Im Science-Fiction-Kino wird eine neue Stärke der Menschheit beschworen: Sie besiegt die Aliens nicht mit Einfallsreichtum, sondern weil sie zusammenhält. Aber „Star Trek“ und „Independence Day“ verstehen unter Zusammenhalt dann doch nur, dass jeder auf seinem Posten bleiben sollte. Aye, sir!
Hollywood setzt derzeit auf erprobte Ideen: Tarzan kommt wieder in die Kinos, die Ghostbusters werden mit weiblicher Besetzung neu aufgelegt, außerdem wird noch ein Marvel-Comic angekündigt. Und natürlich sind gerade „Independence Day – Wiederkehr“ und „Star Trek – Beyond“ zu sehen. Auch die Filme selbst bieten bekannte Motive. In „Star Trek“ stößt man zum Beispiel auf Höhlenlabyrinthe wie von Orks gebaut, zerstörerischen Schwärmen wie denen, die schon in „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ alles zerfressen haben, und einer Methode zur Lebensverlängerung, die aus „Krabat“ entlehnt zu sein scheint. Und die Botschaft der beiden Science-Fiction-Filme ist dann auch noch dieselbe: Wir Menschen sind stark, weil wir zusammenhalten. Kreativität und Forscherdrang sind keine Alleinstellungsmerkmale mehr, denn die Gegner sind schlau und besser ausgerüstet. Stattdessen hilft uns gegen die Gewalten von außen nur: vive la Mannschaft!
Das soll man vielleicht auch als Kommentar zur heutigen Bedrohung durch den Terrorismus verstehen. Das Dumme ist nur, dass die beiden Filme keine Ahnung davon vermitteln, wie Zusammenhalt aussehen könnte. Im Grunde retten die Menschen mal wieder die Welt (oops! ich hoffe, das nimmt niemandem die Spannung), weil jeder seinen Job macht. In „Star Trek“ sind die Rollen ja seit 50 Jahren verteilt (das Jubiläum der ersten Ausstrahlung steht übrigens demnächst an, am 8. September), und in „Independence Day“ darf jeder Protagonist einen Teil zum großen Alien-Totschlagen beitragen, damit am Ende alle Helden sind. Das wirkt sehr berechnet: Die Herausforderungen sind immer gerade so groß, dass das Team sie meistern kann.
Reden, auch wenn’s weh tut
Zusammenhalt in einer Gruppe ist natürlich etwas Tolles. Aber hier geht es um Zusammenhalt der Menschheit – also um eine Verbindung über viele Gruppen hinweg. Wie die zustande kommen soll, bleibt in beiden Filmen im Dunkeln. Wie können wir als Gesellschaft dem Terrorismus die Stirn bieten? In „Independence Day“ bitten die Amerikaner den Rest der Welt darum, für sie zu beten, und erledigen dann die Aliens im Alleingang. Social Fiction könnte man das nennen, wenn es nicht so billig wäre.
Wie könnte ein Gegenentwurf aussehen? Dazu habe ich das Buch „Zusammenarbeit“ von Richard Sennett aus dem Regal geholt. Im Mai habe ich den Soziologen auf der Tagung „Republica“ in Berlin gehört (hier gibt‘s das Video von seinem Vortrag). Dort hatte er über moderne Städte gesprochen und gefordert, die öffentlichen Einrichtungen so anzulegen, dass sich Vertreter aus verschiedenen sozialen Schichten ständig über den Weg laufen. Man muss sich auch mit Menschen auseinandersetzen, die ganz anders ticken als man selbst, so Sennetts Credo. Verständnis und Vertrauen entstehen erst, wenn man sich aufeinander einlässt und aneinander reibt.
Ich musste an eine Studie zu den Filterblasen in Facebook denken, die Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften erschienen ist (hier ist das PDF der Studie). Darin hatten Forscher zwei Filterblasen statistisch untersucht: Nachrichten aus der Wissenschaft und Nachrichten aus der Ecke der Verschwörungstheoretiker. Sie zeigten, dass sich die Konsumenten der Wissenschafts- und der Verschwörungs-Nachrichten gegenseitig ignorieren. Ist das denn schlimm?, hatte ich mich damals gefragt. Soll mir Facebook etwa Verschwörungstheorien in die Timeline setzen, damit ich auch mal mit anderen Gedanken konfrontiert werde?
Inzwischen frage ich mich besorgt, ob die Antwort nicht Ja lauten müsste.
Gegen den Einheitsbrei
Wenn ich doch einmal mit einem Anhänger esoterischer Theorien diskutiere (das geschieht tatsächlich selten), versuche ich cool zu bleiben. Ich muss nicht jeden bekehren, sage ich mir, und ich will mich nicht aus der Reserve locken lassen. Im Idealfall versuche ich herauszufinden, ob wir zumindest einige Überzeugungen und Werte teilen und wo genau die Argumentation auseinandergeht. Für Richard Sennett führt auch das nicht zu echtem Verständnis und letztlich auch nicht zu einem Zusammenhalt verschiedener Gruppen. Aus Sennetts Sicht muss man dafür wirklich offen sein (ohne sich jedoch selbst zu vergessen). Und er fordert diese Offenheit ein, weil das Denken in engen Bahnen, wie man es innerhalb einer Gruppe oder Filterblase betreibt, nicht ausreicht, um die Probleme einer komplexen und dynamischen Welt zu lösen.
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