrektur eines krankhaften Gens (um beispielsweise Chorea Huntington zu vermeiden) und der verbotenen Verbesserung des Körpers (um beispielsweise kräftigere Muskeln zu erhalten). Und wieder andere sehen auch manche Möglichkeiten der Verbesserung (des Enhancements) noch im akzeptablen Bereich – vielleicht, wenn es um die Reduktion des Krebsrisikos geht (vorausgesetzt, man kennt das genetische Rezept dafür). Klar abgelehnt wird von allen die Züchtung von Kindern mit herausragenden Fähigkeiten.
Charpentier und ihre Firmen wollen nicht in die Keimbahn des Menschen eingreifen, sondern die Gene in normalen Körperzellen verändern und sehen diese Arbeit durch die bisherigen Regelungen zur Gentherapie gut abgedeckt. Sie sehen sich moralisch sogar in der Pflicht: In einer Erklärung der Biotech-Firmen Crispr Therapeutics und Intellia Therapeutics heißt es, dass man das Potenzial der neuen Technologie bei der Behandlung schwerer Krankheiten sofort ausschöpfen müsse. Nach meinem Eindruck hat Charpentier die Sorge, dass die öffentliche Debatte über Keimbahn-Eingriffe und Designer-Babys dazu führt, auch ihre Arbeit einzuschränken. Sie sagte mir im Interview (das Ihr hier nachlesen könnt): „Für eine Methode, die sich so unterschiedlich einsetzen lässt wie CRISPR, braucht man differenzierte Regeln.“ Das fordern übrigens auch die Wissenschaftsakademien und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme.
Der Bioethiker Arthur Caplan nennt noch zwei andere ethische Fragen, die voraussichtlich durch das neue Werkzeug der Genchirurgie verschärft werden: Zum einen könnten die Kosten der Gentherapien so hoch sein, dass sich nur reiche Menschen sie leisten können. Und zum anderen könnten Patienten mit Nachdruck fordern, die Gentherapien schon in einem frühen Entwicklungsstadium zuzulassen. Weil ich mich in den vergangenen Jahren mit den Experimenten zu genmanipulierten Vogelgrippeviren (H5N1) beschäftigt habe, füge ich noch einen dritten Punkt hinzu: die Gefahr, dass Terroristen mit CRISPR gefährliche Bakterien erzeugen. Charpentier hat versucht, das ein wenig zu relativieren: „Man braucht schon ein gut ausgestattetes Labor, wie es an Universitäten üblich ist“, sagte sie in Mosbach. Aber um Gesetze zu brechen, müsse man nicht unbedingt studiert haben.
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