Die Fenster werden auf eine gewöhnliche Tischplatte projiziert. Der Umgang damit soll auf Anhieb gelingen: Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut probiert's, während der Fraunhofer-Forscher Matthias Bues das Prinzip erklärt. (Foto: Ludmilla Parsyak / Fraunhofer IAO)

Am Stuttgarter Fraunhofer-Institut IAO sind zwei neuartige Arbeitsplätze zu besichtigen: Die Schreibfläche wird dort zum großen Monitor. Man darf dort auch Papier ablegen, aber eigentlich geht es auch ohne. Hat das papierlose Büro doch noch eine Chance?

 

Als Redakteur einer Tageszeitung hat mir zur Organisation ein Zettel genügt: Dort stand, was ich den Tag über an Besonderheiten zu berücksichtigen hatte. Der Rest war Routine. Und auf meinem Schreibtisch hatte ich zwei Kästchen: eins mit Recherchematerial für Artikel, die noch zu schreiben sind, und eins für Sonderprojekte der Redaktion. Jetzt arbeite ich bei einem Monatsmagazin und muss umdenken, weil ich nicht mehr jeden Abend die Arbeit des Tages abhaken und die fertige Wissenschaftsseite zur Druckerei schicken kann. Ich habe nun viele Projekte, die mich parallel einige Wochen oder gar Monate beschäftigen. Ich weiß sogar schon, was ich nächsten Sommer machen werde! Weil ich im Büro ein leeres Regal geerbt habe, lege ich für jedes Projekt einen neuen Papierstapel an. Jeden Morgen verteile ich die aktuellen Aufgaben als Stapel auf dem Schreibtisch und versuche, den Tisch bis zum Feierabend wieder frei zu kriegen.

Vor ein paar Tagen habe ich mir im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart angeschaut, wie es auch ohne Papier laufen könnte. In der Abteilung Visual Technologies wurden mir und einigen Kollegen zwei Arbeitsplätze vorgeführt: In den einen Schreibtisch waren mehrere große Touchscreens eingelassen, beim anderen hat ein Beamer das Monitorbild von der Decke auf den Tisch projiziert und Kameras haben registriert, wie man mit dem Zeigefinger drückt und wischt. In beiden Fällen liegen die Dokumente so herum, wie es die Papiere auf meinem Schreibtisch tun. Im Unterschied zu Windows passen die Fenster ihren Inhalt nicht an, wenn sie verkleinert oder vergrößert werden. Sie werden einfach kleiner oder größer. Man kann sie zur Seite schieben, wieder hervorkramen oder auch auf einen konventionellen Bildschirm bringen. Weil die Fraunhofer-Forscher vor allem an Architekten, Konstrukteure und Designer denken, werden die Zeichnungen perspektivisch korrekt dargestellt, wenn man eine Brille aufsetzt, die dem Computer die Blickrichtung anzeigt. So entsteht auch bei zweidimensionalen Bildern ein brauchbarer 3D-Effekt.

Neue Arbeitsplätze für neue Aufgaben

Tische mit Touchscreens gibt es schon viele; man kennt sie beispielsweise als Mitmachstationen aus Museen. Der Abteilungsleiter Matthias Bues stellt seine Tische aber als etwas Neues vor: Sie seien nicht für bestimmte Anwendungen optimiert, sondern für alle Programme geeignet. Auch Tastatur und Maus könne man natürlich weiter benutzen. Das wiederum fordert die Journalisten zur Frage heraus, was denn das Besondere sei, einfach einen größeren Bildschirm zu entwickeln. Die Software zu programmieren sei nicht trivial gewesen, versichert Bues. Und die Kosten? Die Hardware koste rund 20.000 Euro, und die Entwicklung könnte man – hoffentlich – auf große Stückzahlen umrechnen, wenn die Tische einmal in Serie gehen sollten. Wäre das iPhone nur in einer kleinen Serie von 100 Exemplaren herausgekommen, sagt Bues, dann hätte jedes Stück rund 60 Millionen Euro gekostet.

