Am Stuttgarter Fraunhofer-Institut IAO sind zwei neuartige Arbeitsplätze zu besichtigen: Die Schreibfläche wird dort zum großen Monitor. Man darf dort auch Papier ablegen, aber eigentlich geht es auch ohne. Hat das papierlose Büro doch noch eine Chance?
Als Redakteur einer Tageszeitung hat mir zur Organisation ein Zettel genügt: Dort stand, was ich den Tag über an Besonderheiten zu berücksichtigen hatte. Der Rest war Routine. Und auf meinem Schreibtisch hatte ich zwei Kästchen: eins mit Recherchematerial für Artikel, die noch zu schreiben sind, und eins für Sonderprojekte der Redaktion. Jetzt arbeite ich bei einem Monatsmagazin und muss umdenken, weil ich nicht mehr jeden Abend die Arbeit des Tages abhaken und die fertige Wissenschaftsseite zur Druckerei schicken kann. Ich habe nun viele Projekte, die mich parallel einige Wochen oder gar Monate beschäftigen. Ich weiß sogar schon, was ich nächsten Sommer machen werde! Weil ich im Büro ein leeres Regal geerbt habe, lege ich für jedes Projekt einen neuen Papierstapel an. Jeden Morgen verteile ich die aktuellen Aufgaben als Stapel auf dem Schreibtisch und versuche, den Tisch bis zum Feierabend wieder frei zu kriegen.
Vor ein paar Tagen habe ich mir im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart angeschaut, wie es auch ohne Papier laufen könnte. In der Abteilung Visual Technologies wurden mir und einigen Kollegen zwei Arbeitsplätze vorgeführt: In den einen Schreibtisch waren mehrere große Touchscreens eingelassen, beim anderen hat ein Beamer das Monitorbild von der Decke auf den Tisch projiziert und Kameras haben registriert, wie man mit dem Zeigefinger drückt und wischt. In beiden Fällen liegen die Dokumente so herum, wie es die Papiere auf meinem Schreibtisch tun. Im Unterschied zu Windows passen die Fenster ihren Inhalt nicht an, wenn sie verkleinert oder vergrößert werden. Sie werden einfach kleiner oder größer. Man kann sie zur Seite schieben, wieder hervorkramen oder auch auf einen konventionellen Bildschirm bringen. Weil die Fraunhofer-Forscher vor allem an Architekten, Konstrukteure und Designer denken, werden die Zeichnungen perspektivisch korrekt dargestellt, wenn man eine Brille aufsetzt, die dem Computer die Blickrichtung anzeigt. So entsteht auch bei zweidimensionalen Bildern ein brauchbarer 3D-Effekt.
Neue Arbeitsplätze für neue Aufgaben
Tische mit Touchscreens gibt es schon viele; man kennt sie beispielsweise als Mitmachstationen aus Museen. Der Abteilungsleiter Matthias Bues stellt seine Tische aber als etwas Neues vor: Sie seien nicht für bestimmte Anwendungen optimiert, sondern für alle Programme geeignet. Auch Tastatur und Maus könne man natürlich weiter benutzen. Das wiederum fordert die Journalisten zur Frage heraus, was denn das Besondere sei, einfach einen größeren Bildschirm zu entwickeln. Die Software zu programmieren sei nicht trivial gewesen, versichert Bues. Und die Kosten? Die Hardware koste rund 20.000 Euro, und die Entwicklung könnte man – hoffentlich – auf große Stückzahlen umrechnen, wenn die Tische einmal in Serie gehen sollten. Wäre das iPhone nur in einer kleinen Serie von 100 Exemplaren herausgekommen, sagt Bues, dann hätte jedes Stück rund 60 Millionen Euro gekostet.
Die Journalisten sind anwesend, weil die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zu Besuch gekommen ist. Ihr erzählt der Institutsleiter Wilhelm Bauer später, dass man schon an eine Ausgründung denke. Derzeit sind aber bloß einige wenige Prototypen bei Partnerfirmen im Test. Aus eigenen Untersuchungen wisse man, dass eine große Bildschirmfläche die Arbeit erleichtere, erfahre ich von einem Fraunhofer-Mitarbeiter. Heutzutage müsse man im Büro viele Dinge gleichzeitig im Blick haben: die Zeichnung, an der man arbeitet, das Chat- und das Mailprogramm und sicher auch die eine oder andere Datenbank mit Spezifikationen und Lieferlisten. Es sei doch komisch, dass sich die Arbeitsweisen in den letzten Jahren grundlegend verändert hätten – aber nicht die Arbeitsplätze. Da ist etwas dran, denke ich, denn nur die Monitore sind etwas größer geworden. Und ausgedruckt wird immer noch eine ganze Menge.
One more thing . . .
Die ganzen Informationen aus den verschiedenen Fenstern muss man weiterhin im Kopf zusammenbringen. Im Labor nebenan wird der Ministerin dann aber noch eine andere Möglichkeit der Integration vorgeführt: eine Powerwall, die wie eine Cave funktioniert. Zu sehen ist das digitale dreidimensionale Modell eines neuen Fraunhofer-Institutsgebäudes, und die Perspektive ändert sich, während sich die Ministerin mit ihrer 3D-Brille im Raum bewegt. Vorsichtig tastet sie nach der Wand, um nicht dagegenzulaufen. Gezeigt wird beispielsweise ein Seminarraum des Instituts, an dessen Decke Lamellen für eine bessere Akustik sorgen. Erst im digitalen Modell sei aufgefallen, dass die Sprinkler länger sein müssen, um durch die Lamellen zu reichen, heißt es. Für Akustik und für Brandschutz seien eben zwei Planer zuständig.
Kommentare (8)