Emmanuelle Charpentier (47) bei der Verleihung der Otto-Warburg-Medaille in Mosbach (Foto: Elsevier)

Die ethischen Fragen rund um das Erbgut von Bakterien, Pflanzen und Tieren lasse ich heute mal beiseite und konzentriere mich auf die medizinischen Anwendungen beim Menschen. Die ethische Debatte ist dringend geworden, weil mit CRISPR-Cas9 auch die Manipulation von menschlichen Keimzellen möglich erscheint, wenn einmal die Sicherheitsbedenken ausgeräumt sein sollten, die eine solche Anwendung derzeit viel zu gefährlich machen. Wenn man das Erbgut eines Menschen vor der Geburt manipuliert, greift man tief in dessen Leben ein – und auch in das seiner Nachkommen, weil er die veränderten Gene vererben kann. Manche fordern sogar, dass man auch über den Genpool der Art Homo sapiens sprechen müsse, denn der gehöre zum Erbe der Menschheit und nicht in die Gewalt Einzelner. Es gibt eine Unesco-Deklaration dazu.

Wie weit reicht die Pflicht zu helfen?

In dieser Debatte werden wir festlegen müssen, wie weit wir gehen wollen; der Deutsche Ethikrat hat dazu vor einigen Tagen in Berlin diskutiert (Tweets: #DERcrispr). Ich rechne damit, dass er eine eigene Stellungnahme erarbeiten wird, und dass sein Votum nicht einstimmig ausfallen wird. Manche lehnen jeden Eingriff in die Keimbahn ab – dazu gehört übrigens Emmanuelle Charpentier. Andere möchten eine klare Grenze ziehen zwischen der zulässigen Korrektur eines krankhaften Gens (um beispielsweise Chorea Huntington zu vermeiden) und der verbotenen Verbesserung des Körpers (um beispielsweise kräftigere Muskeln zu erhalten). Und wieder andere sehen auch manche Möglichkeiten der Verbesserung (des Enhancements) noch im akzeptablen Bereich – vielleicht, wenn es um die Reduktion des Krebsrisikos geht (vorausgesetzt, man kennt das genetische Rezept dafür). Klar abgelehnt wird von allen die Züchtung von Kindern mit herausragenden Fähigkeiten.

Charpentier und ihre Firmen wollen nicht in die Keimbahn des Menschen eingreifen, sondern die Gene in normalen Körperzellen verändern und sehen diese Arbeit durch die bisherigen Regelungen zur Gentherapie gut abgedeckt. Sie sehen sich moralisch sogar in der Pflicht: In einer Erklärung der Biotech-Firmen Crispr Therapeutics und Intellia Therapeutics heißt es, dass man das Potenzial der neuen Technologie bei der Behandlung schwerer Krankheiten sofort ausschöpfen müsse. Nach meinem Eindruck hat Charpentier die Sorge, dass die öffentliche Debatte über Keimbahn-Eingriffe und Designer-Babys dazu führt, auch ihre Arbeit einzuschränken. Sie sagte mir im Interview (das Ihr hier nachlesen könnt): „Für eine Methode, die sich so unterschiedlich einsetzen lässt wie CRISPR, braucht man differenzierte Regeln.“ Das fordern übrigens auch die Wissenschaftsakademien und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme.

Der Bioethiker Arthur Caplan nennt noch zwei andere ethische Fragen, die voraussichtlich durch das neue Werkzeug der Genchirurgie verschärft werden: Zum einen könnten die Kosten der Gentherapien so hoch sein, dass sich nur reiche Menschen sie leisten können. Und zum anderen könnten Patienten mit Nachdruck fordern, die Gentherapien schon in einem frühen Entwicklungsstadium zuzulassen. Weil ich mich in den vergangenen Jahren mit den Experimenten zu genmanipulierten Vogelgrippeviren (H5N1) beschäftigt habe, füge ich noch einen dritten Punkt hinzu: die Gefahr, dass Terroristen mit CRISPR gefährliche Bakterien erzeugen. Charpentier hat versucht, das ein wenig zu relativieren: „Man braucht schon ein gut ausgestattetes Labor, wie es an Universitäten üblich ist“, sagte sie in Mosbach. Aber um Gesetze zu brechen, müsse man nicht unbedingt studiert haben.

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Kommentare (8)

  1. #1 Joseph Kuhn
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/
    8. Juli 2016

    Beim ersten Hinsehen dachte ich, sie hält eine überdimensionale Nobelpreismedaille in den Händen.

    Zum Thema: Wie begründen Kritiker an Eingriffen in die Keimbahn, dass sie auch die Anlage für eine Krankheit wie Chorea Huntington nicht heilen wollen? Das kann doch nicht wirklich die Berufung auf den Schutz des Genpools der Menschheit sein?