Die Journalisten sind anwesend, weil die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zu Besuch gekommen ist. Ihr erzählt der Institutsleiter Wilhelm Bauer später, dass man schon an eine Ausgründung denke. Derzeit sind aber bloß einige wenige Prototypen bei Partnerfirmen im Test. Aus eigenen Untersuchungen wisse man, dass eine große Bildschirmfläche die Arbeit erleichtere, erfahre ich von einem Fraunhofer-Mitarbeiter. Heutzutage müsse man im Büro viele Dinge gleichzeitig im Blick haben: die Zeichnung, an der man arbeitet, das Chat- und das Mailprogramm und sicher auch die eine oder andere Datenbank mit Spezifikationen und Lieferlisten. Es sei doch komisch, dass sich die Arbeitsweisen in den letzten Jahren grundlegend verändert hätten – aber nicht die Arbeitsplätze. Da ist etwas dran, denke ich, denn nur die Monitore sind etwas größer geworden. Und ausgedruckt wird immer noch eine ganze Menge.

One more thing . . .

Die ganzen Informationen aus den verschiedenen Fenstern muss man weiterhin im Kopf zusammenbringen. Im Labor nebenan wird der Ministerin dann aber noch eine andere Möglichkeit der Integration vorgeführt: eine Powerwall, die wie eine Cave funktioniert. Zu sehen ist das digitale dreidimensionale Modell eines neuen Fraunhofer-Institutsgebäudes, und die Perspektive ändert sich, während sich die Ministerin mit ihrer 3D-Brille im Raum bewegt. Vorsichtig tastet sie nach der Wand, um nicht dagegenzulaufen. Gezeigt wird beispielsweise ein Seminarraum des Instituts, an dessen Decke Lamellen für eine bessere Akustik sorgen. Erst im digitalen Modell sei aufgefallen, dass die Sprinkler länger sein müssen, um durch die Lamellen zu reichen, heißt es. Für Akustik und für Brandschutz seien eben zwei Planer zuständig.

Kommentare (8)

  1. #1 schorsch
    16. August 2016

    Das papierlose Büro scheitert gewiss nicht an der technischen Arbeitsumgebung, sondern an den Personen, die in dieser Umgebung arbeiten. Ich arbeite als Netzwerkadministrator in einem sehr konservativen Indfustriebetrieb. Innerhalb der IT laufen alle Prozesse seit vielen Jahren schon papierlos ab. Genauso papierlos laufen alle Prozesse ab, die von aussen an die IT herangetragen werden.

    Papier kommt bei uns aber sofort dann ins Spiel, wenn ein IT-Mitarbeiter ein verwaltungstechnisches Anliegen an eine andere Abteilung richten muss, z. B. einen Urlaubsantrag, eine Reisekostenabrechnung oder eine Bedarfsanforderung über einen USB-Stick für 1 €. Keine dieser Aufgaben, das Eintragen des Urlaubs durch die Personalabteilung, die Prüfung der Reisekosten durch die Finanzbuchhaltung oder die Bestellung des USB-Sticks bedarf zwingend auch nur eines Fetzens Papier, keine dieser Aufgaben bedarf einer technischen Arbeitsumgebung, die über einen Thin-Client, einen 22″-Monitor und die entspr., teilweise seit vielen Jahren bei uns eingerichtete, Software hinausgeht.

    Und dennoch muss ich für diese drei Vorgänge grundsätzlich mind. ein Blatt Papier ausdrucken und weitergeben. An die Personalabteilung, weil die das schon immer so gemacht haben! An die Finanzbuchhaltung, weil deren Chef persönlich abzeichnen will und weil die notwendigen Quittungen ja sowieso an ein Blatt Papier geheftet gehören! An den Einkauf, weil… ach Gott, ich weiss gar nicht warum unser Einkauf auf Papier besteht. Die könnten doch seit Jahren schon, und wollen wohl auch… Aber nein, Papierform nicht nur der Bedarfsanforderung. Auch die Bestellbestätigung erhalte ich auf Papier zurück. Und wenn der USB-Stick f. 1 € eingeht, bekomme ich einen Wareneingangsbeleg auf grünem Papier (Anforderer)…

    Und irgendwann kommt dann die Rechnung und dann werden alle die angefallenen Papiere eingescannt. Und verschlagwortet und in unser digitales Archiv abgelegt. Lustig ist die Welt.

    • #2 Alexander Mäder
      16. August 2016

      Vielen Dank für diesen launigen Einblick in Ihren Arbeitsalltag!

