Das Smart Home kommt nicht voran. Es gibt zwar sinnvolle Ideen, aber nicht sehr viele. Es scheint, als könne die Branche Innovationen aus der Wissenschaft gebrauchen. Ein Besuch auf der Messe BAU in München.
In diesem Jahr soll das dritte Flagship-Projekt der EU starten: Kommissar Günther Oettinger hat den Quantenphysikern eine Milliarde Euro versprochen. („bild der wissenschaft“ wird in seiner März-Ausgabe darüber berichten, und ich habe vor einiger Zeit einen der Initiatoren gesprochen.) Ein Ziel des großen Projekts sind Miniatursensoren für Luftqualität, Blutwerte oder die Orientierung im Raum. Die Firma Bosch, die solche Sensoren baut, ist mit von der Partie. Mit der kräftigen EU-Förderung soll zum Beispiel in fünf bis zehn Jahren die zentimetergenaue Navigation in Häusern möglich werden. (Mehr zu den Aussichten der Quantentechnologien gibt ein Manifest der Forscher.)
Wenn sich die Prognosen bewahrheiten, könnte das der Haustechnik neue Möglichkeiten eröffnen – vielleicht so grundlegend, wie das Smartphone in unseren Alltag eingriffen hat. Mit diesem Gedanken bin ich letzte Woche nach München gefahren: zur Messe BAU. Das Smart Home sollte einer ihrer Schwerpunkte sein. Aber weit gefehlt: Während sich Tausende Besucher in den Hallen drängten, um sich über Haustüren und Dachziegel zu informieren, saßen in den Vorträgen zum intelligenten Haus nur einige Dutzend. Und die Experten dort hatten vor allem ein Thema: Wer behindert den für sicher gehaltenen Siegeszug der neuen Technik?
Das Auto verbindet sich selbständig mit dem Handy, es schaltet die Scheibenwischer bei Bedarf ein und das Licht aus, wenn man es in der Garage verlässt. Vor der Wohnungstür fingert man hingegen mit einer Hand – die andere hält die Einkaufstasche – nach dem Schlüssel. Warum nimmt man den Komfort nicht an, den auch Wohnungen bieten könnten?, fragen die Smart-Home-Experten ratlos.
Was der Rauchmelder sonst noch kann
Eine Umfrage der Agentur e-result zeigt: Die Branche hat mit Vorurteilen zu kämpfen. Von 170 Multiplikatoren, die befragt wurden – dazu zählen beispielsweise Architekten und Installateure –, hat nur knapp ein Drittel überhaupt schon Kunden in Sachen Smart Home beraten. Meist ging es darum, das Licht zu steuern. Dabei stöhnen die Smart-Home-Anbieter: „Das Licht über eine App zu steuern ist kein Fortschritt.“ Das mit dem Licht müsse das Haus schon selbständig regeln können, wenn es als intelligent gelten soll. Und auch sonst räumen die Experten mit verbreiteten Vorstellungen auf: Wenn in einem intelligenten Haus ein schicker Touchscreen in die Wand eingelassen sei, dann sei das vor allem zum Angeben gedacht. Das Haus denkt ja selbständig. Und in Privathäusern sei nicht zu erwarten, dass mit der neuen Technik Energie gespart wird, denn die Bewohner machen bereits heute fast alles richtig (sie drehen beispielsweise die Heizung herunter, wenn sie übers Wochenende verreisen).
Ein Szenario, von dem sich die Smart-Home-Anbieter hingegen einiges erhoffen: Der Rauchmelder piepst im Notfall nicht nur, sondern schaltet auch das Licht an und fährt die Rollläden hoch, um Flucht und Rettung zu erleichtern. Ein erklärtes Ziel der Branche ist auch, ältere Menschen im Haushalt zu unterstützen, damit sie länger selbständig bleiben können. Um Stürze zu registrieren, brauche man keinen teuren Teppich mit Sensoren, heißt es in München. Es gebe inzwischen Kameras mit integrierter Bildauswertung, die einen Sturz registrieren können und nur in einem solchen Notfall ein Signal nach außen senden.
Nutzer wie Handwerker sehen jedoch Probleme: Neben den Kosten sind das die Vielfalt inkompatibler Systeme (über Funk oder Kabelverbindungen) und der Datenschutz. Auch hier ziehen die Smart-Home-Experten Vergleiche zum Auto: Die Konkurrenz von Benziner und Diesel belebe doch den Wettbewerb, sagen sie. Und es habe noch niemand auf einen Autokauf verzichtet, weil er befürchtete, mit dem Auto einen Unfall zu bauen. Aber sie geben auch zu, dass mancher Anbieter erst lernen muss, dass er mit dem intelligenten Gerät einen internetfähigen Computer verkauft und ihn deshalb vor Viren und Hackerangriffen schützen muss.
Wie man einen einfachen Lichtschalter glücklich macht
Nach meinem Eindruck rächen sich nun die hohen Erwartungen, die vor 10 oder 15 Jahren geschürt worden sind. Man hat ja nicht nur intelligente Technologien angekündigt, sondern einen umfassenden Ansatz. Man sprach vom Smart Home, aber nicht vom Smart Car. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, die Technologien einzeln auf den Markt zu bringen (und die besonders beliebten weiterzuentwickeln) wie in der Autobranche. Einst war der intelligente Kühlschrank das Paradebeispiel, der zunächst nur den Jogurt nachbestellen sollte – aber sicher noch zu viel mehr fähig sein würde, wenn er einmal mit anderen Küchengeräten vernetzt wäre. Heute wirken viele Smart-Home-Angebote im Vergleich zu mickrig, um den Kauf zu rechtfertigen.
Aber das muss nicht so bleiben, denn die Anbieter passen sich an. Inzwischen gibt es Angebote, die mit den bestehenden Geräten und elektrischen Anlagen arbeiten. Der Lichtschalter wird also nicht ersetzt, sondern mit neuen Funktionen ausgestattet. Er signalisiert zum Beispiel, dass der Bewohner noch auf den Beinen ist. Und man kann ihn mit verschiedenen Beleuchtungsszenarien programmieren: für romantische Atmosphäre bitte doppeldrücken! Aber die richtige Revolution steht noch aus. Vielleicht kommt sie mit den Quantentechnologien. Aber bisher scheint es zwischen den beiden Fächern keinen Kontakt zu geben. Gleiches gilt auch für das maschinelle Lernen: Stichwort Sprachsteuerung. Auch dazu habe ich in München nichts gehört.
Eine Mini-Umfrage
Hier geht’s zu einer einzelnen Frage zum Potenzial des intelligenten Hauses. Vielen Dank schonmal für die Teilnahme!
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