    • #2 Alexander Mäder
      8. Juli 2016

      Mit der Medaille haben Sie Recht! Das Bild wird erst kleiner, wenn der nächste Blogbeitrag erscheint.

      Aus den Argumenten der Kritiker möchte ich zwei substanzielle herausgreifen: 1. Der Eingriff in die Keimbahn sei nicht nötig, weil es Alternativen gebe. Für manche Krankheiten gibt es Therapien, die sie später behandeln oder zumindest erträglich machen. Andere Krankheiten kann man durch die Präimplantationsdiagnostik vermeiden. 2. Der Eingriff in die Keimbahn sei gefährlich, weil er sich kaum von weitergehenden Züchtungsfantasien abgrenzen lasse. (Das ist nach meinem Eindruck eine Variante des Dammbruch-Arguments.)

  2. #3 Thomas Friedrich
    8. Juli 2016

    “Klar abgelehnt wird von allen die Züchtung von Kindern mit herausragenden Fähigkeiten.”

    Aber auch nur in unserem christlich-bigotten “Ethikrat”, der noch nie als Speerspitze der moralischen Aufklärung in Erscheinung getreten ist. Was man auch nicht erwarten kann, da Bundestag und Regierung über die Zusammensetzung des Rates entscheiden, sodass der Rat die kirchenfreundliche und in bioethischen Fragen äußerst konservative Haltung der großen Parteien abbildet.

    Gerade in der angelsächsischen Bioethik gibt es etliche Philosophen, die wesentlich offener über das Thema denken. Beispielsweise der Oxforder Bioethiker Julian Savulescu:

  3. #4 Positron
    9. Juli 2016

    Ich hätte nichts gegen ein bisschen mehr kognitive Leistungsfähigkeit.

  4. #5 tomtoo
    9. Juli 2016

    Die möglichkeit ist immer der fuß in der tür.

    klopf,klopf
    Mal schaun wer da rein will.
    Uhhps der fuß ist ja schon drin.

    Was mach ich nun ich armer tor ?
    Gute miene zu bösem spiel ?
    Ach was solls , wird schon werden !

    Keiner hatts in der hand ist die pforte mal geöffnet.

    Die pforte ist offen und sie wird sich weiter öffnen. Und was WIR als gesellschaft MOMENTAN denken ist nicht wirklich relevant.

    Weil a) WIR ist nicht definiert
    b) momentan ist halt ..tja.. ähmm..momentan halt
    c) a ist abhängig von b

    also abwarten tee trinken.

    😉

  5. #6 Uli Schoppe
    10. Juli 2016

    Wenn man Eingriffe in die Keimbahn verbietet wird es trotzdem gemacht. Zum Nachteil der breiten Masse. Ja, ich trage einen Aluhut ^^

  6. #7 Joachim
    9. August 2016

    @Joseph Kuhn und Thomas Friedrich:
    Nicht religiöse Antworten gibt es z.B. auch hier :
    https://scienceblogs.de/heureka/2016/08/08/unsere-genetische-zukunft/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=unsere-genetische-zukunft
    “Heute wird nach demselben Muster argumentiert: präzise Manipulation, vorhersagbares Ergebnis. Jasanoff ist skeptisch und sagt, vom „genome editing“, also dem Redigieren des genetischen Codes, könne man erst sprechen, wenn man den Text auch verstehe. Sonst ähnele das eher einer Autokorrektur von Word. Von einem echten Verständnis der DNA ist die Genetik aber noch weit entfernt. ” Aus gleichem Grund wird CRISPR zumindest bislang auch nur bei Krebspatienten u.ä. mit Diagnose unheilbar angewendet, man weiß einfach nicht was für Nebenwirkungen auftreten können. Und Embryos sind kein Spielplatz für Experimente deren Folgen vielleicht erst Jahre später auftreten können.

  7. #8 Helmut wiedemann
    26. September 2016

    In der griechischen Mythologie gibt es Pferde mit Menschenkopf, Löwen mit Flügel, also eine Vielzahl von Chimären, die uns das fürchten lehren.
    Ob das mal Wirklichkeit wird ? Natürlich auch Clone , die als Ersatzteillager dienen, Mäuse, auf denen Menschenohre wachsen. Menschen, denen tierische gene eingepflanzt worden sind. Tiere, die menschliche Gene enthalten?
    Was wird in 100 Jahren sein. Brauchen wir dann eine neue Ethik und eine neue Definition, wo ein Mensch anfängt ein Mensch zu sein und wo er aufhört ein Mensch zu sein.
    Wer kann da etwas Vernünftiges dazu sagen?