Mein Lieblingsbeispiel für historische Rekonstruktionen ist aber der Berliner Schlüssel, den der Techniksoziologe Bruno Latour sogar zur Titelgeschichte eines seiner Bücher gemacht hat. Der Schlüssel ist in manchen Berliner Mietshäusern noch im Gebrauch, war aber vor hundert Jahren bekannter als heute. Was werden Archäologen denken, wenn sie diesen Schlüssel mit zwei Bärten einmal ausgraben? Werden sie ihn als rituelles Artefakt klassifizieren, weil sie sich keinen sinnvollen Einsatz vorstellen können? Das wäre weit gefehlt, denn der Zweck ist, dass man diesen Schlüssel durchstecken muss und ihn auf der anderen Seite der Tür erst wiederbekommt, wenn man abgeschlossen hat. Er ist also ein Instrument, um Mietern eine erwünschte Verhaltensweise nahezubringen. Doch die Kultur hat sich vom Gängeln zum Bitten und Mahnen gewandelt. Der Berliner Schlüssel wurde in vielen Fällen durch Schilder ersetzt, in denen mehr oder weniger freundlich daran erinnert wird, die Haustür doch bitte geschlossen zu halten.
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