  2. #3 Christian Berger
    16. August 2016

    Die Frage ist, ob denn ein Monitor auf der Wand, bzw auf einer schiefen ebene. nicht sinnvoller wäre. Davor könnte man sitzen oder stehen, so wie es Architekten auch schon vor der EDV gemacht haben. So muss man sich nicht über den Bildschirm bücken.

    Wischgesen sind zur Zeit modern, ausdrucksstark sind sie jedoch nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die brauchbare Version davon ein 2. Terminal hat auf dem man halt ganz normal mit Bildschirm und Tastatur seine Dokumente auswählt, um sie dann auf den großen Bildschirm zu packen.

    Was man dann noch braucht ist eine Art Digitizer für den großen Bildschirm um damit eine Möglichkeit Graphische Dokumente zu editieren.

  3. #4 Dr. Webbaer
    17. August 2016

    Kritische Anmerkung hierzu:

    In beiden Fällen liegen die Dokumente so herum, wie es die Papiere auf meinem Schreibtisch tun.

    Mit Papier überladene Arbeitstische gelten eher nicht als Merkmal besonderer Strebsamkeit, sondern deutlich eher als Merkmal mangelhafter individueller Organisation.

    Insofern muss mit den Mitteln der IT diese Eigenart nicht nachgebaut werden. [1]

    Wie der Zufall so will war der Schreiber dieser Zeilen (vor langer Zeit) dabei, als es das sog. papierlose Büro in einigen Firmen an den Start zu bringen galt.
    Es ging um sog. Dokumenten-Management-Systeme, kurz DMSe genannt.
    Es kann so gut wie alles digitalisiert werden, von Vertragsdokumenten und bestimmte Unterschriften meinend einmal abgesehen.

    MFG
    Wb

    [1]
    Vorsicht, Standardspruch:
    Systeme der IT sind nicht dafür da soziale Probleme * zu lösen.

    *
    Die Geschäftslogik ist gemeint.

  4. #5 tomtoo
    18. August 2016

    aber wo darf ich da unbeobachtet kritzeln ums dann im nirvana (papierkorb) verschwienden zu lassen ?

    • #6 Alexander Mäder
      18. August 2016

      Dafür lässt sich bestimmt auch ein Fenster programmieren!

  5. #7 Laie
    22. August 2016

    Ein BIldschirm ist nicht genug, richtig. Besser sind dann schon zwei oder drei.
    Wers wirklich drauf hat, der montiert sich noch 3 weitere eine Reihe darüber, oder besser noch 4×4 vor dem Auge.

    Nur wer wirklich ordentlich Geld hat, der lässt sich, ähnlich wie in einem Flugsimulator, einen Rundherum-Monitor bauen. Dort kann man dann auch auf einer größeren Projektionsfläche die virtuellen Papierzettel viel leichter herumverschieben. Befindet man sich in einer Virtuellen Realität, so kann man die virtuellen Papierzettel dort auch in virtuelle Papierordner geben, und diese schön sauber in virtuellen Büroschränken verstauen.

    Nebenbei gibt es dort auch virtuelle Kaffees und virtuelle Freunde, als ein Riesenvorteil, geht aber nur mit Riesen Flugzeugs Simulations Bildschirmen.

  6. #8 biotec4u
    24. Januar 2017

    … HEUREKA – und dann nackt durchs Dorf rennen – Philosophen dürfen das. Ein BILD für die Götter und alten Griechen.

    Bildschirm – so flach wie das Universum mit 1080 Pixel alles in Norm. Dein Bildschirm ist ein verborgenes Pentaquark mit Winkelsumme im 5-Eck von 108 Grad.

    Und LasVegas – ist das geheime Himmels – W – der Sterne der Vega – alles leuchtet.

    Ja sogar das Grabtuch Jesu soll ein Abbild oder Bild von einer Lochkamera sein – es gibt viele Theorien.

    Stand by U – mit Blaupunkt oder in Infrarot – der Mensch magst leider bequem. Fernbedienung auch Gott ist Watching US per TV – als televisionar – singt Bette Middler.

    Bei uns zuhause gabs früher nur ein TV – gespart und dann von Mutti bezahlt – vorher war gucken bei der Nachbarin in schwarz-weiss.

    … sendeschluss war mit Bayernhymne AUS – biotec4u