Lächle – und du fühlst dich besser. Diese Theorie wird gerade in Zweifel gezogen, weil die Wiederholung eines klassischen Experiments scheiterte. Doch der Autor der Originalstudie sagt, er lerne nichts aus der Wiederholung. Einblick in einen Grundsatzstreit.
In der Psychologie und einigen anderen Disziplinen werden seit einiger Zeit klassische Experimente wiederholt. Solche Replikationsversuche waren bisher selten, weil sie keine Punkte für die Karriere liefern. Am Ende hat man womöglich bloß ein bekanntes Ergebnis bestätigt und nichts Eigenes geschaffen. Auch Fachjournale hatten mehr Interesse an Arbeiten mit neuen Ergebnissen. Das ändert sich nun – zu Recht, weil eigentlich erst das mehrfache Überprüfen – die Replikation – die nötige Sicherheit liefert, keinem Zufallstreffer auf den Leim gegangen zu sein. Der Psychologe Brian Nosek hat zum Beispiel ein bekanntes Programm zu diesem Zweck aufgesetzt: das Reproducibility Project. In den ersten 100 Wiederholungsversuchen wurden die Originalergebnisse in weniger als der Hälfte der Fälle bestätigt.
Der Psychologe Fritz Strack von der Universität Würzburg hat eine Studie, für die er bekannt ist, selbst zur Überprüfung vorgeschlagen. Eric-Jan Wagenmakers von der Universität Amsterdam hat sich mit seinen Kollegen darum gekümmert und ein für alle überraschendes Resultat ermittelt: Die Forscher fanden keinen Effekt, als sie die Ergebnisse der 17 beteiligten Labors mittelten, obwohl sich alle genau an die Vorgaben aus der Originalstudie gehalten hatten. Zu genau, sagt nun Fritz Strack. Bevor ich seine Kritik erläutere, sei erwähnt, dass er diese Position schon vor dem Scheitern der Replikation vertreten hat (hier geht es zu einem Kommentar aus dem Jahr 2014 und hier zu einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychologie aus dem vergangenen Jahr, die Strack unterzeichnet hat).
Stracks Theorie heißt „facial feedback“: Die Muskeln, die die Mimik steuern, senden auch Signale ans Gehirn zurück. So drückt unser Gesicht zwar aus, ob wir uns freuen oder erschreckt haben, aber über den Gesichtsausdruck beeinflussen wir auch unsere Gefühle. Wenn wir lächeln, stimmt uns das demnach etwas freundlicher. Strack hat das Ende der 1980er-Jahre in einem Experiment erprobt, in dem seine Versuchspersonen Cartoons von Gary Larson bewerten sollten. Die Probanden, die lächelten, fanden die Cartoons witziger: um durchschnittlich 0,8 Punkte auf einer 10-Punkte-Skala. Um auszuschließen, dass die Probanden so reagieren, weil sie wissen, dass sie lächeln, gab Strack vor, es gehe um Arbeitstechniken für behinderte Menschen. Die Versuchspersonen sollten den Stift beim Ausfüllen des Cartoon-Fragebogens entweder mit den Lippen oder zwischen den Zähnen halten. Hält man ihn zwischen den Zähnen, aktiviert man die Lachmuskeln, ohne es zu ahnen (siehe Fotos oben).
Mehr als tausend Probanden
In der neuen Studie verschwand der Effekt völlig (das Magazin „Slate“ erzählt die Geschichte ausführlich; den noch unveröffentlichten Studienbericht und einen Kommentar von Strack gibt es hier). Fritz Strack nennt eine Reihe von möglichen Erklärungen für das Scheitern:
- Die Probanden von heute – es sind in der Regel Psychologiestudenten – haben von der Theorie vielleicht schon gehört.
- Im neuen Experiment wurden die Probanden gefilmt, was sie vielleicht dazu veranlasst hat, mehr über ihr Tun nachzudenken.
- Die Cartoons von Gary Larson wirken heute vielleicht eher alt und nicht mehr so wie in den 80er-Jahren.
Strack plädiert dafür, Versuche nicht 1:1 zu wiederholen, sondern das experimentelle Setting an die Zeit anzupassen. Auf diesen Einwand angesprochen antwortet Eric-Jan Wagenmakers, dass die Cartoons in der Replikationsstudie vorab auf ihre Lustigkeit getestet worden seien. Aber Strack geht weiter in seiner Kritik. Man müsse auch darauf achten, etwas zu lernen, sagt er: beispielsweise zu Vergleichszwecken auch aktuelle Cartoons verwenden oder in einem weiteren Versuch die Kamera weglassen. Für ihn seien daher andere Experimente interessanter, die mit anderen Gesichtsmuskeln und anderen Gefühlen das Feedback-Prinzip untersuchen. Sein Lieblingsbeispiel ist die Lähmung des Corrugator-Muskels mit Botox: Dieser Muskel zieht die Augenbrauen zusammen, und er wird in der Therapie von Depressionen manchmal mit Erfolg lahmgelegt. Eine zusammenfassende Studie von drei Experimenten kam zum Schluss, dass sich dadurch die Stimmung aufhellen lässt. „Wenn der Effekt bei der Replikation ausbleibt, heißt es, er sei nicht real und im Originalexperiment nur zufällig entstanden“, sagt Strack. „Doch damit ist nicht gesagt, dass der zugrundeliegende Mechanismus nicht existiert.“
In diesem Punkt stimmt ihm Wagenmakers zu, der die Replikationsstudie geleitet hat. „Vielleicht ist die zugrundeliegende Theorie wahr und nur das experimentelle Design muss geändert werden“, sagt Wagenmakers. „Aber es wäre schön, einen Nachweis zu sehen.“ Und er fügt hinzu, dass diese Studie dann vorab registriert sein und viele Probanden einschließen sollte. Er spielt damit auf ein häufiges Problem psychologischer Studien an: In den Daten findet man, wenn man nur sucht, oft irgendwelche schwachen Zusammenhänge. Die Zuverlässigkeit erhöht man jedoch, wenn man vorher sagt, wonach man sucht, weil dann das Risiko des Scheiterns höher ist. In die gescheiterte Replikation waren die Daten von weit über tausend Versuchspersonen eingeflossen. Seine Wiederholung sei so sorgsam ausgeführt wie kaum ein anderes Experiment dieser Art, sagt Wagenmakers. „Wenn Sie das nicht überzeugt, was dann?“
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